Archäologische Abenteuer in Südägypten

in #deutsch7 years ago

Hallo zusammen!
Das ist mein erster richtiger Blogpost nur auf deutsch. Ich dachte mir, ich geb euch mal einpaar Einblicke in meine oft anstrengende, aber doch auch meistens interessante Arbeit. Hier von einer Grabung in Südägypten. Leider kann ich aufgrund publikationsrechtlicher Gründe keine näheren Angaben zum genauen Ort machen und habe daher auch einpaar Daten auf den Fotos unkenntlich gemacht. Ich hoffe trotzdem, ihr habt einpaar unterhaltsame Minuten. ;)

Der Eingang zum Grabungshaus - man mag es nicht glauben, aber im März/April beginnt die Wüste zu blühen und auch wenn die Nächte noch kalt sind (bis zu 5 Grad über 0), so ist es tagsüber direkt 20 Grad wärmer. Auch ne gute Gelegenheit, schön krank zu werden auf der Grabung. Eine Grabungssaison dauert idR. 2 Monate und in der dieser Zeit liegt jeder von uns mindestens einmal flach. Sei es mit einer Erkältung oder dem berühmten "Fluch des Pharao". Und nein, auch nach mehreren Jahren Ägypten wird man einfach nicht resistent. :D

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Oft ist es so, dass zunächst viel gegraben wird und in den darauffolgenden Jahren die Aufarbeitung des Materials erfolgt. Das machen wir gerade.

Im letzten Jahr habe ich gefühlt 1000 kleinster Holzfragmente gezeichnet. Wir fanden in unserer Grabung sehr viele Holzmodelle in den Gräbern. Hier eine kleine rotbraune Hand mit Loch, in dem wohl mal ein Paddel (von einem Schiffsmodell) oder ein Stab steckte. Und ja...es gibt auch Bier in Ägypten. Ich sag nur "Mit Plörrbräu ist der Tag ***" - jedenfalls nicht nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, weshalb es tatsächlich bei diesem einen Schluck geblieben ist. ;)

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Ich hab in diesem Jahr viele Objektzeichnungen gemacht, auch wenn ich für das Fragment auf dem Foto noch mehr Anläufe brauchte, als mir lieb war. Ist gar nicht so einfach, bei so vielen Bruchstücken die richtige Perspektive zu finden, denn anders als bei einer künstlerischen Zeichnung, geht es bei einer archäologischen Objektzeichnung vor allem darum, zu entscheiden, welche Informationen ich zeigen will (z.B. Farbreste, verschiedene Materialien, Beschädigungen usw.). Wir zeichnen solche kleinen Objekte häufig auf einer speziellen Folie, die wir über die Objekte spannen und "pausen" dann praktisch erstmal die Umrisse ab. Die Details erfolgen später in Handarbeit. Das Beispiel hier ist noch lange nicht perfekt. Es braucht viel Übung und Geduld. Ein Archäologe ist in der Regel kein Künstler, aber es wird künstlerische Präzision erwartet, denn diese Abbildungen erscheinen irgendwann einmal (vielleicht) in einer Publikation.

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Beim Zeichnen hatte ich dieses Jahr tierisch coolen Besuch von einer kleinen, frechen Babykatze, die es sich vormittags immer auf meinem Schoß und dann auf dem Zeichentisch gemütlich gemacht hat. Vielleicht hat sie die entspannte Atmosphäre aufgenommen, die beim Zeichnen herrscht? Nur doof, wenn sie mit der Pfote ausgerechnet dann nach dem Stift grabscht, wenn man fast fertig war mit dem "Kunstwerk" und dann gleich nochmal von vorne anfangen könnte. Zum Glück ist mein Mann Restaurator und hatte für derartige "Unfälle" immer irgendeine Mittelchen in petto, um die Zeichnung zu retten.

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Gegraben wurde natürlich auch. Hier hat mich gerade eine Kollegin dabei erwischt, wie ich mit kieferorthopädischer Genauigkeit versucht habe, dem Schädel einen ausgefallenen Zahn wieder zurecht zu rücken. Man glaubt manchmal gar nicht, was für gute Zähne die Menschen damals doch manchmal hatten und wie toll diese erhalten geblieben sind. Und ja, wir springen meist in Socken in die Grabschächte, weil Schuhe zu viel Schaden anrichten könnten. Die Skelette und Grabbeigaben sind nach tausenden von Jahren teils äußerst fragil und da möchten wir kein Risiko eingehen.

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Und hier noch einpaar Eindrücke vom Dach des Grabungshauses, auf dem wir meistens den Abend ausklingen lassen haben. Die unzähligen Wasserflaschen, die man da sieht, sind nicht etwa zum Trinken da. Leider ist die Frischwasserversorgung in Südägypten manchmal für mehrere Tage unterbrochen. Um sich wenigstens ein bißchen waschen zu können, nachdem man den ganzen Tag bei brütender Hitze im Feld war, werden die Trinkflaschen mit Wasser gefüllt und auf dem Dach "aufgeheizt". Auf Grabungen lernt man zu improvisieren. ;)

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Es ist immer wieder aufregend, abenteuerlich, teilweise sehr gefährlich, aber auch interessant und abwechslungsreich. Allerdings ist das Ausgraben in Ägypten nix für empfindliche Menschen. Man definiert "Hygiene" neu, man lernt, sich mit anderen Mentalitäten zu arrangieren und auch die Sprache ist nicht so einfach zu sprechen für uns Europäer. Aber es lehrt auch Geduld und Gelassenheit. In den Momenten, in denen der Stress mal wieder über den Kopf zu wachsen scheint, setz ich mich aufs Dach und atme tief ein. Dann wird mir bewusst, wie schön das alles ist. Dieses bemerkenswerte Land, und zwar das antike Ägypten wie auch das moderne, hat mich tief berührt und verändert. Und jedes Mal, wenn ich wieder komme, rege ich mich aufs neue über den Schmutz und den Lärm und die nicht vorhandene Verlässlichkeit in Ägypten auf. Und jedes Mal, wenn ich im Flieger nach Deutschland sitze, muss ich weinen, weil ich ta-meri (so nannten die alten Ägypter ihr "geliebtes Land"), schon wieder vermisse...

Ich komm zurück, ta-meri... Insha'allah.

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hi @laylahsophia, finde ich super spannend. Als ich vor über 20 Jahren Ägypten bereist habe war ich total fasziniert von der Schönheit des Landes und bin es immer noch. Viel Erfolg und Spaß weiterhin. Grüß mir die netten Ägypter und das neugierige Kätzchen. Silvia

Dankeschön @silviaschaefer. Die Grüße richte ich aus demnächst. ;)

Herausragende Arbeit, vorzügliche Qualität! Danke fürs teilhaben-dürfen!

Hallo @mentao, willkommen auf Steemit. Wenn Du Fragen zu Steemit hast, oder Dich mit anderen deutschen „Steemians“ austauschen magst, schaue einfach mal in unserem Chat vorbei: https://steemit.chat/channel/deutsch

Danke @twinner ! Schon geschehen. :)

Ich bin an Geschichte sehr interessiert und finde deinen Job super. Wüde mich freuen mehr zu lesen.

Sehr gern. Ich versuche, regelmässig zu posten in Zukunft. :)

Ich bin begeistert, dich hier auf Steemit zu haben, wirklich absolut.
Ägypten ist für mich etwas ganz besonderes und vor allem seine Alte Kultur, die zusammenhänge vom Ägyptischen Totenkult, den Summerern(und ihren Nachfahren) und wie viel sie damals schon wussten.

Mit 14 war mein sehnlichster Wunsch die deutsche Übersetzung des Ägyptischen Totenbuches, ich glaube, dass sagt einiges über mich aus :D

Ich finde deinen Bericht total faszinierend und hoffe, tu teilst noch viel mehr davon auf deutsch!!!

Mit mir hast du schonmal einen Fan gefunden :D

Dankeschön! Dein lieber Kommentar macht mir Mut. Auf jeden Fall werd ich weiter posten. Steemit macht mit so netten Leuten wie euch echt Spaß. Hätte nie gedacht, dass das hier so ne nette deutsche Community ist. :)

Die Community hier ist wirklich fantastisch, ich liebe sie :) wirklich ganz tolle Menchen.
Wer weiss, ich würd mich freuen mal mit dir zu plaudern.

Hi @layahsophia, Thank you google , for google translate, I really enjoyed reading the post, and also respect and understand your archaeological ethics in regards to non-disclosure. Excellent post!!!!

Thank you for your kind words @zest. Yes it is important for me to stay fair and respecting non-disclosure agreements is basic. Thank you also for your patience regarding the language. As soon as possible I will also post in english again. Best regards!

Wow sehr interessant ich liebe es solchen Forschungen nachzugehen. Vielen Danke für das teilen das ist wirklich historisch :)

Danke dir auch für deinen netten Kommentar. (Und fürs resteemen!!) :))

Das ist hochinteressant - ich liebe auch die Wüste wenn sie blüht:-)))

Das freut mich zu sehen und interessant wars auch, auch wenn englisch nicht das Problem war :D

Ein Bäumchen, gesponsert von der #deutsch - Community ist auf dem Weg zu dir :)

Dankeschön @schlees! Das freut mich wirklich sehr. :))

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Was für eine Freude, dieses spannende Ausgrabungsgeschichte zu lesen. Da Du meinen Kindheitstraum von meinem Vorstellungspost ja nun auch kennst, weißt Du ja mittlerweile, dass ich mich Archäologie schon immer sehr fasziniert hat.
Hätte nur nicht gedacht, dass man dafür zeichnen könne muss.

Ich hatte ja immer das Thema mit dem Zahlengedächtnis.

Sag, was sind Deine archäologischen Gedanken: Sind die Pyramiden von Gizeh von Menschenhand gebaut?

Hey @swantjegebauer, man muss nicht zeichnen können, aber es ist von Vorteil. Als Archäologe braucht man viele Fähigkeiten, zu unterschiedlichen Zeiten. Wichtig ist aber vor allem, dass man gerne puzzelt und auch bei scheinbar ausweglosen Puzzeln nie die Geduld verliert. Archäologie besteht aber nur zu einem kleinen Teil aus Ausgrabung. Die meiste Arbeit findet in der Bibliothek und am Schreibtisch statt. Das ist dann oft der Moment, wo (leider) viele die Lust verlieren, was ich schade finde, denn es gibt wirklich viel zu tun.

Zu Deiner Frage, ob die Pyramiden von Menschenhand gebaut wurden. Ganz ehrliche Antwort von einer Ägyptologin, die sich lange damit beschäftigt hat: ich weiß es nicht! Rein wissenschaftlich betrachtet gibt es keine Anhaltspunkte, dass wir "ausserirdischen Besuch" hatten, aber wir können auch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie die Pyramiden entstanden sind, denn von so ziemlich allen Vorgängen im Alltag haben uns die Ägypter Zeichnungen an ihren Grabwänden hinterlassen, aus denen wir wie in Büchern lesen und die Dinge nachvollziehen können. Aber ausgerechnet bei den Pyramiden gibt es sowas nur in sehr begrenztem Umfang. Es gibt Grabbemalungen, in denen das Herausschlagen von Steinen dargestellt ist, aber inwiefern das auf den Pyramidenbau anwenbar ist, bleibt fraglich. Keiner weiß, wie man die Steine so effektiv bewegen konnte. Allerdings gibt es einen ganz spannenden "Bericht" im Grab eines altägyptischen Landes-Fürsten, bei dem der Transport einer Monumentalstatue dargestellt ist.

Weißt du was... Ich werd das Thema mal in einem meiner nächsten Beiträge aufgreifen. Vielleicht können wir dann dazu diskutieren. Danke für die Inspiration! :)

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