Zitate 032 - Yuri Maltsev II

in #deutsch7 years ago (edited)

05. Juli 2017

Dem russisch-amerikanischen Ökonom und Wirtschaftshistoriker Yuri Nikolajewitsch Maltsev [1] (Юрий Николаевич Мальцев, geboren am 31. Dezember 1950 in Kazan, Tatarstan) habe ich hier schon zwei Artikel gewidmet [2, 3]. Maltsev studierte in der Sowjetunion Ökonomie, war danach in der Administration tätig und während der Perestrojka-Reform einer der wirtschaftlichen Regierungsberater. Während einer Reise in Finnland 1989 entschloss er sich, nicht mehr nach Moskau zurückzukehren und emigrierte er in die USA.

In den USA war er zunächst auch für die Verwaltung tätig. Danach entschied er sich dafür, nach eigenen Angaben etwas sinnvolles zu tun und begann zu unterrichten. Bis heute hat er an verschiedenen Instituten gelehrt, aktuell am Carthage College in Kenosha, Wisconsin. Darüber hinaus reist er sehr viel herum und arbeitet dabei als ökonomischer Berater. Von diesen Reisen und den Eindrücken aus anderen Ländern erzählt gerne insbesondere von Reisen nach Kuba und Südafrika. Immer wieder hat er auch Gruppenreisen für Studenten veranstaltet, damit sie andere Orte und politische und wirtschaftliche Systeme zu sehen bekommen.

Im heutigen Artikel möchte ich einige Passagen aus einem Vortrag präsentieren, den Maltsev diesen Frühling auf einer Veranstaltung der Spring Arbor University gehalten hat [4]. Wegen der Fülle an Inhalt wird es wohl noch einen zweiten Teil dieses Artikels geben. Bei aller Begeisterung, mit er Maltsev seine Geschichten erzählt, unterstelle ich ihm aber teilweise einen gewissen Hang zur Übertreibung. Wobei seine Aussagen schon mindestens über einen wahren Kern verfügen dürften.

(1:33 -2:17)

«I missed my train and ended up at Kennedy Airport (New York) instead of Moscow. And found myself working for the second largest bureaucracy of this planet, for the Federal Government in Washington DC. I worked at a congressional think tank, which, like all congressional think tanks, did not think much or, I would say, did not think at all. So I decided to do something positive with myself at a certain point, and I decided to go and teach young Americans ideas of liberty, free market economics, sound ideas of freedom, what not do and what not to repeat, what kinds of lessons to learn.»

«I verpasste also meinen Zug und meine Reise endete am Flughafen John F. Kennedy (New York) anstelle von Moskau. Darauf fand ich mich in der Situation, dass ich für die zweitgrösste Bürokratie dieses Planeten arbeitete, für die (Bundes-)Administration in Washington DC. Ich arbeitete für eine Denkfabrik des Kongresses, die wie alle Denkfabriken von Kongressen nicht viel dachte oder wie ich es sagen würde, überhaupt nicht dachte. Also habe ich entschieden, mit meinem Leben noch etwas positives anfangen zu wollen und entschied, junge Amerikaner zu unterrichten. Über Ideen der Freiheit, freie Marktwirtschaft, echte Ideen des freien Daseins, was in dieser Hinsicht nicht zu tun und nicht zu wiederholen ist, was die echten Lektionen sind, die es zu lernen gilt.»

(5:21-5:28)

«I don't watch TV because I want to keep my life expectancy kind of intact.»

«Ich schaue kein Fernsehen, weil ich meine Lebenserwartung stabil erhalten möchte.»

(10:00- 10:08)

«Dwight Eisenhower used to say: 'If you want free health care, free dental care, free food and clothes, go to jail!'»

«Dwight Eisenhower (1890-1969, 34. US-Präsident) [5] pflegte zu sagen: 'Wenn du kostenlose Gesundheits- und Zahnpflege, Essen und Kleider möchtest, geh ins Gefängnis!'»

(10:30-11:22)

«Gorbachev believed that the Soviets took the wrong turn under Stalin, that Stalin perverted the image of Socialism. He believed that the image of Socialism is very humane and very attractive. He was a kind of Bernie Sanders type Socialist. He believed that we can have Socialism and humane humanity. I remember my boss, Abel Gyozevich Aganbegyan, the biggest economist in the world, 400 lbs easy. He used to say, is there something behind this birthmark or just a shallow space in Gorbachev's mind? Because we just could not understand whether he really did not understand what he was saying or not. Because when people realize that there is no fear anymore, then everybody stopped working. This was a natural result of Mr. Gorbachev's administration.»

«Gorbatschow [6] glaubte, dass die Sowjets unter Stalin [7] eine falsche Abzweigung genommen hatten und dass Stalin das Bild des Sozialismus pervertierte. Er glaubte, dass das Bild des Sozialismus ein sehr menschenfreundliches und attraktives war. Er war eine Art Sozialist im Stile Bernie Sanders [8]. Er glaubte, dass wir Sozialismus haben können und eine menschenfreundliche Menschheit. Ich erinnere mich an meinen Vorgesetzten. Abel Gesewitsch Aganbegjan [9], der wohl beleibteste Ökonom der Welt, locker 400 Pfund. Er fragte sich öfters: 'Befindet sich in Gorbatschows Verstand hinter seinem Muttermal wirklich etwas oder ist da nur ein geistloser Raum? Wir konnten nicht erkennen, ob er wirklich nicht verstand, was er sagte oder ob er es doch verstand. Denn, sobald die Menschen erkannten, dass man sich nicht mehr fürchten brauchte, hörte jeder auf zu arbeiten. Das war ein natürliches Ergebnis des Handelns der Administration unter Gorbatschow.»

(12.20-13:58)

«I remeber when I began to work for Mr. Gorbachev's administration, he was just absolutely crazy. He would say for example that Socialism is great, that people are bad. Socialism is good, just wrong people are doing it. What is wrong with the people. They were dinking too much. So the first kind of idea was to remove booze. They removed booze from everywhere. I was a local counsellor, I was elected on this Perestroika wave. In my district, 6 people were crushed over the counter trying to get to the liquor store. I did some public speaking there and went to a placed called Yakutiya, that is quite near Alaska, on the other side of the Bering straits. Over there in Yakutsk, the capital of Yakutiya, I saw a line (queue), maybe about 10, 15 blocks long, for vodka. The temperature outside was -48 °C. Can you imagine, if you poor water to the ground, it immediately freezes and you hear ice cubes arriving there. So, -48 °C and people are lining for vodka hours and hours. And when they get this vodka they drink it right away and go to the end of the line again. So that is how life goes... I am already living on credit, because in the Soviet Union and even in today's Russia life expectancy for men is 57 years...»

«Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich für die Verwaltung unter Herr Gorbatschow zu arbeiten begann. Er war absolut verrückt. Er sagte zum Beispiel, dass der Sozalismus grossartig sei, aber die Menschen schlecht. Der Sozialismus ist also gut, aber es sind die falschen Menschen, die ihn umsetzen. Was ist an den Leuten falsch? Sie tranken zu viel. Also war die erste Idee, den Schnaps zu entfernen. Sie entfernten den Schnaps überall. Ich war damals ein lokaler Berater, wurde für die Umsetzung der Perestroika ausgewählt. In meinem Distrikt wurden 6 Menschen an der Theke zerdrückt, als sie versuchten, zum Spirituosenladen zu gelangen. Ich sprach auch in der Öffentlichkeit und gelangte nach Jakutien [10]. Ein Ort, der schon in der Nähe zu Alaska liegt, auf der anderen Seite der Beringstrasse. In Jakutsk [11], der Hauptstadt von Jakutien, sah ich eine Menschenschlange, etwa 10, 15 Häuseblocks lang, für Wodka (russ. für Wässerchen) [12]. Die Temperatur draussen war -48 °C. Könnt ihr euch das vorstellen, wenn ihr Wasser auf den Boden leert, hört ihr Eiswürfel am Boden aufschlagen. -48 °C und die Menschen stehen stundenlang Schlange für Vodka. Und wenn sie den Vodka erhalten, trinken sie ihn direkt und stellen sich wieder in die Schlange. Wie das Leben so spielt... Ich lebe bereits auf Kredit, denn in der Sowjetunion und auch im heutigen Russland liegt die Lebenserwartung für Männer bei 57 Jahren...»

(14:09-14:56)

«Not many people realize that it was superpower No. 2 which completely disrespected its own people. They were sending people to space, they were eradicating deserts, reversing rivers. They created the most awful environmental Auschwitz in human history from one hand. From another hand, 38 % of the hospitals even in today's Russia do not have sewer systems or running water. Can you imagine? You go to the doctor for a surgery and then the nurse would go pick up some water from the well, heat it and clean you up. And you need to go to the outhouse to do some thing like that. So these are kind of the wonders of free medicine.»

«Nur wenige Leute erkennen, dass es die Supermacht Nr. 2 war, die ihre Leute überhaupt nicht respektierte. Einerseits schickten sie Menschen in den Weltraum, beseitigten Wüsten, drehten Flüsse um und kreierten das übelste Umwel-Auschwitz der Menschheitsgeschichte. Andererseits haben 38 % der Spitäler, sogar im heutigen Russland, keine Abwasserkläranlage und kein fliessendes Wasser. Könnt ihr euch das vorstellen? Ihr geht zum Arzt für eine Operation und dann geht die Krankenschwester an der Quelle Wasser holen, kocht es ab und reinigt euch nachher damit. Und für euer menschliches Geschäft müsst ihr nach draussen zum Klohäuschen. Das sind eben auch solche Wunder der kostenlosen medizinischen Versorgung.»

(16:17-17:50)

«I have a good friend in Cube whom I know since my Moscow days. And this friend, because Cuba was under hospices of the Soviet Union, was one of the best young people who the Soviets brought to Moscow, where they brainwashed them. He asked me never to mention his name, so I will not. He is up there in the Cuban government and I invited him to talk to my students. Because I would bring my students to Cube to inoculate them against this bacillus of socialism. He was talking about whatever. And one young woman of my class, she watched a video by Michael Moore, this sickening movie about so-called successes of Cuban medicine. And she said: 'I see disaster everywhere, everything falling apart. But I heard that your medicine and healthcare is very good.' He answered: 'Of course it is very good. As a true Socialist I can say it is perfect. But still, we can find room for improvement. Especially if we had doctors, medicines, clinics, hospitals, then it would be just perfect.' And then, we were walking outside of the auditorium and he said in Russian: 'Swim to Miami, that is the healthcare I know of.'»

«Ich habe einen guten Freund in Kuba, den ich seit meiner Zeit in Moskau kenne. Dieser Freund kam nach Moskau, als Kuba unter den Fittichen der Sowjetunion existierte. Damals brachten die Sowjets die talentiertesten jungen Leute nach Moskau, wo sie ihnen eine Gehirnwäsche verpassten. Er bat mich, seinen Namen nicht zu nennen, was ich auch nicht tun werde. Er bekleidet eine hohe Position in der kubanischen Regierung und ich bat ihn, zu meinen Studenten zu sprechen. Ich brachte meine Studenten nach Kuba [13], um sie gegen den Bazillus des Sozialismus zu impfen. Er sprach also über irgendetwas. Und eine junge Dame aus meiner Klasse, die ein Video von Michael Moore gesehen hatte. Dieser widerliche Film über die sogenannten Erfolge der kubanischen Medizin. Und sie sagte: 'Ich sehe hier überall Desaster, alles fällt auseinander. Aber ich habe gehört, dass eure Medizin und das Gesundheitswesen sehr gut sind.' Er antwortete: 'Natürlich ist es sehr gut. Als ein wahrer Sozialist kann ich sogar sagen, es ist perfekt. Aber trotzdem gibt es noch Raum für Verbesserungen. Insbesondere wenn wir Ärzte, Medikamente, Kliniken und Hospitäler hätten. Dann wäre es perfekt'. Danach haben wir das Auditorium verlassen und sind nach draussen gegangen und er sagte auf russisch: 'Schwimme nach Miami, das ist die Gesundheitspflege, die ich kenne.'»

(18:42-20:34)

«I do not go to Cuba anymore because they arrested me. I had a wonderful friend with me, Professor from the University of Chicago Deirdre McCloskey. She is a great economist, I already knew her when she was Donald McCloskey. Then Donald realized that he is in the wrong kind of shell and became Deirdre. Deirdre joined me for this trip. And I think, she almost put me to prison there. Because, Cubans, when you criticize them, especially openly, then they can lock you up even if you are an American visitor. We had a brainwashing session in Habana and the brainwasher was saying: 'We do not have taxes in Cuba.' If you have 9 Dollars per month, what kind of taxes can you have? He did not say that, he said that they do not have taxes. And I had some stupid libertarians with me and they began to clap. 'No taxes, isn't that fantastic? No taxes!' And then I heard Deirdre saying: 'To charge this poor people taxes is worse than to charge Jews tickets to Auschwitz.' I thought this is just stupid, I can go to jail, I was afraid. The brainwasher, when he shut up, he came to me and said: 'That woman, what was the place she was talking about?' I saw a ray of hope and I said that: 'I do not know, I think it is something from the Bible and Auschwitz.' He said: 'We do not read the bible here.' I answered: 'Good for you that you do not read the Bible.' So, we kind of made it.»

«Ich gehe nicht mehr nach Kuba, weil sie mich inhaftiert haben. Ich hatte eine wunderbare Freundin dabei, Professor an der Universität Chicago, Deirdre McCloskey [14]. Sie ist eine grossartige Ökonomin. Ich kannte sie bereits als sie noch Donald McCloskey war. Dann erkannte Donald, dass er sich in der falschen Hülle befand und wurde Deirdre. Deirdre begleitete mich auf dieser Reise. Und ich glaube, sie hätte mich um ein Haar ins Gefängnis gebracht. Denn, die Kubaner können einen einsperren, wenn man sie kritisiert, insbesondere dann, wenn man es öffentlich tut, auch wenn man nur ein amerikanischer Tourist ist. Wir erlebten eine Gehirnwäsche-Sitzung in Havanna und der Gehirnwäscher sagte folgendes: 'Wir haben in Kuba keine Steuern.' Wenn man von 9 Dollar im Monat leben muss (diesen Betrag bezahlt der Kubanische Staat seinen Angestellten), welche Art von Steuern kann man dafür verlangen? Aber das sagte er nicht, er sagte nur, dass es in Kuba keine Steuern gibt. Es waren auch einige einfältige LIbertäre dabei, die zu applaudieren begannen. 'Keine Steuern, ist das nicht fantastisch? Keine Steuern!' Und dann hörte ich Deirdre sagen: 'Von diesen armen Leuten Steuern zu verlangen ist schlimmer als hätte man von den Juden verlangt, dass sie ihren Fahrschein nach Auschwitz bezahlen!' Ich dachte, wie bescheuert ist das, ich könnte dafür im Gefängnis landen, hatte Angst. Der Gehirnwäscher kam zu mir, nachdem er zu sprechen aufghört hatte: 'Diese Frau, über welchen Ort hat sie gesprochen?' Ich sah einen Hofnungsschimmer und sagte: 'Ich weiss nicht, aber glaube, dass es sich um etwas aus der Bibel handelt und Auschwitz.' Er sagte: 'Wir lesen hier nicht die Bibel.' Ich antwortete: 'Gut für euch, dass ihr die Bibel nicht lest.' Wir kriegten es also gerade noch hin.»


[1] https://mises.org/profile/yuri-n-maltsev
https://wiki.mises.org/wiki/Yuri_N._Maltsev
[2] Zitate 027 - Yuri Maltsev. @saamychristen, 04. Juni 2017
https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/zitate-027-yuri-maltsev
[3] Libertarians 002 - Yuri N. Maltsev. @saamychristen, September 2016
https://steemit.com/libertarian/@saamychristen/libertarians-002-yuri-n-maltsev
[4] Yuri Maltsev - March 23, 2017. SAU Community, 12. April 2017.
Gainey School of Business presents guest Lecturer Yuri Maltsev on the campus of Spring Arbor University. March 23, 2017.
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dwight_D._Eisenhower
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Michail_Gorbatschow
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Stalin
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Bernie_Sanders
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Abel_Gesewitsch_Aganbegjan
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Jakutien
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Jakutsk
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Wodka
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Kuba
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Deirdre_McCloskey


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Thank you for the comment.
I hope that it is great. I really recommend watching the video, of which I provided a German translation in some parts.

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