Was ist nur am Montag an den Börsen passiert ?

in #deutsch7 years ago (edited)

Hallo Steemit Community,

am Montag gab es ENDLICH mal wieder etwas Action an der Börse und was für eine.

Der Dow Jones Future (/YM) war zeitweise über 1600 Punkte im Minus, der S&P 500 Future (/ES) 165 Punkte, der Nasdaq 100 Future (/NQ) über 400 Punkte und der Russell 2000 Future (/RTY) über 100 Punkte. 
Warum spreche ich von den Futures und nicht von den Indizes? 
Nun, außer die Journalisten, die über die Finanzbranche berichten (von denen die meisten noch nie in ihrem Leben einen einzigen trade gemacht haben), interessieren die Cash Indices eigentlich keinen (außer am settlement day). 


Die Futures bewegen die Märkte. Alles andere folgt den Futures. Indizes kann man ja auch selbst nicht traden, nur die Optionen auf die Indizes.

Auch wenn das in Punkten der größte Tagesverlust des Dow Jones in der Geschichte war, war es prozentual kein so wirklich großer Sell-Off und längst überfällig. 

Das herausragendste Ereignis war aber der 115-prozentige Anstieg des Voltilitätsindex VIX.


Der VIX  Index, der VIX-Future (/VX) und die dazugehörigen Optionen sind mit Sicherheit das am schwierigsten zu verstehende Thema, das es an der Börse gibt. Ich hoffe ich kann etwas Licht ins Dunkel bringen.

Der VIX wird von den Medien häufig auch Angst Barometer genannt, weil er in der Regel steigt, wenn die Märkte fallen.

Der VIX gibt die implied volatility, also die vom Markt erwartete Schwankungsbreite des S&P 500 Index ,in den nächsten 30 Tagen an. Den VIX kann man nicht traden. Es ist im Prinzip nur eine Nummer, die sich aus den out of the money puts (Verkaufsoptionen die aus dem Geld liegen) auf den S&P 500 Index (SPX) berechnet. Es gibt zwar VIX Optionen, deren Strike Preise (Ausübungspreis) leiten sich jedoch von dem VIX-Future (/VX) ab. Ist der VIX hoch, sind die Optionen teuer, ist der VIX niedrig sind sie billig.

Schauen wir uns das ganze mal an einem Beispiel an:

Am 01. Februar (linker Pfeil im Bild) war der VIX bei 13.47 und der SPX hat bei 2822 geschlossen. 
Der Markt erwartete also, dass die Schwankungsbreite des S&P 500 Index 109 Punkte beträgt und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 68% (1 Standardabweichung) und 218 Punkte mit einer 95% Wahrscheinlichkeit (2 Standardabweichungen) und 327 Punkte mit einer 99.7% Wahrscheinlichkeit (3 Standardabweichungen).

Wie berechnet man das?

(SPX Preis*VIX)/100*Wurzel aus (30/365), also:

(2822*13.47)/100*(30/365) = 109 Punkte für eine Standardabweichung

Für den folgenden Freitag und Montag erwarteten die Märkte nur eine Schwankungsbreite von insgesamt $28 (In der Formel statt 30 Tage, 2 Tage einsetzen). 
Die tatsächliche Schwankungsbreite war aber 166 Punkte. 

166/28 = 5.93

Also fast 6 Standardabweichungen. Nassim Taleb würde das also durchaus einen Black Swan Event nennen.

Der at the money straddle, also der SPX März 2825 put + call kostete am 01. Februar: $87.70. Eine Option steht immer für 100 Aktien, also muss man das ganze mal 100 rechnen. Für den atm straddle musste man an diesem 01. Februar also $8,770 bezahlen.

Am Montag den 05. Februar hat der VIX bei 37.32 (rechter Pfeil im Bild) und der SPX bei 2649 geschlossen.
Der Markt erwartete jetzt also für die nächsten 30 Tage eine Schwankungsbreite von 283 Punkten (1 Standardabweichung)

Schauen wir mal was der atm straddle jetzt gekostet hat bzw. was man dafür bekommen hätte, wenn man in verkauft hätte:

Der Preis war also jetzt auf fast $137 hochgeschnellt.

Wie ich gesagt habe, ist der VIX hoch, sind die Optionen teuer.

Als Grund für den Sell-Off in den Märkten und die Explosion des VIX werden überall die Short Volatility ETF’s (Exchange Traded Fund = Börsengehandelter Indexfonds) SVXY und XIV genannt (mit diesen Fonds gewinnt man, wenn die Volatilität fällt ,sogar wenn sie gleich bleibt).

Nun, da kommt wieder die Frage nach der Henne und dem Ei ins Spiel….

Beide Fonds setzen auf fallende Kurse im VIX-Future (short). SVXY ist sogar doppelt gehebelt.
Der short volatility trade war im Prinzip seit der Finanzkrise 2008/09 eine Gelddruckmaschine. Die Volatilität an den Börsen ist durch die Gelddruckorgie und die ständig steigenden Aktienkurse im Prinzip immer nur gefallen. Aber auch in normalen, einigermaßen ruhigen Zeiten steigen diese short volatility  Fonds praktisch ständig.
Das liegt an der Struktur des VIX-Future.

Normalerweise befindet sich der VIX-Future in “contango”, d.h. der Preis des aktuellen Monats (front month) ist niedriger, als der des kommenden Monats (back month). Der Preisunterschied (spread) zwischen front month und back month ist gewöhnlich $1.50 (beim VIX-Future muss man diesen Preis mal 1000 nehmen, also $1,500).Diese short volatility  Fonds haben ein Portfolio aus short front month und long back month futures. Wenn an der Börse nichts ungewöhnliches passiert, fällt der front month viel schneller als der back month. Jeden Tag rollen diese Fonds einen kleinen Teil ihres Portfolios. Kaufen also den front month billiger zurück und shorten den teureren back month.

Wie gesagt in normalen Zeiten eine Gelddruckmaschine.

Leider ist der VIX ein Biest.

Er kann über sehr lange Zeit ruhig bleiben, doch dann explodiert er und die Struktur des VIX-Futures dreht sich um, d.h. der front month ist plötzlich viel teurer als der back month. Man muss also jetzt den front month viel teurer zurückkaufen, als zu dem Zeitpunkt an dem man ihn verkauft hat und bekommt für den back month viel weniger. Das nennt man “backwardation”

Momentan befinden wir uns immer noch in backwardation. Der Februar VIX-Future, der nächsten Mittwoch ausläuft kostet $21.70 und der back month kostet $18.22. Man verliert also bei jedem roll $3.48 mal 1000 = $3,480.


VIX-Futures zu shorten ist wie Russisch-Roulette. Es geht lange gut, aber wenn es schiefgeht ist man tot.

Das ist am Montag passiert und die short volatility Fonds haben 95% an Wert verloren.

XIV wird sogar geschlossen und die Anleger haben nahezu ihr gesamtes Kapital verloren.

Wobei man sagen muss, dass der Herausgeber von XIV, die Credit Suisse im Prospekt darauf hingewiesen hat, dass falls der VIX mal an einem Tag um 100% steigt, der Fonds wertlos ist.

Es kann also niemand sagen er wurde nicht gewarnt.

Aber durch die ständigen Zinssenkungen und Gelddruckerei haben die Zentralbanken den Märkten eine Sicherheit vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gibt.

Der VIX ist wie eine Feder, je länger und stärker man ihn zusammendrückt, desto stärker springt er irgendwann nach oben.

Ich hoffe ich konnte Euch mit diesem Artikel etwas Klarheit verschaffen. Ich weiß, für den gewöhnlichen Privatanleger, der sich bisher nur mit Aktien (oder Cryptos) beschäftigt hat, sind Futures und Optionen ein sehr schwieriges Thema. Und der VIX ist ein extrem schwieriges Thema. Wer also jetzt nicht alles kapiert hat, keine Angst.

Ich werde in den nächsten Wochen eine Artikelserie zu Optionen, Futures und Tradingstrategien schreiben, die auch unzählige eigene Studien beinhalten wird.

Durch die Ereignisse am Montag war ich nun leider gezwungen, gleich mit dem allerschwierigsten Thema anzufangen. Ich hoffe es hat trotzdem jeder verstanden. Wenn nicht, bitte in der Kommentarspalte nachfragen.


Bis bald und gute Nacht,


Stephan Haller


P.S. Liebe Leute noch eine Frage: Würde es Euch was ausmachen, wenn ich die Artikel über Optionen, Trading und Futures auf Englisch schreibe. Erstens erreicht man da mehr und zweitens ist das für mich so schwierig über dieses Thema auf Deutsch zu schreiben. Ich habe alles was ich hier schreibe von Amerikanern gelernt, alle Bücher die ich darüber gelesen habe sind auf Englisch und die ganzen Begriffe sind auch auf Englisch. Zum Teil weiß ich die deutschen Begriffe gar nicht. Alle trader zu denen ich Kontakt habe sind Amerikaner und ich glaube das ist das erste mal, dass ich über diese Dinge auf Deutsch gesprochen habe. Es wäre also für mich viel leichter, diese Dinge auf Englisch zu schreiben, außerdem würden die Artikel dann kürzer.

Sort:  

Obwohl es sehr gut erklärt ist, fällt das wirkliche Verstehen mir schwer, da ich ausser gelegentlichen silber-calls und einem Allianz put nie im Future/Optionsmarkt Markt gehandelt habe und mathematisch auch nie eine Leuchte war. Ich les es nochmal am WE. Danke für die Mühe.

Ich weiß, dass das für den "Laien" extrem schwierig zu verstehen ist. Aber Du wirst sehen, nach der Artikelserie über Optionen und Futures, wirst Du diesen Artikel auch leicht verstehen.

Aber wenn Du zusätzlich was über Optionen und Futures lernen willst, dann schau www.tastytrade.com
Ich kenne Tom Sosnoff, den Gründer von tastytrade, tastyworks und thinkorswim schon seit Jahren (nicht persönlich, aber durch hunderte emails, die wir uns geschrieben haben. Nahezu alles was ich weiß, habe ich von ihm gelernt.

Ich schließe mich an. Lese soetwas immer gerne um
Zu lernen aber auch viele Sachen mit denen ich mich schwer tue

Sehr guter/intressanter Beitrag TOP

Letztendlich kannst du in der Sprache schreiben, in der du schreiben möchtest. Ich fände es schöner wenn es in deutsch wär.

obwohl du's auf deutsch geschrieben hast, fällt es mir sehr schwer mitzukommen. Bzw. muss ich das wahrscheinlich noch ein paarmal lesen, um das zu begreifen. Ich weiß nicht, ob du dir die Mühe machen willst deutsch und englisch zu schreiben? Grundsätzlich kann ich zwar englisch, aber nach den Standards hört es bei mir allemal auf.
bzgl. dieser VIX Sache. Ist irgendwie erkennbar, wieviel da vernichtet wurde dabei? (oder habe ich das vielleicht sogar sowieso falsch verstanden, dann ist es wohl schon durch diese Frage aufgefallen.)

Ich wollte eigentlich zuerst auf deutsch und englisch schreiben, aber das ist einfach zu aufwändig.
Grundsätzlich verliert man oder gewinnt man beim VIX-Future pro Punkt $1,000.
Das heißt wenn Du einen VIX-Future short warst, hast Du pro contract Von Donnerstag bis Montag zwischen 20 und 25 tausend Dollar verloren.
Beim XIV wurden laut Credit Suisse, die den Fonds herausgegeben hat, ca. 1.6 Milliarden Dollar vernichtet:
https://www.cnbc.com/2018/02/07/credit-suisse-defends-controversial-xiv-etn-amid-market-turmoil.html

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