Sind Spinnen Säugetiere?

in #de-stem5 years ago (edited)

Deutsch - the English version of this article will follow (hopefully) within a few days!


Toxeus magnus

Sarefo, CC BY-SA 3.0.

Ihr ameisenähnliches Aussehen (eine Form von Mimikry) schützt Toxeus magnus vor auf Spinnenjagd spezialisierten Wespen der Familie Pompilidae, was jedoch nicht Thema des heutigen Artikels sein soll. :)


Sind Spinnen nun tatsächlich Säugetiere? Oder doch Insekten?


Ich würde darauf wetten, dass nun nicht wenige Leser empört denken "Nein, das ist doch Unsinn! Wie jeder weiß, sind es Insekten!"
Natürlich ist beides falsch. Spinnentiere (Klasse Arachnida) sind keine Insekten (Klasse Insecta) - was man beispielsweise an ihren acht statt sechs Beinen erkennt - und schon gar keine Säugetiere ... jedenfalls nicht im taxonomischen Sinne.

'Spinnenmilch' enthält viermal so viel Protein wie Kuhmilch!


Allerdings machten chinesische Verhaltensökologen um Zhanqi Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften vor kurzem eine erstaunliche Entdeckung, welche sie in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichten[1]: Weibliche Exemplare der Springspinnenart Toxeus magnus[2} produzieren eine milchähnliche Flüssigkeit, die gemäß chemischer Analysen einen ca. viermal so hohen Proteingehalt wie Kuhmilch aufweist, und von der sich ihr Nachwuchs bis kurz vor Erreichen der Geschlechtsreife ernährt.
Interessant, wie sich im Laufe der Evolution immer wieder ähnliches Verhalten (in diesem Falle das Säugen von Jungtieren, das überraschenderweise nicht nur Säugetieren vorbehalten ist) mehrmals, unabhängig voneinander, analog entwickelt. An dieser Stelle erlaube ich mir für den interessierten Leser noch einen kurzen Verweis auf ebenfalls 'säugende' Vögel[3] und Fische (Studie[4]).

Wie die Wissenschaftler berichten, sind die Jungspinnen während der ersten ca. zwanzig Tage ihres Lebens auf diese 'Muttermilch' angewiesen. Während das Spinnenweibchen diese Flüssigkeit zunächst tröpfchenweise im Nest absetzt, saugen die Spinnenbabys nach einer Woche ihre Milch direkt am Abdomen der Mutter, dort, wo sie aus dem Geburtskanal austritt, auf. Die Forscher spekulieren, die milchähnliche Flüssigkeit bilde sich aus verflüssigten unbefruchteten Eiern, mit denen bekanntlich einige andere Wirbellose und Amphibien ihren Nachwuchs füttern.

Intensive Brutpflege selbst nach der Kindheit


Selbst nach diesem ersten Lebensabschnitt, wenn die jungen Spinnen damit beginnen, tagsüber auf Nahrungssuche zu gehen, versorgt die Mutter sie bis zum Alter von ca. 40 Tagen nachts weiterhin mit Nährflüssigkeit. Überlebt in der Regel etwa 75 % des Nachwuchses, waren es in Nestern, aus denen die Mutter entfernt wurde, nur ungefähr 50 %. Interessanterweise ist es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr in erster Linie die Muttermilch, welche die Überlebenschancen erhöht: Blockierten die Forscher den Milchfluss, ließen das Muttertier aber dennoch im Nest, blieb die Überlebensrate der Jungtiere weiterhin hoch. Grund dafür dürfte sein, dass die Mutter, zusätzlich zur Milchproduktion, das Nest mittels der Entsorgung der von ihren Kindern produzierten Abfälle sauberhält und bei Bedarf Schäden behebt.
Töchter dürfen bis ins Erwachsenenalter mit der Mutter zusammenleben - womöglich verringert deren Putzverhalten die Parasitenlast im Nest. Die männlichen Jungspinnen müssen bereits etwas früher eigene Wege gehen, eine Vorkehrung, die aller Wahrscheinlichkeit nach der Prophylaxe vor Inzucht dient.

Auch andere Arachniden wurden beim Füttern ertappt.


Obwohl Brutpflege in dieser intensiven Form bei Spinnen bisher noch nicht beobachtet worden war, wurden ihren Nachwuchs fütternde Arachniden bereits früher beschrieben:

  • Wie Forscher der Universität Nancy herausfanden, stellt die Trichternetzspinne Coelotes terrestris[5] ihren Jungtieren drei verschiedene Arten von Nahrung zur Verfügung: Von ihr erbeutete Organismen, selbst ausgeschiedene Nährflüssigkeiten und - es mag makaber klingen - ihren eigenen Körper.[6]

  • Weibchen der Art Amaurobius ferox[7] stellen ihren Nachkommen der ersten Generation Eier der folgenden Generation (deren Reifung durch spezifische Interaktionen zwischen Mutter und bereits gechlüpften Jungtieren unterbunden wird) als Futterquelle zur Verfügung.[8]

Zum Schluss noch der Link zu einem von "Spiegel Online" präsentierten Video über die chinesischen Wissenschaftler und ihr Forschungsobjekt.[9]


Quellen:


  1. http://science.sciencemag.org/content/362/6418/1052
  2. https://www.jumping-spiders.com/php/p.php?letter=Toxeus
  3. https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/die-milch-machts-auch-bei-tauben/
  4. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022098110003552
  5. https://wiki.arages.de/index.php?title=Coelotes_terrestris
  6. http://www.americanarachnology.org/JoA_free/JoA_v19_n2%20/JoA_v19_p97.pdf
  7. https://wiki.arages.de/index.php?title=Amaurobius_ferox
  8. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0376635700000917
  9. http://www.spiegel.de/video/china-forscher-entdecken-saeugende-spinnenart-toxeus-magnus-video-99023213.html
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Ich finde deinen Artikel sehr interessant.
Außer dass Spinnen 8 Beine haben, war mir alles neu, was du erzählt hast.

Über das Foto oben hab' ich lieber schnell drüber gescrollt. Irgendwie mag ich mir das Tier nicht genauer anschauen.

Mir hat einmal jemand eine holzfällerfaustgroße Vogelspinne auf meinen unbekleideten Unterarm gesetzt. Da hatte ich aber Respekt! ;-) Ich fand' die Aktion von diesem Jemand auch voll daneben.

Da ich dir gerade schreibe hab' ich noch was anders. Auch Biologie aber keine Spinnen, sondern die lieben Bienen. Ich erinnere mich an deine Artikel zu den Bienen und bin gespannt, ob du meine folgende Fragestellung schon kennst. Falls nicht, hast du ja deinen kompetenten Vater als Quelle ;-)

Kürzlich habe ich im Radio gehört, dass man Bienen, die viel oder ausschließlich Waldhonig gesammelt haben, diesen Honig vor dem Überwintern vollständig wegnimmt und durch Zuckerwasser ersetzt. Der Grund sei, dass dieser Waldhonig viele Ballaststoffe enthält, und die Bienen deswegen ihren Stock über Winter sehr zukoten würden. Nun frage ich mich, was haben die Bienen in diesem Fall getan, bevor der Mensch bei ihnen eingegriffen hat?

Eine zweite Sache wusste ich auch nicht. Angeblich fliegt eine Biene immer nur eine Blüte an. Ich dachte immer, die Biene bestäubt andere Blüten durch den Blütenstaub, der von zuvor besuchten Blüten an ihr hängen blieb. Meine Gedanke war für mich auch schlüssig, da dies dann keine "Selbstbestäubung" dieser Blüte wäre.

Bin gespannt, ob dich diese Fragen auch interessieren.

Lieben Gruß, @duoble-u

Ergänzung meines Vaters:

Was in dem Kommentar gesagt wurde, stimmt wohl. Zwar war gerade ein Artikel zu dem Thema in meiner Bienenzeitung, der das lockerer sieht, aber ich glaube doch, dass ein strenger Winter, der die Bienen sehr lange Zeit nicht aus dem Stock lässt, schon dazu führen könnte, dass es zu einem Abkoten im Bienenstock käme, weil der Dickdarm die Menge der Ballststoffe nicht mehr halten könnte.
Da unsere Bienen in diesem Jahr noch eine Menge sehr dunklen Honig gesammelt haben, nachdem wir bereits gefüttert hatten, haben wir einen passenden Test zu diesem Thema in Aussicht. Sollten die Bienen allerdings alle paar Wochen bei Temperaturen um 10 Grad ausfliegen und sich dabei erleichtern können, wird nichts passieren und nichts aus dem Test.

Danke! Es bleibt interessant ;-)

Da bin ich mal gespannt was aus dem Test wird.
D.h. die Bienen fliegen nur ab 10 Grad aus ?
Wenn es regnet fliegen sie wohl auch nicht oder ?

Wer kam denn auf die Idee, dir zu erzählen, eine Biene flöge pro Sammelflug nur eine Blüte an? Das ist schlicht Unsinn: Ersetze einfach die Eins durch ca. 100 (pro Flug - und eine Biene fliegt bis zu 40 Mal pro Tag). Dein Gedanke war also völlig richtig.

Was die erste Frage betriff, ist sie wohl tatsächlich bei einem Praktiker, wie meinem Vater, besser aufgehoben. Es stimmt, dass Waldhonig relativ viele Ballaststoffee enthält, welche sich bei der Überwinterung als schädlich erweisen können, aber genau wie du schreibst, gab es ja auch früher schon Honigbienen, die freilebend im Wald Honigtau gesammelt haben, bevor der erste Imker überhaupt geboren wurde ... :) Ich kann mir aber tatsächlich auch gut vorstellen, dass eben einige der damals noch freilebenden Honigbienenvölker an ihren eigenen Ausscheidungen zugrunde gegangen sind. Ich werde die Frage meinem Vater übermitteln und diese Antwort später entsprechend ergänzen.

Hey @jaki01 und @double-u, vielleicht war das auch anders gemeint. Ich habe im Sommer gehört, dass Bienen hauptsächlich - ich würde mal sagen - eine Blütenart im Wesentlichen anfliegen. Und das dann immer wieder. Also pro Flug nicht nur eine Blüte, sondern viele. Aber dann nur z.B. Kirschblüten. Kann es vielleicht das gewesen sein?
Ergänzung: ich hätte erst bis zum Ende lesen sollen. Ich habe gerade gesehen, dass Ihr das schon rausgefunden und geklärt hattet.

Genau, das meinte ich weiter unten mit 'blütenstet'. :)

... genau! ;-)

Wer kam denn auf die Idee, dir zu erzählen, eine Biene flöge pro Sammelflug nur eine Blüte an?

Das war eine Radio-Sendung über Imkerei vor ein paar Wochen.
Mich hat diese Behauptung auch sehr gewundert, und ich konnte sie auch gar nicht so richtig glauben.

Ja im Radio erzählen sie manchmal ganz schönen Quatsch.

Ich habe noch mal nachgeschaut, ob ich etwas finden kann zu der "Behauptung mit der einen Blüte".

Ich hatte da wohl nicht aufmerksam genug zugehört, denn es ist wohl die eine Blütensorte und nicht die eine Blüte ;-)

https://www.swr.de/swr1/rp/tipps/essen-trinken/fragen-und-antworten-rund-um-die-biene-wie-aus-laeusekot-waldhonig-wird/-/id=18450482/did=22939504/nid=18450482/8rxdgw/index.html

Von der SWR1-Seite:
"Wie kommen Honigsorten zustande?
Bienen entscheiden sich immer für eine Blütensorte. Wenn sich ein Bienenvolk zum Beispiel für die Lindenblüte entschieden hat, fliegen 95 bis 98 Prozent aller Bienen dieses Volkes nur auf die Linden. Sie ist blütenstetig - das heißt, dass auch die Bestäubungsleistung entsprechend höher ist."

Ja, sie sind 'blütenstet' (sofern das Nahrungsangebot der Umgeebung das erlaubt) ...

Ja das macht Sinn, denn sie sollen ja von einer Linde zur nächsten fliegen um für Vermehrung zu sorgen, dass können sie bei anderen Pflanzen wahrscheinlich nicht erreichen.

Ich habe gehört, dass sowieso zwischen 10% und 20% der Bienenvölker den Winter nicht überleben und einige Imker sich mittlerweile vor Allem darauf spezialisiert haben neue Völker zu züchten und diese (oder auch nur die Königin) zu verkaufen.

Ist es nicht so, dass man den Spinnen den Honig grundsätzlich wegnimmt ?

Interessanter Artikel, vielen Dank 👍

Ein sehr informativer und Wissen gefüllter Beitrag!
Ich finde es erstaunlich, dass du gerade jetzt darüber berichtest. Erst vor kurzem bin ich ebenfalls auf den Artikel der Spinnenmuttermilch gestossen und hatte mir sehr ähnliche Gedanken zu dem Thema gemacht! Fantastisch, dass du ihn nun aufgreifst und noch 'weiterspinnst' ;) Ich wünsche euch eins schönes Wochenende ;)

Freut mich, dass solche, letztlich doch recht aufwändigen Artikel goutiert werden! :)
Dir/euch auch ein schönes Wochenende!

Was wir alles vermeintlich "sicher" und "fundiert" zu wissen glauben, dürfen wir immer wieder auf den Prüfstein legen und gerne erweitern, ohne uns einen Zacken aus der Krone zu brechen.
Mutter Natur hat noch sooo viele Erkenntnisse zu bieten, von deren Existenz der überhebliche Homo Sapiens nichts weiß...

Ein kleines bisschen wusste ich von diesem Spinnenverhalten, aber diese Ausprägung ist mir auch neu.
Danke für die Aufarbeitung!

Was wir alles vermeintlich "sicher" und "fundiert" zu wissen glauben, dürfen wir immer wieder auf den Prüfstein legen und gerne erweitern, ohne uns einen Zacken aus der Krone zu brechen.

Das ist meines Erachtens einer der Hauptunterschiede zwischen Wissenschaft und (zumindest in der Realität meist gelebter) Religion ...

Was wir alles vermeintlich "sicher" und "fundiert" zu wissen glauben, dürfen wir immer wieder auf den Prüfstein legen und gerne erweitern, ohne uns einen Zacken aus der Krone zu brechen.

Das ist meines Erachtens einer der Hauptunterschiede zwischen Wissenschaft und (zumindest in der Realität meist gelebter) Religion ...

Wohl wahr.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir mit dieser Erkenntnis schon weiter waren und uns zur Zeit nicht weiterentwickeln.
Religionen versuchen, ihre absolutistischen Anspruch zu rekonstitutionieren, und manche Wissenschaften versuchen, eine Art Religionsersatz zu sein, was ihnen den offenen Blick nach vorne nimmt.

Dabei kann beides seinen Platz haben und koexistieren; so ist zumindest meine Meinung.

Sehr interessanter Artikel!
Ich finde es wirklich faszinierend die Natur und ihre Techniken zu beobachten, im nächsten Schritt zu versuchen diese nachzuvollziehen.

Die Natur ist wahrlich ein Meister der Techniken und es lässt sich so viel von ihr lernen :)

Danke für den Artikel und einen schönen Start in das Wochenende! :)

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Danke, wünsche ich dir auch!

Wow, das wusste ich noch nicht. Also nicht mal dass Spinnen keine Insekten sind (Asche über mein Haupt), und noch weniger, dass sie Muttermilch-artige Flüssigkeiten an ihren Nachwuchs ausschenken und diesen auch sonst so intensiv pflegen.
Danke vielmals!

Also nicht mal das Spinnen keine Insekten sind ...

Ja, das war in der Tat eine doch sehr bedenkliche Bildungslücke ... und dazu kommt dann noch, dass das dass statt das heißen müsste! :-))))))
Überaus lobenswert hingegen ist deine Ehrlichkeit dir selbst und anderen gegenüber. :)

(Wenn du mich jetzt flaggst, flagge ich nicht zurück, versprochen! :)

Spaß beiseite: Freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat und Mehrwert bot.

Spinnenmilch 👀👀👀 Und mal wieder was neues gelernt... Spinnen sind der absolute Albtraum fuer mich 🤪

Was dir die Spinnen sind, ist mir des Öfteren der Homo sapiens. :)

😂 der war gut

Steemit bildet, das beweist dein Beitrag ganz eindrucksvoll. Danke für den interessanten Einblick in die Welt der Achtfüßler!

Spinnen polarisieren. Entweder ist man von ihnen fasziniert oder man ekelt sich davor. Nach deinem Beitrag neige ich zu ersterem.

Wirklich ein ausgezeichneter Beitrag der mich echt ins Staunen versetzt hat. Da hast du so viele interessantes präsentiert, was mir so nicht bewusst war.

Vielen Dank und einen angenehmen Start ins Wochenende für euch. 🕸️🕷️

Ein Lob des Schmetterlingsexperten zu einem solchen Thema hört man immer gern! ;-)

Wieder etwas dazu gelernt! Ich hätte nicht gewußt, daß auch Spinnen, Fische und Vögel teilweise säugen...
Bei solchen Analogien muß ich folgendes loswerden:
Hoffentlich schauen sich die humanoiden Weibchen nicht die Umgangsgewohnheiten mit den Männchen nach der Paarung bei den Gottesanbeterinnen ab.... ;-)

Was bleibt, ist die Hoffnung .... :)

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