Katerstimmung – Eine wissenschaftliche Anleitung für einen besseren Morgen

in #de-stem6 years ago (edited)

Habt ihr euch je gefragt, warum ihr euch so beschissen fühlt, nachdem ihr zu viel getrunken habt und wie ihr das verhindert könnt?
Hier ist die Antwort.


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Quelle

Das Problem
Weil wir, natürlich, alle verantwortungsbewusste Erwachsene sind, die niemals einen oder zwei (drei?) Drinks zu viel haben würden, müssen wir uns auch nie mit den nervigen Nebenwirkungen von Alkoholgenuss auseinandersetzen – dabei am bekanntesten: der Kater.
Aber für die weniger Gesegneten unter uns, die Unverantwortlichen, die inneren Kinder, die komasaufenden Opfer der Gesellschaft, kann das eine harte Zeit sein.
Daher erschien es mir als eine Aufgabe, die es wert ist, dass ich von meinem Berg der Weisheit zu meinen Mitmenschen herabsteige und euch mit dem Wissen für ein besseres Leben versorge.
Oder sei es nur, um andere davor zu bewahren, so einen beschissenen „Tag danach“ zu haben, wie ihn ein Typ hatte, den ich recht gut kenne. Ähem.

Fuck my life
Letzte Nacht war also länger als beabsichtigt und nachdem ihr aufgewacht seid, fühlt ihr euch, als wärt ihr kürzlich von einem Zug überrollt worden.
Das ist die nette Art, wie euer Gehirn euch sagt, dass die letzten paar Drinks nicht die beste Idee waren – auch wenn es euch zu diesem Zeitpunkt so erschienen sein mag.
Es gibt eine Reihe von Symptomen, um das Katergefühl näher zu charakterisieren (Wiese et al., 2000) (1):

  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Zittern
  • Müdigkeit, inklusive verminderte berufliche, kognitive oder visuell-räumliche Performance

Warum sollte irgendjemand diese Dinge absichtlich erfahren wollen?
Wahrscheinlich niemand, aber da unser Gehirn mehr auf die Annehmlichkeiten vor uns fokussiert ist (die Party, das entspannte Gefühl, welches Alkohol auslösen kann) und sich nicht so sehr um die Konsequenzen (oder Kosten) schert, ignorieren wir Gedanken über den Morgen danach und trinken weiter.
Normalerweise schwören wir uns dann „nie wieder“, um derartiges Leid in der Zukunft zu vermeiden – aber das hält meistens nur bis zur nächsten Bartour an. Unser Gehirn arbeitet auf mysteriöse Weise.

Wiese et al. (2000) zufolge, müssen mindestens zwei dieser Symptome nach dem Konsum von Alkohol und dessen körperinternen Verarbeitung vorliegen, um ihre Definition eines Katers zu erfüllen.
Sie fügen hinzu, dass bei genügender Ernsthaftigkeit der Symptome, diese zu Störungen der persönlichen Verpflichtungen und Leistungen des täglichen Lebens führen können. Diese Annahmen wurden jedoch von Stephens et al. (2008) (2) aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten kritisiert.


Quelle


Aber warum?
Die verfügbare Katerforschung (ein tolles Wort) ist weit davon entfernt, beendet zu sein. Es existieren mehrere Hypothesen über mögliche Ursachen und Mechanismen hinter diesem Konzept. Daher werde ich nur jene wichtigsten Ideen herausarbeiten, die über die Literatur hinweg gleichbleibend sind, jedoch Kritikpunkte darstellen, sofern nötig.

Der Kater hat eine Menge mit den pathophysiologischen (3) Mechanismen innerhalb eures Körpers zu tun.
Patho-was?

  • Pathologie – die Beschreibung der beobachteten Merkmale während einer Krankheit
  • Physiologie – die Beschreibung der Mechanismen, die innerhalb eines Organismus arbeiten

Es gibt einige bedeutsame Veränderungen, die innerhalb eures Körpers vonstattengehen, welche sowohl einer akuten Alkoholvergiftung folgen als auch darüber hinaus anhalten können.

Wiese et al. (2000) sprechen von erhöhten Levels von Acetaldehyd (wird von den Leberenzymen der Alkoholdehydrogenase während der Oxidation von Alkohol gebildet), verschiedene Arten von hormonellen Veränderungen aufgrund unkontrollierter Zytokin-Pfade (eine Kategorie von Proteinen, die für Zellsignalübertragung benötigt werden) und Problem mit der Glucose-Verfügbarkeit, die durch Insulin gesteuert wird.

Vor allem der Einfluss von Acetaldehyd ist nicht so klar, wie es den Anschein hat. Obwohl Wikipedia es als einen der dominantesten Faktoren (4) auflistet, wurde dieser Ansatz von Prat et al. (2009) (5) kritisiert, indem sie darauf hinwiesen, dass die entsprechenden Studien von ihren Probanden verlangen, derart hohe Dosen von Acetaldehyd einzunehmen, die bei akutem Alkoholkonsum normalerweise nicht auftreten. Des Weiteren scheint eine zu hohe Menge an Acetaldehyd zwar zu Katersymptomen beizutragen, doch während es eigentlichen Katerzustandes lassen sich keine Spuren davon im Blut nachweisen. Es ist daher mehr Forschung nötig, um diese Korrelation im Detail zu verstehen.

Zudem wies Calder (1997) (6) auf einige Mechanismen hin, die in Verbindung mit Dehydration, metabolischer Azidose (Störung des Säure-Basen-Haushaltes), erhöhter Herzfrequenz, Vasodilatation (Erweiterung der Blutgefäße) und gestörte Prostaglandine-Synthese. Zusätzlich können unzureichende Nahrungsaufnahme und Schlafmangel weitere Nebenwirkungen einer Alkoholvergiftung sein (Verster et al., 2003) (7).


Quelle

Es scheint klar zu sein, dass sogenannte Congener (entspricht den Fuselalkoholen), die komplexen organischen Moleküle, die alkoholische Getränke enthalten, eine wichtige Rolle spielen, wenn es um das Auftreten von Katersymptomen geht.
Congener (z.B. Methanol) werden zu Substanzen wie Formaldehyd oder Methansäure verstoffwechselt – beide sind nicht unbedingt zuträglich für euer grundsätzliches Wohlbefinden.

Und ich habe schlechte Nachrichten für all jene Menschen (wie mich), die dunkle Spirituosen wie Whisky oder Rum mögen: Es scheint, dass die Konzentration von Fuselalkoholen besonders in dieser Art von Spirituosen sehr hoch ist, wenn man sie zu klaren wie Vodka oder Gin vergleicht (Calder, 1997).
Aber denkt jetzt nicht, dass das Trinken von dutzenden Gin-Shots nicht in einem Kater enden wird – glaubt mir, ich weiß, wovon ich da rede.

In BALance bleiben
Es ist recht interessant zu wissen, dass all diese Effekte nur auftreten, wenn euer Blutalkohollevel (BAL) wieder bei Null ist. Das ist wichtig, denn nur dann ist man imstande zwischen tatsächlichen Katersymptomen und jenen, die von der Alkoholvergiftung stammen, zu unterscheiden (Stephens et al., 2008).

Falls ihr euch also jemals gewundert habt, warum ihr euch immer noch beschissen fühlt, selbst Tage nachdem ihr euren letzten Drink hattet – das ist der Grund dafür. Eurer Körper braucht Zeit, um mit der Menge an Giften umzugehen, die ihr ihm gerade verabreicht habt. Obwohl euer BAL also bei Null ist, werdet ihr trotzdem die Wirkung der letzten Nacht länger spüren.


Die Heilung
Nun denn, ihr verfügt jetzt über ein grundlegendes Verständnis der biologischen Mechanismen hinter eurem grauenhaften Empfinden nach der letzten Party. Und da es in der Wissenschaft nur um coolen und nützlichen Kram geht, gibt es bestimmt auch einen effektiven Weg, den eigenen Kater zu behandeln, richtig? RICHTIG?!


Quelle

Es tut mir außerordentlich leid euch enttäuschen zu müssen, doch bis heute ist keine Behandlungsmethode verfügbar, die sich unter wissenschaftlichen Bedingungen beweisen konnte.

Falls ihr euch also in dieser unangenehmen Situation wiederfindet, dann werdet ihr nicht viel Wahl haben, als diese durchzustehen. Wie Pitter et al. (2005) (8) sagten, existieren keine überzeugenden Beweise, die darauf hindeuten, dass irgendeine konventionelle oder ganzheitliche Behandlung effektiv darin wäre, Kater zu verhindern oder zu kurieren. Ihr könnt womöglich einige Symptome wie Kopfschmerzen verringern, indem ihr Schmerzmittel oder mehr Wasser zu euch nehmt, aber generell sind wir immer noch sehr weit davon entfernt, euch einen zufriedenstellenden „Morgen danach“ zu geben.

Obwohl das für einige jetzt womöglich als eine frustrierende Überraschung ist, könnt ihr es auch als etwas Gutes ansehen:
Wenn ihr zu viel Alkohol trinkt, werdet ihr höchstwahrscheinlich leiden – das beweist sich nahezu jedes Mal als wahr. Der beste Weg, um das also zu verhindern, ist, ein bisschen verantwortungsvoller zu handeln und euer Limit zu kennen.
Ich habe viele Jahre als Bartender in verschiedenen Clubs und Bars gearbeitet – glaubt mir, verantwortungsvoll zu sein, bedeutet mehr Spaß für uns alle am Ende.
Und euer Körper wird euch am nächsten Morgen noch dankbarer sein.


Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und passt auf euch auf.
Ego



Falls ihr euch für Wissenschaft begeistern könnt, dann schaut unbedingt unter #steemstem bzw. #de-stem vorbei!

Quellen
(1) Wiese JG, Shlipak MG, Browner WS. The Alcohol Hangover. Ann Intern Med. 2000; 132:897–902. doi: 10.7326/0003-4819-132-11-200006060-00008

(2) Richard Stephens, Jonathan Ling, Thomas M. Heffernan, Nick Heather, Kate Jones; Review: A review of the literature on the cognitive effects of alcohol hangover , Alcohol and Alcoholism, Volume 43, Issue 2, 1 March 2008, Pages 163–170, https://doi.org/10.1093/alcalc/agm160

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Pathophysiologie

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Acetaldehyd

(5) Gemma Prat, Ana Adan, Miquel Sa´nchez-Turet. Alcohol hangover: a critical review of explanatory factors. human psychopharmacology. Hum. Psychopharmacol Clin Exp 2009; 24: 259–267. DOI: 10.1002/hup.1023

(6) Calder, I. Editorial: Hangovers, British Medical Journal, 1997, vol. 314, pg. 2

(7) Verster, J. C., van Duin, D., Volkerts, E. R., Alcohol hangover effects on memory functioning and vigilance performance after an evening of binge drinking, Neuropsychopharmacology, 2003, vol. 28 (pg. 740-746)

(8) Pittler Max H, Verster Joris C, Ernst Edzard. Interventions for preventing or treating alcohol hangover: systematic review of randomised controlled trials BMJ 2005; 331 :1515

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dann also doch durchtrinken hmm zum glück ist Ethanol nicht neurotoxisch :D
srs wichtiges Thema und gut geschrieben (mit weniger ist echt besser)

Danke :)

Ja, ich habe das in meinen Jahren als Bartender immer wieder sehr deutlich gemerkt. Alkohol kann dazu dienen, sehr geile Partys/Bartours zu feiern - aber am besten waren immer jene Abende, an denen man im Limit geblieben ist und den Morgen danach nicht bereut hat :)

Totale "Clickbait" haha! Als Opfer der gelegendlichen pre-Alkoholvergiftung hab ich mir hier ein Wundermittel versprochen.... Super Artikel, vielen Dank dafür! Cheers!

Jaaaha, das war beabsichtigt :D

Tja, man kann eben nicht immer gewinnen im Leben :)

Leider leider.... Vielleicht, eines Tages finden wir einen Weg zu genießen ohne zu bereuen. Haha.... Cheers!

Na ja, du bist doch der Chemiker von uns beiden - dann weißt du ja jetzt, was du zu tun hast :P

Meine persönliche Anleitung:
Nicht durcheinander trinken - bloß nicht rauchen - früh genug abhauen, um noch genug Schlaf zu erwischen.

Funkioniert. Außer ich bekomme zum Bier einen Whisky hingestellt, bin dann so angetrunken dass ich plötzlich Lust auf Zigaretten bekomme, bleibe immer noch auf "nur noch eins" und werde dann pünktlich um 7:00 von meinem Sohn geweckt.
Jedes. Einzige. Mal.

Außer ich bekomme zum Bier einen Whisky hingestellt

Das kann mir glücklicherweise nicht passieren, da ich kein Bier trinke :P
Bei meinem Glück treffe ich aber genau dann, wenn ich gehen will, auf einen bekannten Bartender, der mir unbedingt noch einen Drink zeigen will und dann führt eins zum anderen... ._.

Das sind dann immer die Tage an denen ich keine Lust mehr habe zu feiern ;) aber das hält dann auch nicht lange an 😂

Glaub mir, ich kenne das nur zu gut :D

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