Selbstverteidigung in Absurdistan: Zu viel verteidigt und in den Knast? Zivilcourage wird bestraft im TäterlandsteemCreated with Sketch.

in #deutsch7 years ago (edited)

Der Einbrecher verklagt dich; Du wirst fast abgestochen und bekommst eine Anzeige wegen "übermäßiger Selbstverteidigung"; Verbrecher werden vor Gericht entlastet - Opfer belastet. Das ist Absurdistan, Germanistan, Buntland, Deutschistan.

Ich habe mich schon öfter über solche Fälle aufgeregt und mir mittlerweile auch eine Meinung bzw. Einstellung dazu gebildet. Der Anlass für diesen Beitrag war ein Post, über den ich vor Kurzem gestolpert bin. Darin heißt es:

"In Deutschland muss ein Hund grundsätzlich so gehalten werden, dass er andere nicht verletzen kann. Das gilt auch für Menschen, die das Grundstück unbefugt betreten. Beißt der Hund auf dem eigenen Grundstück einen Einbrecher, kann unter Umständen dem Eindringling Schmerzensgeld zugesprochen werden."

Quelle: Darf ein Hund den Einbrecher beißen?

Ist das nicht einer der ursprünglichen Hauptgründe, warum man sich einen Hund zulegt? So war es zumindest früher mal. Heute gelten Hunde als reine Haustiere, mit denen man kuscheln, spazieren und rumalbern kann. Die Dinge, die man einem Hund heute beibringt belaufen sich erstmal auf Sitz und Platz, und natürlich passend zum Mensch: Disziplin. Das ist nicht per se schlecht. Schließlich will man in Fußgängerzonen nicht ständig von Hunden angebellt werden. Doch scheinbar hat man mit der Züchtung von Pudeln und Chihuahuas vergessen, wozu ein Hund - der ja dem "Mythos" nach vom Wolf abstammen soll - eigentlich genutzt wird: Jagen und Beschützen.

Ich hatte mal eine Bekannte, deren Hund hat sich hinter ihr versteckt, wenn er eine Katze gesehen hat.

Folgt der Hund aber doch mal seinem Nutzen oder seinem Instinkt, kann das nach hinten losgehen. 

Die Gefahren von Bissverletzungen oder Angriffen sind hierbei nie hundertprozentig auszuschließen. Dabei kann es nicht nur zu erheblichen Sach- sondern auch schweren Personenschäden kommen. Und dies kann für den Hundehalter mitunter extrem teuer werden. Anders verhält es sich, wenn sich der Geschädigte bewusst der Gefahr einer Bissverletzung durch den Hund aussetzt, z.B. beim Einbruch in ein Haus. Diesen kann dann eine Mitschuld treffen.

Quelle: Bissverletzung durch Hunde. Hund beißt Einbrecher und andere „Hundebiss“-Urteile

Den Einbrecher trifft also an der Bissverletzung eine Mitschuld! Er ist also nicht vollverantwortlich für seine Taten und die logischen Konsequenzen. Im Folgenden mal eine Erläuterung zur juristischen Lage zum Gesetz § 833 BGB (Die Haftung des Hundehalters): 

 

2. Die Berechnung des Schmerzensgeldes bei einem Hundebiss
Die Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Hundebiss richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere:
War der Hund angeleint?
Wie genau kam es zum Biss?
Wo wurde das Opfer gebissen?
Welche Schäden hat das Opfer genau davon getragen?
Besteht eine Mitschuld des Opfers?
Die Rechtsprechung hat sich über die Jahre mehr oder weniger auf folgende Schmerzensgeldbeträge festgelegt, wobei es selbstverständlich im Einzelfall doch zu Abweichungen kommen kann:
100 bis 400 Euro
bei einem einfachen Hundebiss, der lediglich zu geringfügigen Verletzungen, ohne Infektionen oder sonstige Folgeschäden, führt. Daneben kann eine Arbeitsunfähigkeit von bis zu Tagen gegeben sein.
 
400 bis 800 Euro
bei mehreren Bisswunden, die insgesamt dennoch lediglich geringfügig und deshalb auch keine Folgeschäden zu erwarten sind. Eine Arbeitsunfähigkeit kann hier bis zu sieben Tage gegeben sein.
 
800 bis 1.200 Euro
wenn der Hundebiss zu einer sichtbaren Narbenbildung führt. Zwar ist auch ein kurzer Krankenhausaufenthalt möglich, eine Arbeitsunfähigkeit kann bis zu zwei Wochen gegeben sein.
 
1.200 bis 1.500 Euro
wenn der Hundebiss darüber hinaus ein Bewegungsdefizit, Taubheitsgefühle oder sonstige längerfristige Beeinträchtigungen nach sich zieht.
 
1.500 bis 2.000 Euro
bei einem Hundebiss, der sich infiziert und deshalb eine Operation sowie eine längere Behandlung notwendig ist. Dabei kann die Behandlungsdauer bis zu sechs Wochen liegen. Daneben kann eine deutlich sichtbare Narbenbildung sowie eine psychische Beeinträchtigung, die sich über Jahre auswirkt, ein solches Schmerzensgeld nach sich ziehen.
 
2.000 bis 3.000 Euro
bei mehreren Hundebissen, die sich infizieren und deshalb Operationen sowie ein längerer Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Darüber hinaus führt der Biss zu deutlich sichtbaren Narben. Eine Arbeitsunfähigkeit kann hier bis zu sechs Wochen gegeben sein.
 
3.000 bis 5.000 Euro
bei lebensbedrohlichen Bisswunden oder wenn besonders erhebliche psychische Beeinträchtigung die Folge sind.
 
5.000 bis über 10.000 Euro
wenn durch die lebensbedrohliche Bisswunde ein Stück Muskelfleisch herausgebissen wird und es obendrein zu einer dauerhaften Beeinträchtigung kommt. Das Schmerzensgeld kann sich aber auch bei einer Entstellung im Gesicht in diesem Spektrum bewegen.

Quelle:  Hundehaltung


Es kann also durchaus sein, dass bei dir eingebrochen wird, dein Hund den Verbrecher beißt und du danach dem Einbrecher per Gesetz und Gerichtsurteil mehr Geld zahlen musst als er an Wertgegenständen hätte tragen können. 

Wie würde sich sowas wohl in einer Privatrechtsgesellschaft (PRG) verhalten?

In einer PRG ist das Hausrecht heilig. Unerlaubtes Eindringen darf mit allen Mitteln verhindert werden. Natürlich würde es abhängig von der PRG Regeln geben, um eine gewisse Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. Doch eine PRG, die es verbietet, sich gegen Eindringlinge, die wohlgemerkt auch potentielle Mörder sind, zu schützen, hätte wohl keinen großen Zulauf. Die PRG, die ich wählen würde, erlaubt es, sich bei diesen Fällen wirklich mit allen Mitteln zu schützen. Da sind Hunde dann nicht mehr nötig. Mein Traum wäre ein Haus umgeben von Selbstschussanlagen, Kameras, Krokodile im Garten und vieles mehr. Dass es nicht den Postboten trifft, muss ich natürlich ebenfalls - irgendwie - sicherstellen.

Nun jetzt wieder ernst: Wie verhält es sich eigentlich, wenn nicht der Hund, sondern man sich selbst verteidigt?

Vor einiger Zeit habe ich mich mit Krav Maga beschäftigt (leider noch nicht selbst gelernt). Ich wollte wissen, wie genau dieser Kampfsport/Selbstverteidigungsmechanismus funktioniert. Also habe ich mir Videos angesehen. Krav Maga ist eine israelische Kampfart, die von den Soldaten dort angewandt wird, um sich zum Beispiel vor Messerangriffen zu schützen. In deutschen Videos werden viele einzelne Moves gezeigt und immer wieder wird darauf hingewiesen, dass es bis hier hin legal ist und ab hier gesetzeswidrig wird und man mit sehr harten Strafen rechnen muss. Deutsche Krav Maga-Schulen bringen deshalb nur das bei, was im absurdanistischen Rahmen ist.

Eine wesentliche Ergänzung ist zum Beispiel die Berücksichtigung mitteleuropäischer Rechtsverhältnisse. Hierbei war das Primärziel, ein gesetzeskonformes Verhalten zu gewährleisten, ohne dabei eine Einschränkung der Effektivität zu erhalten. Bereiche wie präventive Maßnahmen und Deeskalation wurden in Kombination mit effizienten Vorgehensweisen der körperlichen Gegenwehr zu einem Stufensystem gekoppelt.Damit wird gewährleistet, dass vom Bereich der verbalen Belästigung bis hin zur massiven lebensbedrohenden Gewalt Vorgehensweisen zur Verfügung stehen, welche dem Attackierten nicht nur erlauben, die körperliche Unversehrtheit aufrecht zu erhalten, sondern auch eine anschließende gerichtliche Betrachtung unbeschadet zu überstehen. 

Quelle: Krav Maga DefCon Rechtliche Aspekte


Das ist natürlich schön und gut, dass die deutschen Kampfsportschulen darauf achten, dass man in Gefahrensituationen weder stirbt noch ins Gefängnis kommt. Aber stellen wir uns solche Situationen mal real vor. Manche haben es selbst erlebt, andere vielleicht Videos gesehen, in denen Menschen praktisch wehrlos niedergeschlagen oder abgestochen wurden. Denkt man in diesen Situationen: "So kann ich mich verteidigen und...oh das darf ich nicht"? Im Angesicht von Leben und Tod, wie wichtig ist einem da der gesetzliche Rahmen? Ganz ehrlich? Es wär mir völlig scheißegal. Ich würde versuchen, mit allen Mitteln, die ich habe, aus der Situation rauszukommen, auch wenn der Angreifer dabei stirbt.

Dann könnte mich aber folgendes erwarten:

Er kam einem Mann zu Hilfe und rettete ihm eventuell das Leben. Trotzdem wurde ein 22-Jähriger jetzt zu drei Monaten und zwei Wochen Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Das berichten die "StuttgarterNachrichten". Statt um vorbildliche Zivilcourage habe es sich um fahrlässige Körperverletzung gehandelt, entschied das Gericht. Dabei hatten sowohl Verteidigerin als auch Staatsanwältin gefordert, den Mann nicht zu bestrafen. 

Was war passiert?

Im Juni 2015 wurde ein Mann aus Remseck am Neckar in der Ludwigsburger Innenstadt von Jugendlichen angegriffen. Die Gruppe war alkoholisiert. Sie schlugen ihr Opfer vor der Gaststätte Kanone nieder und verletzten es schwer. Der Angeklagte schritt ein, als das Opfer auf dem Boden lag und weitere Tritte abbekam.Er schubste die Angreifer weg, soll dabei um sich geschlagen und den Kiefer eines Jugendlichen gebrochen haben. „Aber das war nie meine Absicht. Ich wollte helfen und hatte Angst, dass der auf dem Boden stirbt, wenn die alle weiter auf ihn eintreten“, zitieren die "Stuttgarter Nachrichten" den Verurteilten. 

Quelle für beide Zitate:  Zu stark zugeschlagen? Für Zivilcourage bestraft: 22-Jähriger wegen Körperverletzung verurteilt 

In diesem Fall wurde also eine Lebensrettung - ein Fall von mutiger Zivilcourage - bestraft! Das darf man sich ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen. Der junge Mann wird daraus gelernt haben, dass er besser nicht mehr einschreitet, sondern bestenfalls die Polizei ruft, die dann - nachdem sie sich hat überzeugen lassen, dass es sich um keinen Scherz handelt - langsam eintrudelt, um die Blutspuren auf DNA des danebenliegenden Opfers zu untersuchen.

 

Was lernen wir aus diesem Beitrag? 

  • Wer nicht in den Knast will, stirbt besser
  • Zivilcourage lohnt sich nicht
  • Wir haben eine Tätergesellschaft, die Opfern aus Prinzip versucht, einen Strick zu drehen
  • Hunde sind Accessoirs
  • Krav Maga kann nicht schaden, wenn man an seinem Leben interessiert ist
Sort:  

dear Jones, ein ausgezeichneter post! wir mögen vielleicht nicht in allen themen übereinkommen, aber es gibt definitiv bereiche, wo ich ganz deiner ansicht bin. manches hat mittlerweile wirklich absurde dimensionen angenommen.

freut mich, dass er dir gefällt! Man muss ja nicht immer einer Meinung sein ;)

Ich hab mich oft gefragt was passieren würde wenn ich einen Angreifer niederschlage. Bis vor Kurzem war ich stark genug das zu tun. Als Tae-Kwon-Do und Judo Praktizierende wäre ich schon mit einem Fuß im Gefängnis. - Also versuche ich mich von Konflikt Situationen fern zu halten. Das schränkt meine Freiheit sehr ein.

Sehr traurig. Da bist du schon fähig, dich zu verteidigen und bräuchtest keine Angst haben und nun fürchtest du dich vor einer viel größeren Macht: Staat und seine gestörten Gerichte/Gesetze. Das ist verrückt und zeigt nur nochmal, wie gestört dieses Land geworden ist.

Ja, ich bin eine liberale Demokratin aber Vieles ist so unsinnig geworden.
Allein schon das Rechtsbewußtsein. Am meißten rege ich mich immer über
Uli Hoeneß auf. Kriminell bis in die Socken und ist in kürzester Zeit wieder
auf freiem Fuß. Er wird gefeiert als wäre Nichts gewesen. Was lernt der
unbedarfte Bürger: Man braucht nur genug Geld zu haben dann ist das Recht
ganz schnell auf Deiner Seite. Wer kann da noch Recht und/oder Gerechtig-
keit verstehen? Lebenslange Haftstrafen dauern10 bis 15 Jahre.
Oma umbringen, etwas chillen und Alles ist wieder gut. Unglaubliche Zeiten...

Jones, eine kleine Kritik an deinem Beitrag muss ich los werden, obwohl der Kontext es schon zeigt: Du sprichst vom "rechtlichem" Rahmen, es ist aber der "gesetzliche" Rahmen. Recht ist Naturrecht und Gesetze sind ein Herrschaftsinstrument, also sind Recht und Gesetz Gegensätze und man sollte sorgfältig darauf achten, sie nicht synonym zu nutzen. Auch gibt es niemals einen "Rechtsstaat", je mehr die Freiheit des Einzelnen durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt (geregelt!) wird, um so mehr ist jeder Staat (ohne Ausnahme) ein Unrechtsstaat. In einer PRG steht der Schutz der Unversehrtheit des Einzelnen immer in Zusammenhang mit dem Schutz des persönlichen Eigentums. Ein Verletzer muss haften, er muss deshalb unabhängig von eigenen Schäden (wer angreift, ist Schuld, da gibt es keine Mitschuld des Angegriffenen) den Schaden materiell ausgleichen, im Extremfall lebenslang. Dass Sozis ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum haben, zeigt sich, wenn sie die Macht haben, eben auch in den von Dir geschilderten Fällen.

Vielen Dank für den wichtigen Hinweis. Habs direkt geändert!

Sehr guter und treffender Beitrag! Als jahrelanger Ausbilder in SV-Sportarten hat es mich immer total gestört, dass eines der ersten Dinge, die ich den Schülern beibringen gemüsst hätte, der Notwehrparagraph war.

Notwehr ist diejenige Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf sich oder andere abzuwenden.

Da ich dies aber nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte, hatte ich das nie gelehrt und habe mich eigentlich bei jedem Training strafbar gemacht.

Was zu all dem Übel hinzukommt ist, wenn sich ein erfahrener Kampfsportler wehrt, wird er sehr wahrscheinlich eine höhere Strafe bekommen, als eine andere Person, da es Vergleichsurteile gibt, die besagen, dass wenn ein Kampfsportler seinen Sport anwenden dies der Nutzung von Waffen gleichkommt.

sorry, hab deinen comment erst jetzt entdeckt. vielen dank! das ist völlig absurd!

Kein Problem :)

Sehr guter Beitrag. In meiner Krav Maga Schule in Wien wird auch auf potentielle Notwehrüberschreitung eingegangen, aber Priorität hat das zuverlässige Aussergefechtsetzen des Angreifers (natürlich nur wenn Deeskalation oder andere Optionen ausgeschöpft sind). Im Zweifel besser von 6 verurteilt (bei Gericht) als von 6 getragen (im Sarg). Aufgrund der gegenwärtigen Unrechtsprechung kann man traurigerweise niemandem mehr raten, bei einem Angriff auf Unbekannte helfend einzugreifen. Der Staat ist in der Tat auf der Seite der Täter, vielleicht als Teil eines Konzeptes, die innere Solidarität zu zersetzen und den Widerstand gegen den Bevölkerungsaustausch weiter zu zermürben.

die strategie ist eben, jeden wehrlos zu machen. diese "renitenten", die sich anmaßen in bspw. krav maga-schulen zu gehen, müssen dann natürlich durch gesetzliche konsequenzen unfähig gemacht werden. nicht, dass die noch auf die idee kommen, einen des wilden neo-adels zu verwunden. das wäre ein skandal!

So ist es. Immerhin haben diese Schulen regen Zulauf (zumindest die, wo ich hingehe).

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