Zitate 047 - Felix Zulauf, Schweizer Finanzspezialist - Teil 3

in #deutsch7 years ago (edited)

06. Oktober 2017

Dies ist der dritte und letzte Teil des Interviews [1] des bürgerlich-konservativen Magazins Schweizerzeit mit Felix Zulauf [2]. Zu sagen ist noch, dass das Interview am 02. Oktober 2017 veröffentlicht, aber kurz vor der Wahl des deutschen Bundestages aufgenommen wurde. Das wird in einigen Antworten erkennbar.

Hier gelangt man zum ersten und zweiten Teil.

2017-10 - Schweizerzeit Zulauf 2.jpg
Screenshot aus dem Video [1].

(35:30-36:46)
U. Schlüer: «Wo steht da die Schweiz?»

F. Zulauf: «Wir sind wirtschaftlich primär in Europa eingebunden. Wir sind weltoffen, betreiben sehr viel Handel mit allen Regionen der Erde, können aber unserer geographischen Lage nicht entfliehen, die ist gegeben. Wir tun gut daran, wenn wir unsere Eigenständigkeit und die bewaffnete Neutralität hochhalten und pflegen. Dazu dürfen wir den Bildungsstandard, den wir haben, nicht verwässern. Da geschieht vieles, es gibt mittlerweile Schulklassen, in denen es kaum mehr Schweizer gibt und da gibt es aufgrund sprachlicher Probleme Schwierigkeiten mit der Bewältigung des Lernstoffs. Der Bildungsstand muss hochgehalten, gepflegt und weiter hochgetrieben werden. Dann sind wir für die Zukunft gewappnet, denn diese wird sehr unruhig sein. Es wird hohe Wellen geben, aber als Land werden wir da durchkommen und die Sache meistern. Wir haben mit der direkten Demokratie auch einen grossen Vorteil. Damit kann man ganz grobe Fehler, wie sie andere Staaten begehen, korrigieren. Alles kann man aber nicht korrigieren, weil die Politik durchaus eine Eigendynamik in sich trägt.»

(36:46-39:06)
U. Schlüer: «Bekommen wir mit der Demokratie nicht auch zunehmend Probleme? Die Eliten, wie Sie es zuvor geschildert haben, die in Deutschland an der Macht sind, die die Geschicke der EU bestimmen, deren Wort auch in der Schweiz Gewicht hat, wollen die nicht mit verschiedenen demokratischen Grundsätzen und Traditionen eher aufräumen und selber die Politik bestimmen? Das Volk soll offenbar weniger zu sagen haben.»

F. Zulauf: «Das ist richtig. Gerade das Beispiel Deutschland, das wir zuvor angeschaut haben. Es gibt ein Zerbröseln durch mehr Parteien, das heiss es gibt keine Macht mehr, die Reformen durchführen kann. Daraus entsteht eine Scheindemokratie, das heisst, es sind eigentlich alle Bestandteile der Demokratie vorhanden, aber es funktioniert nicht so, wie es eigentlich gedacht war (das Land schläft im immerwährenden Streit oder Harmonie ein, Realitätsnähe wird nicht mehr gelebt und deshalb kaum sinnvolle Entscheidungen getroffen, Anm.). Scheindemokratien, wie ich es nenne, gibt es in den meisten Staaten, die an diesem Punkt angekommen sind. Wir sind da mit der direkten Demokratie noch bevorzugt, weil wir viel öfter einschreiten, wenn sich die Eliten von dem entfernen, was das Volk eigentlich möchte (das erfordert aber ein sehr weises, realitätsnahes, praktisch denkendes Volk, Anm.). Das ist unser Vorteil. Trotzdem haben wir eine gefährliche Situation, weil der Graben zwischen Eliten und dem übrigen Volk laufend grösser wird, übrigens auch wirtschaftlich. Denn, die heutige Wirtschaftspolitik ist eine Politik, die primär an den Notenbanken hängt. Die Regierungen betreiben selbst kaum mehr echte Wirtschaftspolitik und machen nötige Reformschritte nicht. Durch diese Politik werden Vermögenswerte inflationiert und nach oben getrieben. Die, die haben, haben nachher mehr oder das, was sie jetzt haben oder es nimmt an Wert zu. Die, die nicht haben und von ihrem Einkommen leben müssen, das sie als Arbeitnehmer verdienen, die werden zurückgelassen. Das ergibt eine Trennung in der gesellschaftlichen Struktur, was Gift für jede Demokratie und Volkswirtschaft ist.»

(39:07-41:07)
U. Schlüer: «Besorgniserregende Aussichten... Wir haben, das sollten wir zur Abrundung der politischen Situation noch nachholen, Russland schon kurz gestreift. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass man Russland nicht unbedingt am Ukrainekonflikt oder an der Zuständen in der Ukraine messen sollte. Man sollte Russland als eigenständige Macht begreifen und beurteilen, als eine Macht, die etwas zu sagen hat und das auch will. Was ist mit dem Verhältnis Russland - Westeuropa? Wie sehen Sie das und wie sehen Sie die Position Russlands in der nächsten Zeit?»

F. Zulauf: «Historisch ist es so, dass Russland eigentlich nie den Westen angegriffen hat (abgesehen vielleicht von den Russisch-Polnischen [3] und den Russisch-Schwedischen Kriegen [4], wobei nicht immer Russland angegriffen hat [5], Anm.), aber der Westen verschiedentlich Russland (grösste Beispiele sind der Russlandfeldzug Napoleons [6] und der Deutsch-Sowjetische Krieg im Zweiten Weltkrieg [7], Anm.). Das scheint in der Russischen Seele tief verankert zu sein. Aus der bipolaren Welt der Nachkriegszeit haben auch wir den bösen Russen in der DNA. Viele glauben das, tatsächlich ist es aber nicht so. Erstens ist Russland wirtschaftlich nicht sehr stark und es wird aufgrund der Demographie, deutlich abnehmende Bevölkerung, im Lauf der nächsten Jahrzehnte deutlich schwächer werden. Militärisch ist Russland heute noch stark und wird es auch bleibem. Aus westlicher Sicht hat man Fehler begangen, EU und NATO, dass man diese Bündnisse nach dem Fall der Mauer und des Ostblocks ausgedehnt hat. Vor allem die NATO ist mit Stützpunkten inklusive Raketen näher an die Russische Grenze gerückt (wobei trotzdem gesagt wird, dass die NATO-Präsenz in Osteuropa einem russischen Angriff kaum etwas entgegenzusetzen hätte, Anm.). Wenn wir uns in die russische Situation hineinversetzen, kann man verstehen, dass sie sich bedroht fühlen und einmal sagen mussten: Bis hierher und nicht weiter! Das sollte man verstehen und den Russen nicht gleich anlasten.»

(41:07-43:57)
U. Schlüer: «Wenn man mit Russen spricht, ist die Angriffsgeschichte - Hitler, Napoleon bis nach Moskau - enorm präsent, immer noch. Das wird einem immer wieder gesagt, nicht von führenden Politikern, sondern von ganz normalen Menschen. Jetzt noch zurück zum Wirtschaftlichen und Finanzpolitischen. Brüssel und die europäischen Regierungen geben vor, dass die Probleme behoben seien. Ein Zeichen, dass nicht alles zum besten steht, ist, dass man weiterhin Null- und Negativzinsen hat. Mit anderen Worten: Wer spart, wer solide ist, muss von seinem Vermögen abgeben, die anderen nicht. Daraus kann auf lange Sicht keine positive Entwicklung stattfinden, nicht?»

F. Zulauf: «Die Notenbanken haben gemeint, wenn sie mit den Zinsen auf null runtergehen und grosse Mengen Geld in das System hineinpumpen, erhole sich die Konjunktur und die Inflation würde ansteigen. Sie dachten, dass sie das Schuldenproblem via eine Inflationierung reduzieren können. Es zeigt sich aber, dass das nicht aufgeht. Die gewünschte Inflation wird es nicht geben, egal wie viel Geld da noch hineingepumpt wird. Wie ich gesagt habe, werden wir wegen der Demographie bescheidenes Wirtschaftswachstum haben. Dazu haben wir in den letzten 10 Jahren eine dramatische Ausweitung der Kapazitäten in der verarbeitenden Industrie erlebt. Dies aber nicht in den etablierten Industrieländern, sondern in den Schwellenländern. Die Kapazitäten sind so gross, dass praktisch in jeder Branche Überkapazitäten vorhanden sind. Auch in dieser Hinsicht ist es nicht möglich, eine hohe Inflation zu bekommen. Diese wird niedrig bleiben, vielleicht zeitweilig etwas ansteigen, aber nicht dauerhaft. Die Nullzinspolitik und der Negativzins ergeben eine Umverteilung. Der Sparer wird bestraft und der Glücksritter belohnt. Für eine Volkswirtschaft ist das eine Katastrophe. Mit Glücksritter meine ich die, die sich mit grossem finanziellen Hebel und billigstem (Kredit-)Geld als Spekulanten engagieren, auf dem Immobilienmarkt oder bei anderen Sachwerten. Daraus ergibt sich eine Verschiebung der Vermögen zulasten der einfachen Leute und Sparer, zugunsten derjenigen, die bereits haben. Politisch wie wirtschaftlich ist das Betreiben solcher Anreizsysteme ein absoluter Verhältnisblödsinn.»

(43:58-46:04)
U. Schlüer: «Letzter Fragenkreis. Der Brexit hat stattgefunden. Ist dieser eine Chance für Europa und die Schweiz? Oder wird nichts vernünftiges daraus? Das Vereinigte Königreich hat immerhin eine Tradition als eigenständiges Land, man sollte etwas erwarten können. Wie sehen Sie die Zukunft?»

F. Zulauf: «Der Brexit könnte einen heilenden Prozess auslösen. Es bräuchte dazu aber die Einsicht auf der Seite der EU, dass mit der Personenfreizügigkeit eine Sache in ihren Grundsätzen enthalten ist, die sich nicht aufrechterhalten lässt. Betreibt man das weiterhin, wird Europa getrennt und nicht verbunden. Durch die beträchtlichen Einkommens- und Wohlstandsgefälle innerhalb der EU, werden mit totaler Freizügigkeit automatisch Migrationsbewegungen anlaufen, was geschehen ist. Sobald das aber einem Land zuviel wird, wird es ein Abwehrdispositiv geben und direkt Nationalismus gefördert. Die Frage ist also, wird die EU so weitsichtig und einsichtig sein, dass festgestellt wird, dass einiges korrigiert werden muss, zum Beispiel Ventile bei der Personenfreizügigkeit. Für Europa wäre es sehr gut, wenn eine gewisse Einsicht zustande kommen würde. Kommt diese nicht zustande, wird es innerhalb der EU zu Brüchen kommen. Es kann sein, dass sich weitere Länder aus der Union verabschieden, vielleicht auch aus dem Euro. Brüche treten nicht plötzlich auf, die sind Ergebnisse aus langen Prozessen. Sie wissen, wenn ein Bach einen Abhang hinunterfliesst und man beginnt diesen untauglich aufzustauen, dann ist eine Zeit lang Ruhe, bis es dann kracht, bricht und zu Chaos kommt. Wenn es in der EU zu Brüchen kommt, werden die nötigen Anpassungsprozesse ungeordnet stattfinden. Gescheiter wäre es, wenn man das geordnet machen würde, politisch geführt. Die dafür nötige Einsicht scheint in Brüssel aktuell zu fehlen.»

(46:05-47:02)
U. Schlüer: «In Brüssel ist eine enorm privilegierte Schicht an Menschen tätig und verantwortlich, die bestbezahlten Funktionäre Europas. Von diesen zu verlangen, in den Hintergrund zu treten, dürfte sehr schwierig sein.»

F. Zulauf: «Die können dort bleiben, auch privilegiert. Sie müssen nur einsehen, dass das ursprüngliche Projekt, aus den vielen Nationalstaaten, über hunderte von Jahren gewachsen, auch mit viel Blutvergiessen, einen Einheitsstaat mit einer Zentralregierung zu kreieren, nicht funktioniert. Da bleibt nur zu hoffen, dass eine nachwachsende Generation von Politikern weitsichtiger sein wird und vor dem grossen Krach die Weichen anders stellt. Sonst wird es unangenehm werden.»

(47:03)
U. Schlüer: «Vielen Dank, Herr Zulauf, für dieses interessante Gespräch mit vielen neuen Aspekten. Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie haben natürlich gemerkt, dass wir dieses Gespräch vor den Wahlen in Deutschland aufgezeichnet haben. Sie sehen und hören es erst nach den Wahlen. Sie können also anhand des Wahlergebnisses auch beurteilen, ob die Ansichten, die wir hier diskutiert haben, bedeutungsvoll sind, die Situation richtig einschätzen und entsprechend ernst zu nehmen sind. Ich bin überzeugt, dass der Gehalt der Ausführungen Sie beeindruckt hat und zu manch weiterer Diskussion anregt. Ich möchte Ihnen, Herr Zulauf, bestens danken, dass wir bei Ihnen die Sendung aufnehmen konnten. Ich danke dem Aufnahmeteam und Ihnen, geschätztes Publikum, für Ihr Interesse.»


[1] Weltfinanzkrise: Bewältigt oder verdrängt? Schweizerzeit Verlags AG YouTube Kanal, 29. September 2017 http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/seiten/-172
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Zulauf
https://en.wikipedia.org/wiki/Felix_Zulauf
http://felixzulauf.com/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-Polnische_Kriege
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_Russisch-Schwedischer_Kriege
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Milit%C3%A4roperationen_Russlands_und_der_Sowjetunion
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Russlandfeldzug_1812
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Sowjetischer_Krieg


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