@meins0815 und die gutsituierte Alte, Teil 8

Der Anfang der Geschichte zum Nachlesen:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7

Der Graf hatte mal wieder gut geträumt und sich im Schlafe bereits auf dem Schloß derer zu Walshausen gewähnt. Ganz wunderbar eingerichtet war das fremde Schloß in seinen Träumen, voller netter Leute, die angenehme Themen besprachen, die Diener waren unheimlich zuvorkommend und das Essen - einfach unübertroffen. Nie hatte er so genußvoll Wein getrunken und so guten Rehschinken gekostet ...

... und deshalb das Erwachen dann erstmal ein Schock! Wie war er in diesen Stall gekommen? Warum leckte ihm eine Ziege das Gesicht? Wo war sein Bett? Und warum hatte er solche Kopfschmerzen?

Er blinzelte, stützte sich etwas auf, was die Ziege etwas von ihm wegtrieb und rieb sich die Augen, denn das Sonnenlicht, das von irgendwoher in den Stall schien, war doch ziemlich hell. Erst nach und nach konnte er Konturen erkennen: die Wand des Stalles, die Wand der Scheune, den Heuschober mit der Leiter ...

Die Ziege war inzwischen wieder näher gekommen und nestelte an seinem Janker. "Laß das!", sagte der Graf eine Spur zu laut und die Ziege sprang meckernd fort.
Der Graf stand schwankend auf, klopfte sich den Stalldreck von der Kleidung, sofern das möglich war (denn er mußte sich dabei auch noch abstützen, der Schwindel war wieder stärker geworden) und schließlich wurde Alwin, der gerade die Pferde versorgte, zufällig auf ihn aufmerksam.

"Oh, Herr Graf, Sie sind wach!" stellte er überrascht fest. Hatten sie sich in der Dosis geirrt? Sie wollten doch den schlafenden Grafen wieder in die Kutsche setzen, bevor er etwas merkte ...

"Eine Ziege hat mich geweckt, Kutscher! Eine Ziege! Offenbar habe ich ihren Stall geteilt heute Nacht!"
Der Graf rieb sich die Stirn mit einem Tuch ab, denn er schwitzte jetzt auch noch.

'Eine Ziege?', überlegte Alwin. Niemand hatte etwas von einer Ziege erzählt. Und da Alwin nur Kutscher war und kein Pferdeknecht, wußte er nicht, daß man nach Möglichkeit immer eine Ziege mit Pferden zusammenhielt, um Parasiten und böse Geister abzuhalten.
Jeremias hatte sich zwar gestern abend im Stillen gewundert, daß keine Ziege zu sehen war, aber das für sich behalten. Vielleicht waren hier die Gebräuche anders. Und der Junge vom Hof hatte ja auch nichts erzählt ...

Alwin schwante jetzt jedenfalls nichts gutes und er verließ, so schnell es die Höflichkeit gebat, mit dem gerade aufgezäumten Pferd die Scheune, um sich mit den beiden anderen zu besprechen. Die Bauersleute hatten dem Trio ein reichliches Frühstück hergerichtet, die Vorräte waren auch wieder aufgefüllt. Sie hätten in einer Viertelstunde den schlafenden Grafen zur Kutsche geführt und in selbige gesetzt, um den Hof zu verlassen, ohne daß er sich an etwas erinnern würde.

Überhaupt, wie hatte denn eine Ziege in den Verschlag hineinkommen können, den sie von außen verschlossen hatten? (Nun, sie hatte den eigenen Kopf und ihre Zähne einfach dazu benutzt, den Riegel beiseite zu schieben. Das hatte sie sich selbst beigebracht.)

War jetzt die ganze Unternehmung im Eimer?

Alwin ging grübelnd vor der Scheune auf und ab, Bastian konnte ihm seine Verzweiflung nicht nehmen und Jeremias? Jeremias saß eh noch bei den Bauersleuten, hörte sich ihre Geschichten an und futterte ihnen die Speisekammer leer.

In diesem Moment trat der Graf aus der Scheune heraus. Irgendwie hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden. Alwin und Bastian starrten ihn mit großen Augen und offenen Mündern an.

"Na, was haltet Ihr da Maulaffen feil?" fragte der Graf etwas erzürnt. "Ich weiß nicht, wo wir sind und wieso wir hier sind, aber ich würde diesen Ort jetzt gern verlassen!"
An seiner Hose klebte immer noch Stalldreck und in seinen Haaren etwas Stroh.

"Hol Jeremias", zischte Alwin Bastian zu, bevor er sich dem Grafen zuwand.
"Es tut mir leid, lieber Graf. Wir hatten uns letzte Nacht verirrt und ein Junge aus der Gegend hat uns zu diesem Stall geführt. Die Pferde, ach, wir alle, brauchten die Nachtruhe. Deshalb haben wir in der Scheune genächtigt."
"Sie hatten mir ein Bett versprochen, Kutscher Alwin! Ich werde Ihnen die Kosten für die Reinigung der Hose vom Lohn abziehen! Und nun bringen Sie mir bitte frische Kleidung und etwas Wasser zum Waschen!"

Zum Glück war Bastian etwas vorausschauend und brachte bereits einen Krug Wasser und ein großes Tuch herbei. Jeremias, der noch den Mundwinkel voller Marmelade hatte, mußte in den Koffern des Grafen nach einem frischen sauberen Gewand suchen. Schließlich hatte er eine Hose, einen Janker und ein frisches Hemd gefunden. Der Graf hatte sich zwischenzeitlich hinter der Scheune entkleidet, etwas gewaschen und abgetrocknet. Im Stillen schwor er sich, daß alle drei ihren Lohn gekürzt bekommen würden. Denn offenbar hatten sie im Gegensatz zu ihm eine saubere Bettstatt und eine gute Mahlzeit genießen können.

Immer noch erbost, aber wenigstens frisch bekleidet, stieg der Graf in die Kutsche und befahl den Aufbruch.

Fortsetzung folgt ...