The First Time Challenge von @derbesserwisser

Dass das an Intimität fast nicht mehr zu überbietende Zeugnis aus meinem Leben verdankt ihr meiner Nominierung durch @kadna, die es scheinbar nicht ertragen kann, mich zuhause beschäftigungslos rumsitzen zu sehen.😊

Die Frau mit dem Wunscherfüllungsfaktor 10

Emma Lee war es, die mich nach einer Spinalanästhesie im OP-Saal des Püttlinger Krankenhauses erwartete und mir das spezielle Lächeln schenkte, das man nur an den Augen ablesen kann. War auch anders nicht möglich, da ab der Nase ihr Gesicht durch einen grünen Papierstreifen verschleiert war.

Doch Emma Lee war nicht nicht nur für das Lächeln zuständig, sie verriet mir auch, dass sie während der anstehenden Operation dafür verantwortlich sein wird, dass ich, falls ich am Leben bleibe, keine Schmerzen verspüre. Das fand ich damals sehr nett von ihr. Denn am Monitor mit anzuschauen, wie dir die letzten Fetzen des Außenmeniskus abgesaugt werden, macht mit einem tauben, schmerzunempfindlichen Bein einfach mehr Spaß.
In der Zeit, die weiter unten an der Schlachtbank genutzt wurde, mein Knie in einen Wasserballon zu verwandeln und darüber zu diskutieren, ob es sinnvoll ist ein Frettchen als Haustier zu halten, übernahm Emma Lee auch die Rolle der Kommentatorin, da zu dem Zeitpunkt nichts darauf hindeutete, dass ich kurzfristig mit meinem Leben abzuschließen gedachte.

Hier zeigte sich mehr als deutlich der Unterschied in der Berichterstattung einer Person, die von dem was versteht, was da auf dem Bildschirm vor sich geht und dem dummen Geschwätz von Béla Réthy während eines Fußballspiels beim ZDF. Dieser nicht ganz abgedichtete Sportreporter sollte sich im Püttlinger Krankenhaus unbedingt seine Menisken rechts und links abknabbern lassen (diese Vorgehensweise dauert länger) und sich dabei ein Beispiel an Emma Lee holen. Aber bei dem, so glaube ich zumindest, ist Hopfen und Malz verloren.

Es war nicht nur die souveräne Art und Weise, wie die teil-verschleierte Frau in Grün diese Doppelbelastung meisterte. Immer ein Auge auf den piependen Displays, während das andere auf den Bildschirm gerichtet war. Ich nahm mir spontan vor, wenn die Reparaturen am Knie abgeschlossen sind, nochmals einen genaueren Blick in die Augen dieser Frau zu wagen. Denn wer solche Kunststücke mit den Augen drauf hat, der hat sicherlich noch ganz andere Sachen im Petto.

Je mehr mich das Gefühl erreichte, das Team mit dem Frettchen-Problem und dem Auftrag mein Knie wieder auf Vordermann zu bringen, müsse nicht unter ständiger Kontrolle stehen, gingen meine Augen und Gedanken immer öfter suchend auf Wanderschaft nach Emma Lee. Der zu erwartende Silberblick brachte nämlich erhebliche Wallungen in meinen Kopf - und nur dort. Denn weiter unten war ja Regungs- und Schmerzlosigkeit angesagt - zum Glück!

Der Nachteil einer präoperativen Nervosität, die einen eindeutig daran hindert Personen, die postoperativ vielleicht nicht nur eine Rolle in deinem Leben, sondern auch eine Rolle rückwärts von der Bettkante auf deine Matratze vorführen könnten, ist: Du kannst die anwesenden Akteure nicht so abzuscannen, dass bereits eine Vorauswahl getroffen werden kann. Abhilfe schaffen da (zum Aufbau einer gewissen Routine) nur mehr Operationen mit vorangegangener Spinalanästhesie, da die Vollnarkose ja vollkommen witzlos ist. Oder die Zwölferkarte beim Psychologen.

Eine grün verschleierte und höchstwahrscheinlich schielende Anästhesistin. Mehr Informationen hatte ich zu diesem Zeitpunkt über Emma Lee nicht abrufbar. Dies musste und sollte sich ändern.
Von weiter unten bekam ich zu hören, dass Frettchen vielleicht dann doch nicht für die Wohnung taugen. Da kein neuer Nager im Angebot schien, wechselte man das Thema und landete bei der Aussicht auf das angekündigte Mittagessen. Bei dem Thema war ich dann endgültig draus. Mich interessierte kein Klebestampf mit Fertigsauce, sondern die Körperformen von Emma Lee.

Mir musste schleunigst was einfallen, damit sie ihre Position schräg hinter meinem Kopf verlässt und mir einen freien Blick auf Südtirol gewährt. Aber wie?
Also begann ich ganz vorsichtig das Gewinde in meinem Hals neu zu justieren, um meinen Kopf so weit nach hinten beugen zu können, damit wenigsten eine erste Abschätzung erfolgen konnte. Hügellandschaft, Mittelgebirge oder die Hochalpen? Das alles spielt ja keine unbedeutende Rolle.

Und was ich zu sehen bekam, jagte mir dann doch etwas Angst ein. Massive Felsvorsprünge! Für Menschen mit Höhenangst (also solche wie ich) ein echtes Problem. Doch der zweite Gedanke ließ nicht lange auf sich warten: Vielleicht einfach nur die falsche Perspektive?

Emma Lee kann viel - aber eines kann sie nicht: meine Gedanken lesen! Zum Glück. Sie interpretierte nämlich meinen Hals- und Kopfverdreher als einen lautlosen Wunsch besser auf die piependen Kisten blicken zu können. Denn eine andere Erklärung gab es nicht für das, was dann passierte. Die grüne Anästhesistin machte ein paar Schritte zur Seite und schob das ganze Gedöns so weit seitlich, damit ich nicht weiter meinen Nacken belasten musste. Ich hätte mich in dem Moment unsterblich in Emma Lee verlieben können. Eine Frau mit Wunscherfüllungsfaktor 10. Nach sowas sucht so manch Anderer sein Leben lang und bleibt dann an Ella Klein hängen, die dafür bekannt ist, sich nur die eigenen Wünsche zu erfüllen. Man muss es immer wieder sagen: Das Leben ist kein Zuckerschlecken!

Nachdem, was mir bei dieser Aktion geboten wurde, stellte ich das mit dem spontanen Verlieben dann aber doch noch einmal etwas weiter hinten an. Denn die Ergebnisse einer eiligst aufgestellten mathematischen Gleichung und ein hypothetischen Prognose entpuppten sich als deckungsgleich.

Sollte Emma Lee, sei es aus einer körperlichen Begierde heraus, durch Zufall oder mit voller Absicht und bösen Hintergedanken, mich auch nur einmal breitseits überdecken, ich wäre reif für das Rasengrab.
Natürlich sind und waren solche Befürchtungen und Ängste maßlos übertrieben. Aber ihr wisst ja wie das mit der Phantasie ist - wie ein Wildpferd geht sie manchmal mit dir durch.

Ich traf Emma Lee wenige Tage später in der Cafeteria des Krankenhauses.

Hier noch mein Tipp an die Frauenwelt:

Lasst die Finger weg von schlecht geschnittenen, grünen Anzügen. Sie zwingen den Betrachter zu falschen Vermutungen. Denn in der weißen Jeans und dem gleichfarbigen Polohemd sah Emma Lee zu Anbeißen aus.

Ich meine nicht für mich - aber für all die Feinschmecker, die an der Wursttheke immer sagen:
“Fräulein, es darf ruhig etwas mehr sein.”

P. s.: Emma Lee und ich haben uns nach diesem ersten Mal bis heute nicht aus den Augen verloren. Es gab dabei einmal eine kurze Periode, da weigerte sie mich überhaupt anzuschauen. Doch ist das eine ganz andere Geschichte. Mit schmerzhaftem Ausgang - für mich und wird nur erzählt, wenn reges Interesse bekundet wird.