Die Norddeutschen | #3 Alle knülle, Landidylle

in #deutsch7 years ago (edited)

Jeder hat von ihnen gehört: den Norddeutschen.

Mürrisch, unfreundlich, kühl und ehrlich zu sein wird uns gerne nachgesagt. Aber stimmt das Ganze auch oder wird man hier in eine Klischeefalle gelockt? Um diese Frage zu klären: hier mein Beitrag zum Thema Feiern.

Viele Menschen gehen abends vor die Tür und suchen sich einen netten Ort, um ihren wohl verdienten Feierabend zu genießen, oder einfach nur um neue Leute kennenzulernen. Wenn Du dich südlich von Hannover befindest ergeben sich da keine großen Schwierigkeiten. Neue Gesprächspartner sind leicht gefunden und falls Du das Glück hast, einen Saufkumpanen vom letzten Kneipenbesuch zu begegnen, kann direkt mit einer freudigen Begrüßung begonnen werden und der Abend nimmt seinen Lauf.

Bei uns läuft das Ganze ein wenig anders. Denn soziale Barrierefreiheit wird hier zu Lande nicht gerade großgeschrieben. Wenn Du als Auswärtiger noch nicht das Glück hattest, dich bis zur Erkennungslosigkeit zu integrieren, findest Du es bisweilen sehr schwer dich anzupassen. Schnell wird ein Satz zu viel gesprochen und deine Annäherungsversuche der letzten 3 Monate scheitern in dem Gedanken, dass Du zu geschwätzig seist.

Bevor Du jetzt die Flinte vorschnell ins Korn wirfst, solltest Du noch einmal versuchen, die Überholspur auf der sozialen Autobahn zu nehmen. Denn nirgends lernt man andere Menschen besser kennen, als bei ein paar Bierchen. Bei der Wahl der Lokalität steht ein jeder schnell vor der Problematik, dass neben der gesamten Landidylle nur wenige Möglichkeiten zum Feiern bestehen. Somit muss man sich seine Örtlichkeiten genau heraussuchen, bevor es losgehen kann.

Zeltdisco

Raum zum Feiern gibt es zwar überall, wenn Du dich aber richtig ins Aus schießen willst, sollte die Atmosphäre einer eigens für diese Feierlichkeit aufgestellten Großraumplane in Betracht gezogen werden.
Bei solch einer Party kommst Du, gleich auf zweierlei Arten, vom Regen in die Traufe. Erstens auf rein physikalischer Ebene. Denn jeder, der schon einmal beobachtet hat, wie sich warme und feuchte Luft auf einer kalten Scheibe niederschlägt, bekommt eine leise Ahnung davon, was an diesem Ort unweigerlich geschehen wird.

Die von den Gästen ausgestoßene Atemluft, ist stark angereichert mit Wasser und die tapferen Besucher der Tanzfläche scheiden zusätzlich durch weitere Poren Feuchtigkeit aus. Die somit gesättigte Luft gibt ihre überschüssige Wärme an der kalten Zeltplane wieder ab und verliert dabei die Fähigkeit, größere Mengen Wasser zu transportieren. Deswegen bilden sich an der Decke Wassertropfen und die gesamte Partystimmung schlägt sich buchstäblich nieder.

Zweitens stellen sich Probleme ein, wenn Du die Altersgrenze von 20 Jahren überschritten hast. Die feiernde Gemeinde hat einen gesunden Altersdurchschnitt von ungefähr 16 Jahren und viele von ihnen sind mit ihrem eigenen Traktor angereist, oder wurden von Opa mit den Worten abgeliefert:

Der Jung soll mal en bietje Spaß haben!

Dieser Spaß bezieht sich jedoch auf das Feiern mit der eigenen Dorfjugend und nicht mit „alten“ Fremden.

Fazit:

Eine Möglichkeit für dich, aber nicht der geeignete Ort, um viele neue Menschen kennen zu lernen.

Schützenverein und Schützenfest

Schmarotzer und Außenseiter sieht hier keiner gern und im eigenen idyllischen Dorf werden die Bürgersteige Punkt 17 Uhr hochgeklappt. Alles kein Problem, wenn Du weißt, wo die ortsansässige Bevölkerung ihre Zeit verbringt.
Das Vereinshaus der Schützen ist ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt. Hier bietet sich für dich sogar die einzigartige Möglichkeit, durch den Vereinsbeitritt, eine schriftliche Bestätigung der Zugehörigkeit zu ergattern. Jedoch reicht es nicht aus mit deiner Mitgliedschaft in der Tasche durchs Dorf zu watscheln und zu glauben, dass nun alles fein sei. Der Einkauf in die Mitte der Gesellschaft muss auch durch Deine eigene Geldbörse erfolgen.

Der gesamte Verein arbeitet emsig auf den einen, ganz besonderen, Tag im Jahr zu: das Schützenfest. Es ist die eine Möglichkeit, wo sich Kind und Kegel treffen, um gemeinsam die Dorfgemeinschaft zu zelebrieren. Jetzt ist deine Stunde gekommen, um richtig zu glänzen. Durch den Erwerb der richtigen Uniform ist es für jeden klar ersichtlich: Du gehörst dazu!

Wenn Du das Fest, optisch vollkommen integriert, betrittst, gilt es, die Trinkfestigkeit Deiner Leber unter Beweis zu stellen. Zur Begrüßung ein stummes Nicken zu Deinen Vereinsmitgliedern und eine schnelle Abschätzung, wie viele von ihnen bereits an ihrem Tisch Platz genommen haben. Dein erster Weg führt Dich direkt zur Theke und für jeden wird erst einmal ein Bier und ein Rudel Klarer (Korn) organisiert. Diese Formen der Begrüßungsgeschenke kommen besonders gut an und es wird bestimmt einen Schützen geben, der Dir die magischen Worte entgegenbringt:

Du bist ja gar nicht so verkehrt.

Falls Du dich wunderst, warum die Danksagungen nicht üppiger ausfallen, muss erwähnt werden, dass bereits das größte Kompliment ausgesprochen wurde und einem erfolgreichem Tag steht nicht mehr viel im Wege. Denn jetzt sind wir Norddeutschen in unserer besten Form angekommen: gemeinsames betrunken sein mit Freunden. Alle Vorurteile über unsere Schweigsamkeit werden komplett widerlegt und es wird mal so richtig geschnackt.

Fazit:

Du musst einiges an Vorarbeit leisten, aber die Mühen lohnen sich. Denn es werden viele Barrieren gebrochen und es ergibt sich für Dich die Möglichkeit, schnell mit deinen Mitmenschen warm zu werden. Deine frisch geschlossenen Freundschaften können im nächsten Schritt leicht ausgebaut werden.

Hausparty

Du bist weit gekommen und wurdest zu jemandem nach Hause eingeladen! Die letzte goldene Meile kann jetzt bestritten werden. Die Vorbereitungen sind hier weitaus einfacher: eine Flasche Schnaps und Nudel[n]salat [1].

Beim Betreten des Hauses begrüßt ihr euch mit einem: „Moin.“ Und auf die Frage, ‘wie geit die dat‘, antwortest Du mit einem kurzen: „Jo.“ Wir sind hier nicht zum Jammern zusammengekommen, sondern um Spaß zu haben. Deine Mitbringsel werden auf den Tisch gestellt und das Schnacken kann beginnen. Hierbei brauchst Du nicht viel Zeit verstreichen zu lassen, denn ihr kennt euch bereits.

Mit dieser illustren Runde kannst du dich feucht fröhlich durch eine ganze Nacht saufen und viel Klatsch und Tratsch austauschen. Es ist einfach Deine beste Möglichkeit, um beim Dorffunk voll mit dabei zu sein und echte Freundschaften zu besiegeln.

Fazit:

Es ist ein harter Weg bis zu diesem Punkt, aber es lohnt sich. Wenn Du hier soziale Kompetenz beweist, kannst Du Freunde fürs Leben gewinnen. Alle Vorurteile über uns Norddeutschen verfliegen und es kann passieren, dass wir Dir bei der nächsten Begrüßung freudig um den Hals fallen und Dich dabei „gar nicht so verkehrt“ finden.


[1] Folgerichtig müsste es Nudelnsalat heißen, den niemand schmeißt eine einzelne Nudel in einen Topf Mayonnaise.

Bildquellen: Pixarbay


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Euer @joe.backpacker

Sort:  

Wenn ich das so lese werden mir zwei Dinge klar: 1. Meine Sympathie für die Norddeutschen ist begründet, wir ticken gleich. Brandenburger sind in der Sozialkompetenz ähnlich aufgestellt. Und 2. Als Eingeheirateter kommt man bei uns ähnlich schwer in Kontakt. Zu meinen spärlichen Bekanntschaften im Ort zähle ich auch diejenigen, die ich lediglich mit Kopfnicken oder "Tach" (Brandenburger Pendant zu "Moin") grüße. Ist mir aber auch recht so, denn wie gesagt, ich ticke ähnlich und will gar nicht so viel wissen...

Hahaha, freut mich, dass es nicht nur mir so geht. Man merkt aber immer erst, wie "distanziert" wir hier sein können, wenn man mal mit anderen Menschen zu tun hat.

Herrlich^^ Wie geit die dat - jo :D Du hast die zweite Religion vergessen, die freiwillige Feuerwehr. In Heerscharen kommen sie zu jedem Einsatz :)

Ich hatte die Feuerwehr zwar auf dem Schirm, hat bei einem Partyguide nicht gut genug gepasst, um denen auch noch eine Passage zu widmen.

Feuerwehr und Party ist hier quasi das Gleiche ^^ Keine Döörpfete ohne Feuerwehr und oder Schützenverein :D

Oh man, wenn dann auf dem Zenit der Party die Hütte so richtig brennt, können die Jungs gleich ihren Brand mit löschen :-D

So, un nich anners^^

Glaub mir, auf dem (ober)bayrischen Land ist es als "Zugroaster" nicht viel einfacher, wirklichen Anschluß zu bekommen.

Das letzte mal, als ich in Bayern gelebt habe, war ich 0 Jahre alt :-D
Welche Möglichkeiten bieten sich bei euch, wenn man schneller dazu gehören möchte?

So geht es mir mit dem norddeutschen Raum.
Vorerfahrung bei der Feuerwehr scheint (für Leute unter 40) immer noch das beste Mittel zu sein, um hier anzukommen; alternativ bieten sich auch der Sport- und der Karnevalsverein an. Oder der Trachtenverein, wenn es im Ort einen gibt. Oder man bringt sich im kirchlichen Bereich ein.
Schützenvereine kommen prinzipiell auch in Frage, sind aber überaltert.

Es scheint alles zu helfen, was sich mit dem Sozialen Gefüge beschäftigt oder aus älteren Kulturrelikten besteht.
Die Überalterung der Schützenvereine ist auch hier zu beobachten.

Die Tür geht auf, ein Bauch kommt rein, das kann doch nur der Werner sein

;-D

Immer diese Vorurteile zu den unterschiedlichen Regionen.... tstststs...
Aber trifft wie Faust auf Auge würd ich sagen ;)

Sehr geil ✌️

Wenn zu viel Alkohol im Spiel ist, kann so eine Faust wirklich im Auge landen ;-) Gut das ich da nie Bock drauf habe.

na aber das ist leider nicht nur in Norddeutschland so 😳

Ach Norddeutschland, da wird die Sehnsucht groß in mir. Wir verbringen dort immer einen Teil unseres Urlaubs und ich schätze die Mentalität der Menschen dort sehr, hier in Hessen besonders im Odenwald sind die Menschen zwar (mit Humor betrachtet) auch recht unterhaltsam aber zwischen Grandlern und Cholerikern die sich in alles einmischen vermisse ich doch den weiten Norden öfter mal. :) Super Beitrag, da hat man auch mal was zum schmunzeln ;-) LG

Freut mich, dass es so rüber gekommen ist. Das ganze hier soll andere zum schmunzeln bringen :-)

Ja ja .. die Norddeutschen, da hat man es als Sachse schwer :) Vor allem wenn es um Scherze geht ...
Das musste ich auch über ein paar Jahre erst mal lernen. Aber so isses nur mal an der Küste. Wenn man ein Schiff hat ist da nun mal das Wasser. also muß man auch irgendwie mit den Leuten klarkommen - vor allem mit dem "Witz machen und einfach stehen lassen" ;)
Wenn man so im Hafen ist, sind mir mittlerweile die Nordeutschen lieber als z.B. ein beeeep (möchte keine deutschen Lokal-Bevölkerungsgruppen aus dem Süden nennen :D :D ).
Andersherum haben es die Nordeutschen auch in Sachsen recht schwer. Ein Kumpel, der hier in Dresden arbeitet durfte nach ein paar Wochen auf der neuen Arbeit zum Chef, weil es Beschwerden gab, daß er herablassend und bevormundend ist. Er kommt aus Rostock, wenn man da mal war, weiß man, daß die alle da so sind ;)
Auch am Haff - erst hab ich immer gedacht die Leute haben da schlechte Laune, weil man diese Wortkarkheit gar nicht gewohnt ist. Aber das ist halt anscheinend normal. Andersherum kann man das auch gut ausnutzen, wenn man seine Ruhe haben will. Einfach drauf los schwafeln, ohne Punkt und Komma!

Immer wenn ich einen neuen Beitrag zu diesem Thema verfasse und glaube, dass ich den Klischeehammer so richtig durch die Luft schwinge, um damit jede Form von Individualität zu erschlagen, Höre ich im Grunde andauernd, dass ich vollkommen recht habe :-D
Leute, ihr seid der Hammer!

Bin auch son Dorfkind - die Feuerwehr kam wirklich zu jeder Wespennest-Entfernung mit zig Leuten und in voller Montur....

Und das Lieblingsgetränk vieler ist der "Spezi" - Cola mit Korn !

Prost !

Grüße

Michael

Jo, muss einfach nur knallen, dann passt dat :-D

Sehr schön, diese Integrationswilligkeit in die Dorfgemeinschaft.

Ich habe in vielen Ländern sehr gastfreundliche und äußerst gastfreundliche Menschen getroffen.
Zu meiner eigenen Überraschung, weil ja "Deutsche" in den österreichischen MSM immer schlecht bis sehr schlecht weg kamen, traf ich die gastfreundlichsten Menschen von Allen in Nordddeutschland, besonders auch bei den Ostfriesen. Ganz tolles, gastfreundliches Volk. Nicht umsonst sind die Deutschen weltweit das beliebteste Volk. Früher, bevor ich aus Europa nicht raus gekommen war, war mir das gar nie klar. Die Deuschen sind fast überall beliebt, nur zuhause bei den Linkslinkischen und Grüninnen nicht. Die rufen heute noch "Bomber Harris, do it again."
Meine Meinung: Lang lebe Deutschland! Merkel muss weg!

Wahlbetrug in Deutschland: Professor beweist systematische Manipulation bei Briefwahlstimmen
http://www.anonymousnews.ru/2018/02/25/wahlbetrug-in-deutschland-professor-beweist-systematische-manipulation-bei-briefwahlstimmen/

Danke für deinen Beitrag über unser Völkchen.

An dieser Stelle möchte ich dich bitten, meinen satirischen Blog nicht weiter zu politisieren. Wenn jemand das Bedürfnis verspürt, sich in diese Richtung zu informieren, soll er dies aus eigenem Interesse tun.

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