Insel der Kühe

in #deutsch4 years ago (edited)
Die Ile a Vache - was soviel wie Kuhinsel bedeutet - erhielt ihren Namen von den Spaniern, die Anfang 1500 ihre Kühe auf der Insel zurück liessen, um in Mexiko nach dem Gold der Azteken zu suchen. Ohne nennenswerte Raubtiere auf der Insel vermehrten sich diese Kühe auf der Insel, so dass sie 100 Jahre später von den Freibeutern gefunden wurden. Sie grillten dieses Fleisch, das "Boucan" genannt wurde, und so entstand letztendlich der Bukanier (Buccaneer).

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Wie die Situation auf den kleineren Inseln im Umkreis war konnte niemand so genau sagen aber auf Ile a Vache hatten alle überlebt. Sie hatten sich alle in eine solide gemauerte Kirche gezwängt welche vor ein paar Jahren von amerikanischen Missionaren dort erbaut wurde. Diese Kirche war im Hurrikan eines der wenigen Gebäude welches der Naturgewalt trotzen konnte. Dennoch konnten die meisten nur ihr nacktes Leben und das wenige was sie gerade bei sich trugen retten.

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Ein junger Kerl kam in den Überresten eines Jetskis angepaddelt und stellte sich höflich, in überraschend gutem englisch, bei uns vor. Er sei Villem, der Hafenmeister und er freue sich sehr uns zu sehen. Er sagte, die drei Bürgermeister der jeweiligen Distrikte seien alle zusammen gekommen um uns zu empfangen und wir sollten zum Dorfplatz kommen wann immer wir bereit dafür wären. Wir sprachen uns per Funk mit der Tandemeer ab und gingen mit beiden Crews gemeinsam an Land. Das ganze Dorf hatte sich versammelt und wir wurden neugierig bei jedem Schritt beobachtet. Ich versuchte umständlich das Beiboot mit einem Kabel an einem Palmenstumpf zu sichern als Villem lachend auf uns zu schlenderte; „Das braucht ihr hier nicht Freunde, hier seid ihr sicher.“ Dennoch winkte er zwei eher zu groß geratene Kollegen ran um auf unsere Beiboote aufzupassen. Wir wurden in ein angrenzendes Gebäude gebracht und von mehreren fein gekleideten Leuten herzlichst empfangen.

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Es standen ein paar Stühle bereit und uns wurde sogar ein kaltes Begrüßungsbier gereicht. Auch wenn sie kein Trinkwasser mehr hatten, ein paar Kisten Bier hatten den Sturm offenbar unversehrt überstanden. Die drei Bürgermeister hielten eine kurze, aber feierliche Ansprache in Creole welche von einem Dolmetscher für uns ins Englische übersetzt wurde. Sie übermittelten uns ihre Dankbarkeit und ihre Hochachtung, dass wir trotz aller Vorurteile diese gefährliche Reise auf uns genommen hatten um ihnen zu helfen. Sie freuten sich das wir nun hier waren, sicherten uns zu das wir nichts zu befürchten hätten und sie sagten dass sie sich eine lang anhaltende Freundschaft und Zusammenarbeit mit uns wünschten.

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Das Gebäude in dem wir waren war so eine Art örtliches Gemeindezentrum. Hier lagerten sie ihre Vorräte oder was davon übrig geblieben war und gemeinschaftlich genutzte Dinge wie Kettensägen Laptops und Generatoren. Wir sollten unsere Ladung von beiden Schiffen zunächst hierher verbringen damit auch keiner auf dumme Gedanken kommen würde. Es sei besser für unsere eigene Sicherheit wenn die Boote entladen sind, sagten sie. Gut das war einleuchtend, dennoch baten wir darum bei der jeweiligen Verteilung an die betroffenen Familien anwesend sein zu dürfen. Wir wollten sicherstellen dass die Ladung nicht mit dem nächsten Boot ans Festland verschifft und verkauft wird. Dem Wunsch wurde jedoch statt gegeben und wir bekamen eine prima Gelegenheit die Bevölkerung und ihre Situation besser kennen zu lernen.

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Ich war mir nicht so sicher ob wir hier richtig waren. Klar waren sie freundlich und wurden hart getroffen und so weiter, aber ich hatte das Gefühl das es Orte gab wo wir dringender gebraucht wurden. Joanna überzeugte mich aber davon vor Ile a Vache zu bleiben. Hier war noch niemand ums Leben gekommen, aber es gab kein sauberes Trinkwasser mehr, keine medizinische Versorgung und kaum etwas zu essen. Hier konnten wir etwas bewirken. Auf der Insel waren knapp 2000 Menschen und wir hatten den Schutz der Gemeinde. Am Festland konnten wir kaum etwas ausrichten und wären ein leichtes Opfer, aber hier auf den vorgelagerten Inseln musste schnell gehandelt werden. Es gab immer noch dutzende von Verletzten die teilweise mit schweren Entzündungen kämpften.

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Der Hurrikan hatte der Insel schwer zugesetzt und kaum etwas verschont. Dennoch waren die Einheimischen sehr stolz auf ihre kleine Welt. Sie beteuerten immer wieder das die Ile a Vache nicht wie Haiti sei und wie sehr sie schon vor dem Sturm unter der Regierung am Festland zu leiden hatten. Sie bestanden darauf, uns zunächst herum zu führen und ihre einst so schöne Insel zu zeigen.

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Straßen gab es nicht und somit auch keine Autos. Nur ein paar Trampelpfade verbanden die kleinen Ortschaften. Es war nicht sehr weit bis zum Nachbarort Madame Bernard . Dort gab es einen kleinen Markt auf dem Normalerweise die Waren vom Festland verkauft wurden. Das waren in erster Linie Gemüse, Reis, Bohnen und andere Nahrungsmittel sowie Generatoren oder Kleinkind Utensilien und allgemein Kleidung für jedes Alter. Hier kam seit dem Hurrikan jedoch keine Lieferungen mehr an. Am Dorfrand befand sich ein Waisenhaus und ein Hospital. Beides eher kahle und trostlos wirkende Betongebäude. Kranke und Behinderte tummelten sich am Boden teilweise mit dreckigen Bandagen verbunden. Es gab nur wenige Betten und kaum sonstiges Inventar. Ein paar Tische und Stühle und ein Aktenschrank waren eigentlich schon alles. Sister Flora und Mitarbeiter der irischen Hilfsorganisation Heaven die den Sturm auf der Insel durch gemacht hatten, kümmerten sich soweit sie konnten, aber auch ihnen gingen nun die Mittel aus.

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Wir hatten auf Bamba Maru kistenweise Verbandsmaterial, Antibiotika, Hygienepackungen, Überlebens- und Babynahrung Sets dabei und beschlossen mit dem Schiff direkt nach Madame Bernard zu segeln um den Medizinischen Teil der Ladung und den angehenden Arzt gleich beim Hospital abzuladen. Anschließend segelten wir zusammen mit der Tandemeer weiter zu den abgelegenen Inseln zwischen dem Festland und der Ile a Vache. Als wir in Sichtweite der Insel Ile Permantois kamen, liefen die Menschen bereits mit Kanistern und Flaschen an den Strand. Sie winkten uns aufgeregt zu und riefen "aqua-aqua". Wir warfen den Anker und holten ihre Behälter mit dem Beiboot ab. An Bord pumpten wir unsere beiden Wassertanks in ihre Kanister und brachten den Leuten Planen, Werkzeuge und Nahrungsmittel. Die Insel war kaum grösser als ein Fußballfeld, aber es lebten bis zu 70 Menschen dort. Ein massiver Mangobaum war umgestürzt und sein Wurzelwerk wurde notdürftig mit Stöcken und Planen abgedeckt. Da drin wohnte nun eine sechsköpfige Familie. Wie sie es geschafft hatten diesen Sturm zu überleben war mir ein Rätsel.

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Sie erzählten uns dass sie in erster Linie vom Fischfang lebten und für Trinkwasser immer mit ihren ausgehöhlten Mangobäumen zur Ile a Vache segelten. Die Brunnen der Nachbarinsel waren nun aber verseucht und es gab kein sauberes Wasser mehr. Wir versprachen die Insel nun regelmäßig anzusteuern und ihnen Trinkwasser mit zu bringen. Sie waren trotz ihrer offensichtlichen Armut sehr Gastfreundlich und zeigten uns gerne wie sie lebten. Ihre kleinen Hütten aus Bananenblättern, Schilf und Bambus wurden alle vom Sturm zerstört. Ein paar wenige waren wieder notdürftig zusammen gebastelt aber das Baumaterial Palmblätter war weitgehend verschwunden. Sie verwerteten alles was aus dem Meer angespült wurde. Selbst die Segel ihrer Boote waren aus angeschwemmten Säcken, Folien oder Planen.

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Ein alter Mann saß mit seinem Fischernetz im Schatten einer der Hütten und winkte uns zu sich. Er war neugierig und wollte wissen woher wir kamen und fragte ob das Meer bei uns zu Hause genauso schön sei wie hier. Wir winkten ab und sagten dass wir kein Meer hätten dort wo wir her kommen. Er zog die Augenbrauen hoch und knüpfte weiter an seinem Netz. Nach einer Weile fuhr er fort. Dann habt ihr auch keine Sonne dort wo ihr her kommt? Verwirrt fragten wir warum wir denn keine Sonne haben sollten. Er sagte dass die Sonne jeden Morgen aus dem Meer auftaucht und abends wieder im Meer verschwindet. Wenn wir also kein Meer hätten, dann könnte ja niemals die Sonne aufgehen.

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Im nächsten Beitrag folgen wir den Spuren von Sir Henry Morgan und seinen Piraten.



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hammer post.....
wünsche euch alles alles liebe

vielen Dank @feuerelfe das wünschen wir dir auch. Besonders mit dem angekündigten Besuch bei euch. Ich weiss ja nicht was gefährlicher ist - eine Insel voller "Wilder" oder ein Kreuzfahrtschiff voll mit Zvilisierten ;-)

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