Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 23v100

in #deutsch7 years ago

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

Zur vorangegangenen Passage geht es hier.

Hegels Beitrag zum Postmodernismus

Hegels historische Leistung besteht darin, dass er für die Metaphysik des 19. Jahrhunderts vier Thesen institutionalisiert hat:

  1. Die Realität ist eine gänzlich subjektive Kreation.
  2. Vernunft und Realität enthalten Widersprüche.
  3. Da die Realität sich widersprüchlich entwickelt, existiert die Wahrheit nur relativ zu Ort und Zeit.
  4. Das Kollektiv und nicht das Individumm ist die bestimmende Einheit.

Der Einfluss Hegels auf die Metaphysik war und ist bedeutend. Vor allem hinsichtlich der zweiten These brach unter den Metaphysikern eine heftige Debatte aus. Ist dieser Zusammenprall der Widersprüche am Ende fortschrittlich, wie es Hegel darstellte - oder hat sich Hegel willig dem völlig irrationalen Chaos hingegeben, für das Schopenhauer die Realität hielt? Fand der ontologische, also der dem Sein inhärente Zusammenprall der Widersprüche nun auf ideeller Ebene statt wie Hegel meinte - oder spielt sich dieser auf materieller Ebene ab wie Marx es vertrat? Handelte es sich dabei um einen Prozess der völligen Kollektivierung wie Hegel es verstand - oder gab es individualistische Elemente in disem insgesamt kollektivistischen Rahmen, wie Nietzsche annahm?

Worin auch immer die Streitpunkte lagen, von nun an waren die metaphysischen Themen von Zusammenprall und Konflikt, die Relativität der Wahrheit, die Begrenztheit und Konstruierbarkeit der Vernunft und des Kollektivismus dominant. Und trotz aller Differenzen mit Hegel übernahmen die Postmodernisten alle vier seiner Thesen.

Epistemologische Lösungen für Kant: Irrationalismus von Kierkegaard bis Nietzsche

Kantianer und Hegelianer repräsentieren den vernunftsfreundlichen Flügel der deutschen Philosophie des 19. Jahrhunderts. Während die Hegelianer nach metaphysischen Wegen suchten, um Kants unumgängliche Lücke zwischen Subjekt und Objekt zu füllen und dabei die Vernunft in etwas verwandelten, die nichts mehr mit der Vernunft der Aufklärung zu tun hatte, bekamen sie Konkurrenz von einem sich explizit als irrational verstehenden Flügel der deutschen Philosophie. Diese Entwicklungslinie beinhaltete so bekannte Figuren wie Friedrich Schleiermacher, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, sowie Dänemarks einziger Beitrag zur Geschichte der modernen Philosophie, Sören Kierkegaard.

Die Irrationalisten stritten sich intern darum, ob Religion wahr ist - Schleiermacher und Kierkegaard waren beide gläubig, während Schopenhauer und Nietzsche Ateisten waren - aber sie alle teilten ihre Abneigung für die Vernunft. Alle verurteilten die Vernunft dafür, dass sie völlig künstlich und begrenzt ist, und sie jeder aufgeben muss, der sich auf die mutigen Suche nach Realität machen will. Kant mag den Zugang zur Realität verboten haben - aber zeigte letztlich doch nur, dass uns die Vernunft nicht dorthin bringen kann. Damit öffnete er uns andere Türen zur Erkenntnis: Glauben, Gefühle und Instinkt.

Schleiermacher (1768-1834) stammte aus der Ära der von Kant dominierten intellektuellen Szene und er verstand Kants Hinweis, wie Religion auf die Bedrohung durch die Aufklärung reagieren kann. Intellektuell war er vor allem ab 1799 aktiv, als er Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern veröffentlichte und damit hauptverantwortlich war für das erneute Aufkommen des Pietismus und des orthodoxen Protestantismus im Laufe der nächsten Generation. Schleiermachers Einfluss war so groß, dass es, wie der Theologe Richard Niebuhr meinte, "gerechtfertigt wäre, ihn als der Kant des modernen Protestantismus zu bezeichnen."

Als jemand, der sich im Deutschland der 1790ern einen Namen machte war Schleiermacher allgemein ein Kantianer in seinem Ansatz und unterstützte auch dessen Position, wonach die Vernunft nicht zur Realität durchdringen kann, voll und ganz. Wie auch Kant fühlte sich Schleiermacher zutiefst beleidigt vom Angriff der Vernunft, der Wissenschaft und des Naturalismus auf das wahre Glauben. Er stimmte Hamann zu, dass Gefühle und hier vor allem religiöse Gefühle ein eigener Bewusstseinszustand sind, die einem Zugang zur Geistesrealität geben. Nur, dass diese Gefühle laut Schleiermacher weniger nach außen, sondern vor allem nach innen gerichtet sind. Auf diese noumenale Geistesrealität lässt sich nicht direkt zugreifen, allerdings kann jeder in phenomenologischer Weise in sich hinein hören und seine innersten Gefühle erkennen und darüber in indirekter Weise die göttliche Perfektion erahnen. Hamann meinte dazu, dass einen die direkte Auseinandersetzung mit religiösen Gefühlen die eigene wahre Natur erkennen lässt.

Fortsetzung folgt morgen

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