FotoGedanken #9 - Schluss mit lustig

in #fotogedanken6 years ago

Alles hat einmal ein Ende

Karl Stammknechts Abflug und die Folgen für die Eiche.



Wer kannte ihn nicht, Karl Stammknecht, Metzger aus Überzeugung, Hobby-Dichter aus einer inneren Berufung heraus und immer für eine Katastrophe gut.
Dass jedoch Katastrophen katastrophal für einen selbst enden können, an eine solche Möglichkeit verschwendete der Meister, der Blutbäder zelebrierte wie kein anderer Schlachter, wohl keinen Gedanken. Ihn interessierte sein Geschäft am Marktplatz, die zu planenden Aktionswochen, dann vielleicht auch noch seine Frau und von Zeit zu Zeit Emmi Bischoff, deren stramme Schenkel ihn nur entfernt an ein Ausbeinmesser denken ließen.
Die letzte Aktion, die Karl Stammknecht ins Leben rief (und dies auch kosten sollte), stand ganz im Zeichen des Geflügels. Im Lokalblatt warb er mit folgenden Slogans:

- Der Hahn der gestern noch gekräht, wart heute von mir umgemäht.

- Die Henne, die noch Federn hat, ist inzwischen auch schon platt.

- Wer sich also sputet, sprintet, also regelrecht beeilt, der bekommt von mir den Puter auch geteilt.

- Wer beim Stammknecht seine Hühner kauft, sich nachher nicht die Haare rauft.

- Bei mir hat keine Taube schon die Welt umrundet und kein Huhn den Mars erkundet. Gestern gerade noch entschlüpft dem warmen Ei und heute schon in meiner Schlachterei.

Am vergangenen Mittwoch verabschiedete sich Karl Stammknecht von seiner Frau, da er noch eine Lieferung außer Haus zu tätigen hatte. Keine zehn Minuten später bog der silbergraue Mercedes 'Sprinter', den die rote Aufschrift ziert: Nur bei Stammknechts Karl bekommst Du die Sau Deiner Wahl auf die Hauptstraße in Richtung Feuerwehrgerätehaus. Neben dem Fahrer, in der Arbeitskleidung für alle Fälle, lag der Rechnungsblock, eine Kamera der Produktreihe 'Idiotensicher', ein Kugelschreiber und ein Notizblock.
Am Feuerwehrgerätehaus erwartete ihn Alfons Zimmer, ein Urgestein, der direkt aus der Uniform der Hitler-Jugend in die der freiwilligen Feuerwehr gesprungen war und heute noch als Rentner für die Sauberkeit der Einfahrt verantwortlich ist. Alfons stand lässig auf seinen Besen gestützt in der Auffahrt und beobachtete, wie das Auto der Metzgerei Stammknecht rückwärts vor dem großen Tor eingeparkt wurde. Egal ob Sonntag, Feiertag oder Werktag. Die Einfahrt zum Feurwehrgerätehaus muss absolut staubfrei sein.
„Schau mal einer an. Der Meister höchstpersönlich gibt sich die Ehre. Womit haben wir denn das verdient?“
Ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, geschweige denn den Besen als Stützpfeiler zu entlasten, beobachtete Alfons den hektisch wirkenden Ferkel- Lieferanten, wie dieser zu der Heckklappe seines Transporters ging, um die gesicherte Ladung zu entnehmen. Alfons Zimmer war der Meinung, wenn er schon keine Antwort auf seine Frage bekommt, dann bedürfe es auch nicht seiner Hilfe bei der Entladung des großen Bleches, auf dem, abgedeckt mit einem weißen Tuch, die drei gefüllten Ferkelsäue lagen.
„Alfons, kannst du mir lediglich zwei Wünsche erfüllen?“
Karl Stammknechts Blick hatte wahrhaftig etwas Flehendes in sich.
„Und die wären?“
Großmütig vergaß der Angesprochene, dass noch immer seine Frage unbeantwortet in der feucht-schwülen Luft über der Einfahrt zu seinem zweiten Zuhause schwebte. Er hatte nicht vor, sich von der Ignoranz des gestressten Geschäftsmannes beeinflussen zu lassen und signalisierte mit einem überzogenen Hochziehen der Augenlider volle Empfangsbereitschaft.
Der Metzger schien unterdessen immer hippeliger zu werden.
„Sabbel mir bitte jetzt kein Buch an den Kopf, lasse endlich mal diesen blöden Besen fallen und greife bitte mal hier an. Ich habe es nämlich furchtbar eilig.“
Die Unruhe, die dieser nervöse Mann in gestreifter Jacke in sein Leben zu übertragen versuchte, ließ Alfons Zimmer sichtlich unbeeindruckt. Ganz langsam gab er seinen Bandscheiben zu verstehen, dass durch ein Aufrichten der Wirbelsäule eine Portion Extra-Druck auf sie zukommen könnte. Ein Mann mit so viel Lebenserfahrung geht mit seinen Gliedmaßen doch sehr behutsam um.
„Karl, ich wollte es ja nur mal erwähnen und für den Fall, dass dich jemand fragen sollte. Ich sage es dir auch ganz im Vertrauen. Buch, Besen und am Blech angreifen, und das hat auch der alte Adam Riese schon gesagt, sind, wenn ich richtig gezählt habe, drei zu erfüllende Wünsche. Aber soweit ich mich erinnern kann, hattest du lediglich zwei auf deinem Wunschzettel. Doch ich will ja mal nicht so kleinlich sein.“
Den letzten Satz fügte der besonnen wirkende, ältere Herr noch schnell hinzu, da er plötzlich das Gefühl nicht abschütteln konnte, Stammknechts Gesichtsfarbe hätte sich dauerhaft für ein eher dunkles Violett entschieden. Außerdem blähte sich der Brustkorb, des ansonsten eher als ruhig und besonnen geltenden Filigran-Schlachters, so stark auf, dass jeden Moment mit dem plötzlichen Absprengen der Jackenknöpfe zu rechnen war.
Alfons Zimmer, der mit seinem einem Meter und neunundsechzig Zentimetern, einem Kehrgewicht von siebzig Kilo, inklusive Sicherheitsschuhe, blauer Feuerwehr-Overall und Schirmmütze, keine Chance sah, bei einem zu erwartenden Zusammenbrechen des Welschbacher Metzgers dessen Aufprall auf dem gefegten Asphalt auch nur, und sei es durch ein herzhaftes Zupacken, im Geringsten zu mindern, begann verbal so schlagkräftig zurück zurudern, dass der Bundestrainer für den Achter mit Steuermann, Alfons zum Schlagmann auserkoren hätte. Der kleine, hutzelige Feuerwehrmann aus Passion hörte seine zarten Knochen schon bersten unter dem Gewicht dieser Fleischmasse in schicker Jacke.
Um diesem Szenario aus dem Weg zu gehen, half Alfons beim Entladen, was Karl Stammknecht seiner eigenen Katastrophe wieder etwas näher brachte. Kaum war der “Sprinter” entladen, saß der Metzger auch schon wieder hinterm Lenkrad, um im Nachbarort Emmi Bischoff über ihr Lendenstück zu streicheln.
Mit was er gedanklich auf dieser kurzen Fahrt beschäftigt war, man weiß es im Ort nicht genau, wäre aber froh, wenn weiter spekuliert werden würde. Unbestritten ist lediglich, dass sich der Mercedes und sein Inhaber mit der alten Eiche trafen. Warum die Begegnung so heftig ausfiel? Wie gesagt: Spekulationen sind erwünscht. Das Resultat ist von Respekt gegenüber der Natur geprägt. Denn die Eiche steht weiterhin senkrecht, wenn auch mit ein paar Kratzern, die aber von einem herbeigeeilten Notarzt mit etwas Jod überdeckt wurden. Der Notarzt konnte sich für diese Tätigkeit genügend Zeit nehmen, da sich um Karl Stammknecht der örtliche Bestatter kümmerte.


Nun hat der Ortsrat am gestrigen Abend entschieden:
Es muss dringend ein Nachfolger für Karl Stammknecht her. Dass dem jedoch ein ähnliches Schicksal erspart bleibt, wird der Übeltäter, und als dieser wurde einstimmig die Eiche auserkoren, einer Motorsägen-Behandlung unterzogen. Helmut Pappenstiel, der Inhaber des Maler- und Lackierer-Geschäftes wurde bereits beauftragt den Gedenkstein zu beschriften.

Hier stand die Eiche, an der Karl Stammknecht scheiterte.


Da ich jedoch allergisch auf Spekulationen, ungleiche Behandlungen und Eingriffe in natürliche Reservate reagiere, lege ich aus Protest meinen Stift beiseite und verweigere weiteren Gedanken den Zugang zu meinem Kopf.

ENDE

Sort:  

Ich bin versucht zu spekulieren, ob die Eiche in irgendeiner Form als Vertreterin von Mutter Erde die Fleischlieferanten gerächt hat?? Oder hat die Tierschutzorganisation "Flying living" auf die letzte Werbeanzeige reagiert??
Aber was waren die beiden Wünsche, die mit dem Metzger ins Gras gebissen haben??
Mit Rücksicht auf deine Allergie werde ich hier innehalten und Ruhe geben. RIP liebe Eiche und unglücklicher Karl

Wie du siehst, steht sie ja noch.

Wer hat denn zurückgezogen? Der Ortsrat oder der Pappenstiel? Kann ich noch eine Petition einreichen? Spenden sammeln? Eine eidesstattliche Erklärung stellvertretend für die Eiche, dass sie so etwas nie wieder tut? Ich wittere Hoffnung... (Das sind keine Allergie-Auslöser-Fragen oder?)

Es liegt wohl daran, dass die alte Eiche die nötige Erfahrung und Ruhe im Umgang mit den Behörden verfügt. Es könnte aber auch sein, dass die Deppen kein Benzin für die Motorsäge hatten.
Da ich kein Rumoren im Magen verspüre und keinerlei Hautveränderungen erkennen kann, scheinen deine Fragen also leicht bekömmlich.

😂 Gott sei's getrommelt und gepfiffen! Danke für dein treues Mitmachen.
Lieben Gruß Kadna

Hm, ich hatte als ersten Impuls auch den Schädel eines Riesengorillas, der vor Urzeiten tot vom Baum gefallen ist, im Kopf. Dass die Eiche nun auch noch einen so hoch begabten Dichter auf die Hörner nimmt, ist schon tragisch, war aber fast vorauszusehen.
Solltest du den Griffel doch mal wieder zur Hand nehmen, weißt du ja, wohin du die Zeilen schicken darfst.
LG, Chriddi

Der Griffel muss lediglich gespitzt und neu justiert werden. Mir wurde die Tage das Wort Solidarität zum täglichen Gebrauch angeboten. Ich habe irgendwie das Gefühl mich mit dem närrischen Wort anfreunden zu können. Zumal ein Schiff mit wenig Wasser unterm Kiel dringend Hilfe benötigt.
Mal sehen, wie eine gemeinsame Aktion aussehen kann.

Der erste Akt ist dir schon mal sehr gut gelungen 😊
Wir klabüstern dann nochmal gemeinsam was aus...

Den Schädel habe ich auch gesehen ;-) - aber dazu fiel mir nun mal nichts ein...

Servus,

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Blöde Leute gibt es immer.
Trotzdem schade um den Metzger. Und schade um den Baum.
Gerade eine Eich ist ja ein wirklich beeindruckender Baum!

LG
Reinhard

Nur selten wird auch vollzogen, was der Rat beschließt!
Da geht es mehr nach dem Motto: Hauptsache wir haben mal drüber geredet.
Daher besteht Hoffnung für die alte Dame!
LG
Wolfram

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Gruß

GermanBot

Huhu werter Schreiber @w74!!!!! Als Fotogedanklerin bin ich etwas verwirrt, dass ich Ihren Artikel im Trending nicht finden kann!!! Was ist da los??? Ist das vielleicht die Erklärung dafür, dass Sie noch keinen schlauen Spruch zu meinen Fotogedanken beigesteuert haben? Weil Sie wiederum meinen Artikel nicht angezeigt bekommen? Bitte überprüfen Sie dieses, da ich sonst einen anderen Wartungsvertrag für diesen Hashtag abschließen werde.
Mit freundlichen Grüßen

Ich stehe momentan komplett auf dem Schlauch.
Von was redest du?

Wenn ich #fotogedanken anklicke bekomme ich in den letzten Tagen immer nur 3 angezeigt. Deiner fehlt. Andersherum habe ich von dir noch keine Reaktion auf meinen Artikel und dachte, vielleicht ist es bei dir so, dass du mreinen nicht siehst. Dann stimmt da ja irgendetwas nicht...

Bisher ging ich immer davon aus, dass ein Foto von Sonntag bis Sonntag zur "Bearbeitung" bereit steht.
Keine Ahnung, dass sich daran was geändert haben soll. Ich schaffe das zeitlich einfach nicht.
Liebe Grüße
Wolfram

Uiui jetzt verstehe ich erst, warum du nix verstehst!!!! Du hast doch einen Beitrag geschrieben! Er wird mir nur nicht angezeigt- darum ging es. Von Sonntag bis Sonntag stimmt ja immer noch, deiner ist doch auch noch aktuell, deshalb müsste er aufgeführt werden.
Ich beame dir mal ein bisschen Zeit rüber ;-)
Liebe Grüße
Kadna
P.S. ich würde dich nie überreden wollen etwas zu schreiben... ich wollte es nur verstehen, aber dann liegt es wohl an Steemit... oh man - sorry - lieber @w74

... und ich war mir bereits ziemlich sicher meinem Verstand niemals wieder begegnen zu dürfen.

Na Gott sei Dank oder ist das gar nicht erstrebenswert? ;-)

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