Der Mythos vom Reichsein // The wealth myth

in #deutsch7 years ago (edited)

Ich habe gerade eine Woche in den neuen Bundesländern verbracht. Obwohl es nur ein „kleiner Hüpfer“ war, habe ich eine Perspektive hinzugewonnen und konnte einen neuen Blick auf die Themen werfen, die mich bewegen. Und wie der Titel schon verrät, habe ich in dieser Zeit viel über das Thema Wohlstand nachgedacht. Mein vorläufiger Schluss lautet, dass Reichtum ein Mythos ist.

Fangen wir mal bei jemandem an, der sich vermutlich gut mit dem Thema auskennt: Napoleon Hill. Er war in der Lehre bei Andrew Carnegie und hat durch ihn die Macht des positiven Denkens kennengelernt.

Ich habe sein Buch „Erfolg durch positives Denken“ [1], das er zusammen mit W. Clement Stone geschrieben hat, aufmerksam gelesen. Besonders die Kapitel 9 („Wie man sich selbst anspornt.“) und Kapitel 10 („Wie man andere anspornt.“).

Einer der Tipps von Napoleon Hill lautet, durch semantische Arbeit am Begriff ‚Begeisterung‘ tatsächliche Begeisterung für die Dinge zu entwickeln, die man im Leben verwirklichen möchte.

„Um begeistert zu sein, HANDLE begeistert!“ [2]

I just spent one week in former Eastern Germany. Although it was just a short hop, I gained a perspective and started to view some topics that are concerning me in another light. The title is already revealing, that I thought about wealth a lot during this time. My temporary conclusion is, that wealth is a myth.



Let’s begin with someone, who presumingly knows a thing or two about this topic: Napoleon Hill. He was apprenticed to Andrew Carnegie and learned about the power of positive thinking by him.

I read his book „ Success through a positive mental attitude.” very carefully. Especially chapter 9 („How to enliven yourself”) and chapter 10 (“How to enliven others”).


One of Napoleon Hill’s tips states, that one should develop a true enthusiasm for the things one wants to accomplish in life through semantically working with the term ‚enthusiasm‘.

In order to be enthusiastic, ACT enthusiastically. [2]

Das funktioniert mit vielen Wünschen, wie der Gesundheit, sehr gut. Wenn man gesund sein möchte, verhält man sich einfach wie jemand, der gesund ist. Umgekehrt funktioniert es übrigens genauso. Eine mehr oder weniger einfache Übung im Manifestieren.

Es funktioniert vermutlich deswegen so gut, weil die meisten irgendwann in ihrem Leben gesund waren und sich daher auch etwas unter dem Zustand der Gesundheit vorstellen können.

Doch was ist, wenn man einen Zustand verwirklichen möchte, mit dem man bisher noch wenig Erfahrung hat? Etwa reich zu sein? Wer einen Zustand verwirklichen möchte, den er bisher noch nicht erlebt hat, oder für den er noch keine Vorstellungskraft besitzt, muss kreativ werden.

Das war eine große Herausforderung für mich und ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich sie gemeistert habe. Aber ich denke, ich habe schon ein gutes Stück des Weges, der vor mir liegt, zurückgelegt. Ich habe über den Begriff des Reichseins regelrecht gebrütet. Vermutlich kam mir dabei auch mein Philosophiestudium zugute. Hegels Wissenschaft der Logik [3] ist eine einzige Arbeit am Begriff, schließlich mündet sie in eine Begriffslogik.

Natürlich wurde mir schnell klar, dass es unmöglich ist, durch die reine Kraft der Gedanken Geld aus dem Nichts zu erschaffen. So logisch es ist, so sehr ist es auch ein Dilemma. Bei Begriffen wie diesem, muss man einen kleinen Umweg gehen. Man muss sich vorstellen, man hätte sein Vorhaben schon verwirklicht.

Ich stellte mir also vor, wie es wäre, reich zu sein. Das war schon mal eine Herausforderung für sich. Denn je mehr ich mich in das Reichsein hineinversetzte, desto mehr drückte es mich an den Rand der Verzweiflung und in den Gegenbegriff, das Armsein, oder besser gesagt: den Mangel. Den kannte ich.

This is working well with a lot of wishes, like being healthy. If you want to be healthy, you just act like someone who is healthy. It does work the other way around as well by the way. A more or less simple exercise in manifestation.



Presumably because most people have at one point in their life been healthy. Therefore they are able to imagine what the state of being healthy is like.

But what if you would like to manifest a state you have no experience in so far? Like being rich for example? If you want to manifest a state you did not experience so far, or you have trouble imagining, you have to become creative.

This has been a big challenge for me and I can not truely claim, that I mastered it. But I think that a part of the journey that once lay before me, I did already overcome. I virtually pored over the notion of ‘being wealthy’. I presumingly profited by my master in philosophy on doing so. Hegel’s Science of Logic [3] is solely a piece of work on the notion itself, at least it concludes in a logic or: doctrine of the notion.


Of course I figured out very fast, that it is impossible to manifest money out of nothing solely by the power of one’s mind. As logically as it may seems, it is also a dilemma. You have to work around with notions like these. You have to imagine, you already accomplished your goal.

I imagined what it would be like beeing rich then. That was a challenge in itself for me. Because the more I tried to put myself in the position of being rich, the more I got pressed towards the edge of desperation and towards the opposite notion: being poor, or rather deficit. That I knew.


Ich war auf einer heißen Spur, aber noch nicht am Ziel. An dieser Stelle musste ich nur noch herausfinden, was das Gegenteil des Mangels ist und das ist natürlich die Zufriedenheit. Doch die Vorstellungskraft, die ich brauchte, um den Zustand der Zufriedenheit zu manifestieren, fehlte mir noch immer. Ich googelte (ja, wirklich!) die Definition von Zufriedenheit und erhielt diese:

Zufriedenheit bedeutet, voller Genugtuung und ohne jegliche Beanstandung angesichts eines Umstands oder einer Tatsache zu sein.

Diese Definition ist seitdem sehr präsent in meinem Leben und je mehr ich über sie nachdenke, desto mehr verändert sich mein Blick auf meine Umwelt. Ich habe sehr schnell erkannt, dass alles, was wir zum Leben brauchen, bereits vorhanden ist. Am deutlichsten sichtbar wird mir das, wenn ich mich in einem Supermarkt befinde.

Irgendwo zwischen all‘ den Paletten voller Fertigprodukte erkennt vermutlich auch der Letzte, dass, zumindest in der Theorie, niemand einen Mangel zu leiden braucht. Was von dieser Fülle wir wirklich unser Eigen nennen dürfen, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber die Gewissheit darüber, dass es so viel gibt, schwappt ganz automatisch in eine Zufriedenheit über, die eine enorme Kraft freisetzt.

I found a hot trail, but wasn’t finished yet. I had yet to discover, what the exact opposite of deficit is and this is of course: satisfaction. But I still lacked the imagination I needed in order to manifest the state of satisfaction. I googled (I truly did!) the definition of satisfaction and got this one:



Satisfaction means, beeing full of gratification and without any complaint in view of a certain circumstance or matter.

This definition is since very present in my personal life and the more I think about it, the more my view on my environment is changing. I discovered very quickly, that everything we would need in our life is already present. In my view in the supermarket it is more visible than anywhere else.


Somewhere between the many pallettes full of convenience products it should be clear for all to see, that, at least in theory, no one needs to suffer a deficit. Of course it is still questionable how much of all the wealth will one day be our own. But knowing, that there is so much, converts into a kind of satisfaction that sets free enormous power.


Ich empfehle daher jedem, sich mit offenen Augen in eine solche Umgebung zu begeben, dieses eine Mal bewusst nichts zu kaufen und zu sehen, wie es einem damit geht. Nicht in den Supermarkt um die Ecke, sondern am besten in den Groß- und Einzelhandel.

Eine weitere Möglichkeit, ein Gefühl der Zufriedenheit zu kultivieren, ist, sich jeden Abend bewusst für drei Dinge zu bedanken, die an dem Tag passiert sind ("Ich bin dankbar dafür dass,..." oder "Ich freue mich darüber dass, ...").

Der eine oder andere hat vermutlich schon bemerkt, dass hier eine Dialektik am Werk ist, der sich im Grunde niemand so einfach entziehen kann. Die Zufriedenheit schlägt immer mal wieder in ihren Gegenspieler, den Mangel um. Der Zustand der Fülle, der Zufriedenheit bzw. der Begriff des Reichseins sind sehr abstrakt und vage. Es ist sehr fraglich, ob wir sie jemals absolut erreichen können.

Doch das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Mich spornt das manchmal dazu an, meinen Blick wieder zu schärfen und darüber zu reflektieren, warum sich meine Gedanken wieder im Mangel verfangen haben. Ich weiß ja inzwischen aus eigener Erfahrung, dass es auch etwas anderes gibt und kann, wann immer ich möchte, dorthin zurückgehen. Ich muss es nur wollen.

Therefore I‘m suggesting everyone to resort in such an environment with an open mind and, not buying something this time, and to just be curious about how it is affecting one’s self. Not the supermarket around the corner, but better a big retail store.

Another approach in order to cultivate a feeling of satisfaction, is to consciously be thankfull for three things that happened during the day while preparing to sleep (“I am thankfull for …” or “I am glad about …”).

Some people might have noticed, that there is a dialectic at work here, actually no one can withdraw from very easily. The satisfaction is reverting into its opponent: deficit once in a while. The state of being wealthy, satisfaction or the notion of being rich are very abstract and vage. It’s very questionable whether we will absolutely accomplish them.


But this doesn’t need to be someting bad necessarily. It enlivens me to sharpen my view and to question myself on why my thoughts are caught in a state of deficit again. Meanwhile I know through my own experience, that there is something else beside that and I can go back to that whenever I want to. I just have to be willing.

Ich hab' diesen Beitrag in meiner Heimatstadt geschrieben, wo ich meine Familie und eine wirklich sehr gute Freundin besucht habe, die ich kenne, seit ich 10 Jahre alt bin. // I wrote this article in my home town, where I visited my family and a genuinly good friend of mine I know since I am 10 years old.


Textquellen // Text sources

[1] Napoleon Hill, W. Clement Stone: Erfolg durch positives Denken, Genf 1970 (Ramòn F. Keller Verlag)
(Original: Success through a positive mental attitude, N.Y., USA 1960)
[2] Ebd.: 153.
[3] Textkritische Edition im Meiner-Verlag mit besonderer Orthographie und Interpunktion: Bd. 11 Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik (1812/13). Hrsg. von Friedrich Hogemann und Walter Jaeschke, Hamburg 1978.
Science of Logic, tr. W. H. Johnston and L. G. Struthers, 2 vols., 1929; tr. A. V. Miller, 1969; tr. George di Giovanni, 2010

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Reich sein ist per se nichts schlechtes. Es kommt immer darauf an, was man damit macht. Reichtum sollte kein Selbstzweck sein, sondern das Potenzial sein, um Dinge verwirklichen zu können, die ohne Vermögen nicht möglich sind.

Früher habe ich wirklich immer etwas auf reiche Menschen herabgeblickt, vermutlich weil ich im Mangel war. Aber du hast recht, Geld, und auch Geld zu haben, sind nicht per se etwas Gutes oder Schlechtes.

Wohlstand ist für jeden vermutlich etwas anderes. Für mich ist wahrer Wohlstand, wenn ich (nur) noch das tun kann, worauf ich Bock habe.

Das geht mir ähnlich. Aber meine Intuition ist: So kann man nur denken, wenn man das Gefühl der Knappheit überwunden hat. Und wer kann das schon zu 100 %?

Ceterum censeo, dass ein Profilbild dir gut stünde :)

Wenn ich mich entscheiden könnte: Geld oder kein Geld. Ich würde immer das Geld nehmen. Danach habe ich immer noch alle anderen Optionen offen - es verschenken, es verprassen, es vermehren, es in meinem Sinne sinnvoll nutzen. Geld stinkt nicht.

Ich finde, wirklich frei ist man nur, wenn man kein (zusätzliches) Geld braucht und auch in der Lage ist, gewissen physischen Annehmlichkeiten zu entsagen, die man sich eigentlich gönnen könnte, obwohl man Geld besitzt. Für mich, aber das ist jetzt wirklich nur mein persönliches Empfinden, steckt eine gewisse Heiligkeit, eine Reinheit, darin. Vor Kurzem habe ich "Searching for sugar man" gesehen (Den Film kann man z.B. bei Netflix sehen) und war begeistert, wie der Protagonist Rodriguez mit Geld umgegangen ist. Er hat plötzlich eines Tages mehr Geld gehabt, als er, zur Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards, eigentlich gebraucht hätte und hat nichts geändert, sondern das Geld seinen Töchtern und Freunden gegeben. Dieser Umgang mit Geld ist gesund und natürlich und fühlt sich für mich einfach richtig an.

Ich muss auch immer wieder darüber nachdenken, wie wir mit Geld, Zins und Zineszins von den Banken gegängelt werden. Auch wenn es destruktiv scheinen mag, ich tendiere eher dazu, sich nicht zu verschulden, um z.B. ein Haus oder etwas anderes Großes anzuschaffen, denn wer sich einmal mit den Banken einlässt, läuft Gefahr übervorteilt zu werden. Wir haben ja in der Immobilienkrise gesehen, wie das in den USA ablief. Die Gefahr ist immer da, man sollte sich niemals von alzu guten Angeboten oder der momentan vielleicht guten Wirtschaftslage blenden lassen, sondern immer realistisch bleiben. Wenn, dann würde ich auf echte, bleibende Werte setzen, aber nicht auf ein Versprechen.

Mein Wort zum Samstag :)

schuldenfrei und auf echte Werte setzend: Da kann man wenig falsch machen, denke ich ...

Noch ein interessantes Zitat, auf das ich gerade gestoßen bin: "Finanzielle Freiheit ist am leichtesten zu erreichen, wenn du nicht viel brauchst... Der Verzicht macht frei. Wenn du bewusst auf Dinge verzichten kannst... und ein einfaches Leben führst, dann wird dein Leben auch soviel einfacher." (Christian Bischoff)

Ja, hört sich super an, ist ja auch jedem unbenommen. Aber nicht viel brauchen und nicht viel haben sind eben zwei unterschiedliche Sachen. Für mich ist die Sache supereinfach, aber ich bin halt auch ein maskuliner Proll: Jeder will soviel Kohle wie möglich. Jedem, der mir was anderes erzählt, glaube ich kein Wort.

Ob das einen "glücklich" macht oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Im Allgemeinen philosophieren diejenigen darüber, dass man gar kein Geld braucht und überhaupt nur ganz wenig, um glücklich zu sein, die genug haben. Diejenigen, die nicht genug haben, mögen sich für die Reinheit dieses Denkens begeistern, wenn sie sich einer gewissen intellektuellen Schicht zugehörig fühlen. Aber auch sie wollen genauso wie alle anderen: mehr Geld (bzw. Währung).

Denn Geld ist Freiheit. Wie man die Freiheit nutzt, ist was anderes. Aber man hat sie.

:-)

Exzellent, Danke für diesen schönen Beitrag. Die Methoden und Zitate und dein dich Bewegen im Experiment konnte ich sehr gut mitgehen! Mich treibt dieses Thema auch um. Die kleinen Hilfestellungen für den Alltag finde ich überaus nützlich und man bräuchte dann vielleicht noch einen Anker dafür, damit mans nicht vergisst! Früher nannten die Leute sowas "beten". Ist ja verpönnt, heutzutage, leider. Und wenn s zum leeren automatischen Ritual verkommt, auch nicht so gut. Aber: besser als nix.
Schön, ich freue mich über deinen tollen Content!

Hallo Erika,

ich freue mich immer sehr über deine Kommentare. Bitte verzeih, dass ich auf dieses so spät antworte, da ich z.Z. sehr beschäftigt bin. Ja, die beschriebenen Rituale fühlen sich tatsächlich etwas nach Beten an, wobei sie eigentlich keinen religiösen Bezug haben. Es geht vor allem darum, in sich hineinzuspüren, um herauszufinden "was man wirklich möchte" bzw. was Reichtum für einen persönlich ist. Es geht auch darum, einen weitestgehend "echten" Weltbezug herzustellen, also sich selbst mit der Umwelt zu koppeln und "dem großen Ganzen" zu verbinden, aber auf eine zwanglose Weise, die nichts mit starren Regeln und Vorgaben zu tun hat.

Ich hatte in den letzten Tagen Gelegenheit über das Thema Gesetze vs. Vereinbarungen nachzudenken. Das ist ein sehr spannendes Thema für mich, das auch mit dieser Form des Betens (oder "Manifestierens") zu tun hat. Dabei bin ich auf traurige, aber auch interessante Zusammenhänge gestoßen. Eventuell schreibe ich nochmal einen kurzen Beitrag darüber. Eine Bemerkung, die ich bei dir mal gelesen habe, spielt dabei übrigens auch eine Rolle. Es ging darum, dass man eine vermeintliche Schwäche oder Krankheit auch als etwas Positives, oder zumindest eine Reaktion mit einem positiven Kern sehen kann. In deinem Beispiel ging es u.a. auch um die Magersucht. Das (übergeordnete) Thema fasziniert mich sehr, aber ich muss meine Gedanken dazu erstmal in Ruhe sortieren, damit die Leser auch verstehen, was ich meine. Ich habe immer furchtbar große Angst, nicht verstanden zu werden ;)

Alles Liebe dir und bis zum nächsten Beitrag!

Nadine

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