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RE: Über Solidarität (DE)

in #deutsch6 years ago

Solidarität ist schon längst aufgenommen auf die Liste der Eigenschaften, die nach und nach dem Menschen abhanden kommen. Es dauert nicht mehr lange, dann drückt es denjenigen, der die Solidarität einfordert, an den ganz linken Rand unserer Gesellschaft. Dort hin, wo wir gerne versuchen die Menschen zu entsorgen, die uns ständig versuchen ein schlechtes Gewissen einzureden.
Wir regen uns über das Mauerprojekt zwischen den USA und Mexiko auf. Gleichzeitig ziehen wir durch halb Europa Zäune - reale und geistige.
Solidarität kostet Zeit, Energie, Wille, Barmherzigkeit und Mut. Viel zu viel Aufwand, wenn man bereits seit einem Jahr nicht mehr befördert wurde und gerade für ein neues Auto gespart werden muss.
Irgendwann sind wir alle nur noch egoistische Solisten und können uns gar nicht mehr daran erinnern, dass es da irgendwann mal was gab, das auch mit Soli... angefangen hat.
Gruß, Wolfram
p.s. Das klingt vielleicht. als hätte ich aufgegeben. Nein, habe ich nicht. Ich bin ein Kämpfer.

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Hallo Wolfram, es ist schwer, auf so ein Kommentar zu antworten. Ich mag Ehrlichkeit sehr und finde es wichtig, sich nicht zu verstellen. Ich hoffe, dass du mit dem Auto und der Beförderung nicht dich gemeint hast.

Ich glaube aber, das Gegenteil deiner These könnte auch der Fall sein. Nämlich, dass Menschlichkeit erst in der Not richtig sichtbar wird. Manchmal ist es leider das Fehlen der Menschlichkeit, das sichtbar wird, manchmal aber auch das Gegenteil.

Vielleicht sollten wir auch einfach aufhören, immerzu an Endlichkeiten zu denken. Das eigene Leben ist ja so etwas vermeintlich Endliches. Ich habe mich, seit ich mich mit Patriarchatskritik beschäftige, entschlossen, nicht mehr linear zu denken, sondern in Kreisläufen. Je weniger ich mich selbst als getrennt von der Natur betrachte, desto weniger habe ich ein Problem mit meiner eigenen Vergänglichkeit und eventuell auch mit Not und Verzweiflung, die zu unserem Leben dazugehören.

Ich glaube, es ist kein Zufall, dass der Herbst meine liebste Jahreszeit ist. Sie ist die ehrlichste Jahreszeit, denn sie zeigt uns, wohin die Reise geht.

Aber ja, du hast auch Recht. Ein weiteres meiner Credos ist auch, dass Wahrheit immer konkret ist. Das sind die realen Auswirkungen unseres Handelns...Mauern, die wir hochziehen z. B. Sie sind der Ausdruck unserer Abscheu voreinander, einer Abscheu, die erschreckend ist und meiner Meinung nach viel mehr mit unserer Abscheu vor uns selbst als der vor den anderen zu tun hat.

Nun, die konkrete Wahrheit, sie ist eben da. Aber dann ist sie auch wieder nicht da. Ich gehe, und das ist jetzt kein Witz, seit einer Woche wie in einem Traum durch die Welt spazieren. Ich war ganz real spazieren am Sonntag und ich ging, da ich mich nach einem Monat Mexiko erst wieder eingewöhnen muss, tatsächlich wie durch einen Traum. Alles erscheint mir irreal und ich erwartete, jeden Moment aufzuwachen.

Es kann also gut sein, dass wir einen gewissen (vielleicht auch nur sehr kleinen) Anteil an dem, was wir als konkrete Wirklichkeit manifestiert sehen, haben. Ob unsere Einstellung, unser Blick auf sie, tatsächlich etwas ändern kann, vermag ich nicht zu sagen, aber ich denke, dass wir nicht absolut machtlos sind.

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