Die Carmina Burana jauchzen

in #deutsch7 years ago (edited)

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Ich bin ja eher ein passiver Typ und lasse das Leben gerne auf mich zukommen. Wer etwa meine Reisen nach Amsterdam gelesen hat, dachte sich das vielleicht schon. Dass ich mal in Tokyo war hört sich an, wie ein besserer Witz. Ich bin keiner, der vorsätzlich die Nachtclubs unsicher macht. Das passt hervorragend zu meinem Avatar, der gerne ins kalte Wasser springt, Monate im Tiefschlaf ziehen lässt, um dann am Teich zu quaken. Den Frosch habe ich nie gesucht. Er hat mich gefunden und sich entwickelt. Ich hatte nie Pläne, Vorlieben oder Leidenschaften mit Fröschen. Außer denen, die mich gefunden haben und mein Feuer entfachten. So wie meine Frau, oder die IT, Steemit und damit auch wieder das Schreiben.

Wir setzten uns, zusammen mit den Bratschen

Heute ist in voller Orchesterbreite die Carmina Burana auf mich geprallt. Zwischen Auto und Saal fragte ich Elke noch, ob sie Taschentücher dabei hat. Natürlich nicht. Wenn ich keine dabei habe und sie keinen Schnupfen, gibt es keine. Wir liefen zusammen mit dem Orchester ein. Die Türen waren bereits geschlossen und wir die Letzten, die im vollen Hause noch schritten. Der Platz war schnell gefunden. Wir setzten uns, zusammen mit den Bratschen und Chellos, da ging es auch schon bald los. Aram Chatschaturjan, Gayaneh-Suite Nr.1. Das auflockernde Pot­pour­ri der ersten Hälfte endete mit dem schmissigen Säbeltanz. Es gab Damen im Publikum, die juchzten. Da haben wir uns mit tiefem Blick angeguckt. Wir mussten nichts sagen und wussten Bescheid.

Die sind so alt wie du

Es war bereits Pause. „Ja, guck dich nur um. Die sind so alt wie du und ich. Du musst nicht jung tun, als würdest du nicht dazu gehören.“ Bautz. Erstmal dem Frosch eine vor den Latz geknallt und dann so weiter machen, als verteile man nur den reinen Honig mit süßen, weichen Lippen. Da war die Pause auch schon um. Von dem Herren neben mir ging ein schlechter, brackiger Magengeruch aus, der zeitweise nach Furz stank. Der erste Teil des Konzerts lag jedenfalls geruchsfrei hinter mir. Das nahm ich zum Anlass, mich überwiegend meiner Lieblichen zuzuwenden, um ihren ewig süßen Wohlgeruch mit den Nüstern einzuklemmen.

Geballter Tonkörper

Die Carmina Burana kam zusammen mit dem Orchester rein. 35 Musiker, soviel ich weiß. Das Orf'sche hat bestimmt eine vorgeschriebene Zahl. So auch die Frankfurter Symphonie. Dann zog der Chor hinter den Symphonikern auf. Raffiniert geordnet, durcheinander geschritten. In 3 Reihen á 20 Seelen glitten sie aneinander vorbei. Wir gehen bei der Zählung des geballten Tonkörpers locker auf die einhundert Menschen zu. Dann kam die Dirigentin, ein kleines, blondes Kraftbündel mit langem, spitzen, weißen Stab. Die Musikfee, die schon den Pot­pour­ri schmissig über die erste Runde gesäbelt hatte.

Praller Schönheit schwanger

Schwarze, weite Hose, dezentes Glitzern an den Seitennähten und Aufschläge am Hosenbein. Ihr Jackett, war zu kompliziert, als ich es noch beschreiben könnte, ich weiß ja nicht einmal mehr die Farbe. Ach, schwarz mit dezentem Glitzer am Revers. Das kleine, schlanke Kraftpaket ließ noch drei Vokalsolisten aufziehen. Zwei Herren, der eine traurig, der andere stolz und eine vollbusige Schönheit, in dunkelroten Brokat gefüllt, schwanger. Leicht schwanger kann man nicht sagen, das gibt es nicht, also vierter, fünfter Monat. So viel pralle Schönheit in derart vornehmer, fast züchtiger Zurückhaltung habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wenn ich es in dieser Form überhaupt schon jemals gesehen habe. Der Abend entwickelte sich zum Glückstreffer.

Kunstmusik auf die Ohren

Ihr ebenso üppiges Geschmeide glitzerte. Es glitzerte derart, dass ich wusste: die Steine sind echt. Hallo Steemians, wir sind Zwerge. Wir haben einen Blick für das Echte. Von der Dame ging das Feuer aus. Die drei Sänger setzten sich vor das Orchester und waren knapp vor der Langeweile eingefroren, als es mit der Carmina Burana begann. Ich mache es kurz. Bei wunderbar zauberhafter Musik kommen mir die Tränen. Ja, ich weiß wie sich das anhört. Keine Taschentücher, also Selbstbeherrschung bis zur Kasteiung. Dieses Stück von Carl Orff ist, meiner Meinung nach, das bombastisch Tollste, was du im Bereich klassischer Kunstmusik von einem Orchester auf die Ohren bekommen kannst. Ich will kein Essay über Orchestermusik schreiben. Das bringt's nicht, nach so einem gelungenen Abend. Ich bin lieber noch eine Weile bis unter die Haarspitzen begeistert.

Die Musikfee

Stell' dir vor, du bist eine zähe , kleine, blonde Frau und du machst mit deinem oberschlanken, echt langen, weißen Stab Zack. In genau diesem Moment machen hundert Leute Zack und du siehst fast die Töne im Saal herab fallen. Während du eine Stecknadel hören könntest nimmt dich, im Moment in dem sie „Pling“ machen würde, der Chor ganz wohlig auf. Die Lady hat viel Spaß, nehme ich an. Aber ich weiß natürlich auch von den tausenden Stunden Arbeit, die hinter so einem tollen Stück hängen. Ich kann nicht sagen, dass dieser Genuss heute Abend von mir geplant gewesen wäre. Die Karten haben uns gute, liebe Freunde zukommen lassen, die verreisen mussten. Es kommt, wies kommt, sagt der Hesse.

Titelfoto: Carmina Burana (c) Stefan A. Schuhbauer von Jena.jpg


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