Über Genres. Or against it.

in Deutsch Unpluggedlast year (edited)

Über Genres. Oder dagegen.

Eine kleine Polemik.

[English below]

Genres sind bis zu einem gewissen Grad Ordnungshelfer. Sie sind wie Schubladen oder File Folder. Als solche sind sie erst einmal neutral; sie nehmen zunächst noch keinen Einfluss auf Inhalte. Sie helfen, große Mengen von Daten zu sortieren und einen Überblick zu gewinnen. Nach bestimmten Kriterien ordne ich Dinge einander zu oder unter. Nun habe ich im Laufe der Zeit mehr und mehr Schubladen, mehr und mehr Ordner, mehr und mehr Kategorien. Daher gebe ich ihnen Benennungen anhand der beim Sortieren verwendeten Kriterien.

Von da an sind die Schubladen nicht mehr Inhalts-neutral. Ich beginne, Dinge passend zu machen, passend zu sehen, passend zu klassifizieren, um nicht immer wieder neue Schubladen erfinden und entwickeln zu müssen. Vielleicht revidiere ich auch meine Kriterien noch einmal und sortiere meine Sammlungen um. Auf jeden Fall entsteht eine Wechselwirkung zwischen den Kategorien und den Dingen. Wenn etwas Neues erscheint, das in mein bisheriges System nicht gut hinein passt, beginne ich entweder eine neue Rubrik (Schublade) oder ich zwänge das Neue als eine Art „Ausnahme“ oder „Besonderheit“ in eine vorhandene mit hinein.

Nun bin ich bei all dem aber nicht allein. Andere entwickeln ihre eigenen Systeme, manche davon sind sicherlich weitaus elaborierter als mein eigenes Ordnungsprinzip. Wie arrangiert eine Bibliothek ihre Bestände oder ihre Kataloge? Mit welchen Querverweisen kommt ihr Arrangement damit klar, dass nicht alle Bücher und Zeitschriften eindeutig zuordenbar sind? Wo bildet sie besondere Regale für bestimmte Autorinnen oder Autoren unabhängig davon, ob es um Theaterstücke, Opern-Libretti, Lyrik, Erzählungen oder Romane geht, während die Bibliothek sonst natürlich dafür extra Bereiche anlegt und pflegt?

Interessiert es den Verfasser / die Verfasserin beim Schreiben, wie der Buchhandel sein Produkt später einordnen und bewerben wird? Lässt er / sie ein bestimmtes Kapitel, ein bestimmtes Element, ein Stilmerkmal weg, weil das Verlagslektorat rät, sich lieber eindeutig in einem Genre zu positionieren? Wenn irgendjemand „Der Medicus“ als Arztroman klassifiziert, ist das dann hilfreich? Sortiere ich Homers „Odyssee“ bei Fantasy ein, weil Fabelwesen darin eine Rolle spielen?

Wie sieht es mit den Hierarchien aus, wann handelt es sich um eine Gattung, wann um ein Genre, wann um einen Stil? Wann spricht man von Subgenres? Sind diese Konzepte trennscharf? Je länger ich über den Begriff des Genres nachdenke, desto weniger kann ich damit in Bezug auf künstlerische Produkte anfangen. Je origineller, je eigenständiger, je eigenwilliger ein Produkt ist, desto mehr entzieht oder verweigert es sich den Rubriken und Einteilungen. Genres sind Erfindungen von Verwaltern. Sie müssen versagen angesichts des Individuellen und des Schöpferischen.

Wer das Foto einer einzelnen Pflanze formal als Landschaftsfoto einordnen möchte, wer alle seine Bilder als inhaltlich unter ‚subjektive‘ Fotografie gehörend katalogisieren möchte, kann das natürlich tun. Mir persönlich hilft das jedoch keinen Schritt weiter; es verwirrt mich und verlangt mir Zeit und Energie ab, mich dagegen zu verwahren. Ich wünschte, du würdest es lieber nicht tun.

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photo: ty-ty

About genres. Or against it.

A tiny polemic.

Genres are, to a certain extent, organisers. They are like drawers or file folders. As such, they are initially neutral; they do not yet influence content. They help to sort large amounts of data and to gain an overview. According to certain criteria, I assign things to each other or subordinate them. Now, over time, I have more and more drawers, more and more folders, more and more categories. So I give them names based on the criteria used in sorting.

From then on, the drawers are no longer content-neutral. I start to make things fit, to see things fit, to classify things fit, so that I don't have to keep inventing and developing new drawers. Perhaps I also revise my criteria once again and re-sort my collections. In any case, there is an interaction between the categories and the things. When something new appears that doesn't fit well into my previous system, I either start a new category (drawer) or I squeeze the new thing into an existing one as a kind of "exception" or "speciality".

Now I am not alone in all this. Others develop their own systems, some of which are certainly far more elaborate than my own organising principle. How does a library arrange its collections or its catalogues? What cross-references does its arrangement use to cope with the fact that not all books and journals can be clearly assigned? Where does it create special shelves for certain authors, regardless of whether they are plays, opera libretti, lyrics, stories or novels, while the library otherwise naturally creates and maintains separate areas for them?

When writing, is the author interested in how the book trade will later classify and promote his/her product? Does (s)he leave out a certain chapter, a certain element, a stylistic feature because the publisher's editor advises her/him to rather position the work clearly in one genre? If anyone classifies "The Medicus" as a doctor's novel, is that helpful? Do I classify Homer's "Odyssey" as fantasy because mythical creatures play a role in it?

What about hierarchies, when is it a genre, when is it a style? When do we speak of sub-genres? Are these concepts clear-cut? The longer I think about the term genre, the less I can do with it in relation to artistic products. The more original, the more independent, the more idiosyncratic a product is, the more it eludes or refuses to be categorised. Genres are inventions of administrators. They must fail in the face of the individual and the creative.

If you want to classify the photo of a single plant formally as a landscape photo, if you want to catalogue all your pictures as belonging to 'subjective' photography in terms of content, you can of course do that. Personally, however, this doesn't help me one bit; it confuses me and demands time and energy from me to defend myself against it. I wish you would rather not do it.

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

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 last year 

Irgendwie weist "Polemik" ja nun darauf hin, dass wir uns nun virtuell die Köpfe einschlagen sollen, um unterschiedliche Meinungen durchzudrücken. Kann ich nichts zu beisteuern. Genres, Kategorisieren, Sortieren... - alles was für Autisten, die das kreative Chaos nicht überblicken können. Da zähle ich mich selbstbewusst zu. Ich liebe Strukturen (klar, am liebsten meine eigenen) und liebe es sogar, die Schubladen immer mal wieder umzugestalten... 😁

 last year (edited)

Danke fürs Lesen!
Der Anlass (mit den zwei Fotografie-Beispielen am Ende) liegt woanders. Und meine Antwort darauf ist halt ein bisschen polemisch.
An eine Einladung zum Streit war nicht gedacht, und so kenne ich das Wort auch (noch) nicht...

https://steemit.com/hive-185836/@rut-ru/post-processing-dark-variations

https://steemit.com/hive-185836/@lllll1ll/post-processing-19-or-subjective-photography

 last year 

Danke fürs Lesen!

Ist in DU - jedenfalls für die Mods - freiwillige Verpflichtung vorm (möglichen) Vote... ;-)

Der Anlass liegt woanders.

Habe ich mir fast gedacht, dennoch konnte ich mit dem Text für mich auch nach ganz allgemeiner Interpretation etwas anfangen.
Natürlich stellt sich die Frage, ob, wenn du schon explizite Adressaten im Kopf hast, diese den Text an dieser Stelle auch lesen. Ich z.B. habe keine Lust, mich nachträglich mit den "Post-Processing-Beiträgen" auseinanderzusetzen, weil mich die Fotobearbeitungswettbewerbe grundsätzlich wenig interessieren. Zeitmanagement und so... ;-)

Polemik

Polemik bezeichnet einen meist scharfen Meinungsstreit im Rahmen politischer, literarischer oder wissenschaftlicher Diskussionen. Ziel ist, die eigene Meinung auch dann durchzusetzen, wenn sie sachlich nicht oder nur teilweise mit der Realität übereinstimmt.
Wikipedia

scharfer, oft persönlicher Angriff ohne sachliche Argumente [im Rahmen einer Auseinandersetzung] im Bereich der Literatur, Kunst, Religion, Philosophie, Politik o. Ä.
Duden

 last year 

freiwillige Verpflichtung

Apropos - ich bin neulich auf das Wort "Zwangsverpflichtung" gestoßen worden; leider finde ich den Post nicht, wo es drin vorgekommen sein soll. Dazu wollte ich jedenfalls auch mal was absondern. Oder dagegen. ;-)

 last year 

leider finde ich den Post nicht, wo es drin vorgekommen sein soll.

Ich finde nur den Post von udabeu: https://moecki.online/search?text=zwangsverpflichtung
Entweder war der gemeint, oder es bleibt beim soll :-) ... oder vielleicht war der Post auch gar nicht in deutsch... naja, du kannst ja ein paar alternative Suchbegriffe probieren...

 last year 

Vielen Dank!

 last year 

Hihi, "Zwangsverpflichtung" könnte ein Beispiel für einen Pleonasmus sein. Oder auch nicht. Es soll auch Menschen geben, die von sich aus Verpflichtungen auf sich nehmen. Eigentlich die meisten Arbeitnehmer...

 last year 

An einen Pleonasmus dachte ich zuerst auch, aber ganz so einfach isses nich'...

 last year 

ganz so einfach isses nich'...

Spannungsbogen fast schon am höchsten Punkt... ;-)

 last year 

Am Ende brauchte ich die Geduld.
Hätte ich geahnt, dass es so viele Stunden werden, hätte ich gekniffen.

 last year 

Geduld.

 last year 

https://en.wikipedia.org/wiki/Polemic

Dem englischen Verständnis fühle ich mich da deutlich näher.
Gegenüber den Angaben aus den von dir zitierten deutschen Quellen würde "klein" oder "winzig" ("tiny") auch kaum Sinn machen.

 last year 

Jo, klingt etwas netter. Wenn ich aber auf Deutsch 'Polemik' lese, deute ich das Wort auch so, wie ich es auf Deutsch (im Deutschunterricht vielleicht schon?) zu definieren gelernt habe. Vielleicht gibt's ja auf Japanisch noch ganz andere Erklärungen...
Ist Polemik gar ein 'Falscher Freund'?

 last year 

Für nen false friend halte ich es nicht.
Eher rechne ich damit, dass das Wort im Deutschen mehr Schärfe bekommen haben könnte in den letzten Jahrzehnten.
Im XIX. Jh. und bei den im engl. Artikel genannten Autoren war das noch sehr argumentativ und eher mit Sarkasmus gewürzt als mit persönlichen Angriffen. Und das ist das Polemische, wie ich es kenne.

 last year (edited)

Genres, Kategorisieren, Sortieren... - alles was für Autisten, die das kreative Chaos nicht überblicken können.

So kurz durfte ich mich nicht fassen in einem Post, und das wäre mir auch schon ein bisschen ZU polemisch gewesen.
Bringt's aber auf den Punkt.
;-)

 last year 

😂

Als Selbstbeschimpfung konnte ich mir so viel Polemik erlauben... ;-)

 last year 

Ist da nicht irgendwas upside down ?
Also wenn Du die Inhalte kennst aus welchem Grunde solltest Du die dann kategorisieren.
Ja , wenn ich ´ne Musik hören will , dann weis´ ich doch nicht , hey ich habe Bock auf Rock und dann schaue ich in die Schublade , welcher Rock gerade da ist , der faltige , der schwarze , höhö .
Nee Du weis´t , das Lied oder jenes Medley , oder vielleicht auch die Platte , ohne an den Rock zu denken oder ???
Für Unbekanntes ist das aber anderschdt , da hols´te Dir sicher keinen Noise , wenn´ste Bock auf Rock hast ?
Tja , und dann muss´te ja wissen , dass´de Bock auf Rock hast und nicht etwa dann doch lieber Bach oder bulgarische Frauenchöre oder wie ?

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 last year 

Bock auf Rock hast und nicht etwa dann doch lieber Bach

Bach ist Hardrock!

 last year 

Dein Fazit trifft den Nagel auf den Kopf. Leider hast du daraus nicht den einzig möglichen Schluss gezogen. Sammeln ist doof. Es sei denn, du tust es mit Sachverstand. Dann beherrschst du deine Genres.

 last year 

Das halte ich für ein Missverständnis.
Mein Geschreibsel ging dagegen, oder sollte dagegen gehen, Genres als eine Art Erkenntnisgewinn zu missbrauchen: "Mein Produkt ist vom Typ XY, aaah!" "Das Foto von der einzelnen Pflanze ist ein Landschaftsbild, oh!" "Alle meine Bilder gehören zum Genre der subjektiven Fotografie, ui!"
(Da es nur eine 'tiny polemic' - Genre? - sein sollte, schoss ich nicht schärfer.)

 last year 

Ja, ja. Das konnte ich lesen und verstehen. Ich hatte dabei die Genres der Musikindustrie im Hinterkopf und bin mit dir voll einer Meinung. Es gibt so viele Begriffe für Musikrichtungen, dass ich vor einer Inflation warnen müsste. Aber das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Die Wörter meinen vielleicht etwas, sagen aber nichts mehr. Schon bei Deep House verlässt mich der Sachverstand. Ich vermute, dass man mittlerweile einer entsprechenden Sekte der großen Musikverschwörung angehören muss, um diesen oder jenen mysteriösen Stil überhaupt benennen zu können.

 last year 

Ich glaube, da entstehen die Bezeichnungen weniger als Genre-Kennzeichnungen und mehr als Stil-Beschreibungen von Seiten der Vermarktung, um das Neue vollmundig hervorzuheben oder zu behaupten. Gleichzeitig gibt sich die Redakteurin oder der Journalist damit als Kenner aus. Insofern meinen und sagen die Wörtlein dann vielleicht doch eine ganze Menge, nur halt nicht über die Mucke selbst.

 last year 

Die Wörter meinen vielleicht etwas, sagen aber nichts mehr.

;-)

Now I understand why I am getting so confused lately.
I should have labelled those darn drawers! (•ิ‿•ิ)
Genres change over time and so does my memory. I just cannot keep track of it anymore. I don't want to either.

@udabeu denkt du hast ein Vote durch @investinthefutur verdient!
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