Freiheit ist Gänsehaut

in #deutsch6 years ago

Hallo zusammen,

auf die #freiheitswoche von @kadna bin ich durch den hervorragenden Beitrag von @freiheit50 aufmerksam geworden.

Das Thema Freiheit ist auch mein Thema und sehr eng mit meinem Accountnamen verbunden. Das hat mich sofort getriggert, auch meinen Beitrag abzuliefern zu wollen. Es ist jetzt schon etwas spät am Abend, aber die Freiheit noch später ins Bett zu gehen, werde ich mir jetzt einfach nehmen.


Ja, ich wurde damals in der DDR geboren. Bin also ein waschechter Ossi; und ein „@dauerossi“, denn Geschichte prägt. Zumindest mich hat sie geprägt und ich bin glücklich darüber, diese Erfahrung als Kind im Osten gemacht zu haben.


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Ich muss mich jetzt ein bisschen zusammenreißen, sonst wird aus diesem Beitrag mein noch ausstehender #introduceyourself Post. Den gibt es bisher aus Freiheitsgründen nicht. Ich schätze die Freiheit, nur das von mir auf der Blockchain gespeichert zu wissen, was ich da auch für immer stehen haben möchte. Tatsächlich tue ich mich mit dieser Blockchain Unfreiheit etwas schwer. – Aber halt, ich schweife ab, das ist ein anderes Thema für einen eigenen Beitrag. Genau wie viele andere Blickwinkel und Facetten, die das Brainstorming eben noch ergeben hat.

Wie war das damals in der DDR?

Frei war es nicht! Mein Elternhaus war alles andere als systemkonform und in der Kirche aktiv. Dazu hatten sehr viele Verwandte im „Westen“. Zu Hause wurden Themen angesprochen, von denen ich intuitiv wusste, das darfst du in der Schule besser nicht sagen. Darüber gesprochen haben meine Eltern mit mir nie, geschweige denn das sie es mir verboten hätten.

Damals war mir sonnenklar, dass ich besser nichts erzählen sollte. Heute stelle ich mir die Frage: Woher nimmt ein Kind diese Intuition, die Unfreiheit zu spüren und danach zu handeln? Gibt es so etwas wie einen angeborenen Freiheitsgeist oder ein Freiheitsempfinden?

Mein Gefühl sagt mir, es könnte durchaus so sein. Allerdings stellt sich dann direkt die Anschlussfrage, wann geht er verloren. Warum müssen sehr viele Menschen auch heute noch in Unfreiheit leben? Als Versuch der Antwort, sehe ich im Streben nach Macht einen Gegenspieler zur Freiheit. Macht versucht die Freiheit anderer zu beschränken. Was definitiv auf vielen Ebenen vorkommen kann.

Freiheit und Verantwortung

Wenn jeder seine (individuelle) Freiheit mit Verantwortung und Selbstreflexion leben würde, gäbe es in meiner Vorstellung insgesamt ein globales Maximum an Freiheit. Jeder gibt ein kleines Stückchen seiner Freiheit ab, damit die Gesamtmenge an Freiheit das Maximum erreichen kann. Das individuelle Maximum an Freiheit kann unter dieser Prämisse nicht erreicht werden.

Und schon ist man beim vielzitierten und Immanuel Kant zugesschriebenem Zitat:

„Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“


Freiheit Post-1.jpg


Freiheit von der eigenen Vergangenheit!

Noch mal zurück in den Osten. Der Druck der Unfreiheit sich zu äußern, die fehlende Reisefreiheit und das Vorgegebensein des Lebenslaufs im Arbeiter und Bauern Staat hat das Verlangen und Streben nach Freiheit schlussendlich so stark wachsen lassen, das '89 das passiert ist, was mittlerweile in den Geschichtsbüchern steht und für mich ein großartiges Erlebnis war.

Auf der anderen Seite verhinderte die fehlende Freiheit Initiative zu ergreifen, Dinge zu gestalten und die Möglichkeit sich zu entwickeln. Es erforderte eine ständige Selbstkontrolle um den gesetzten Rahmen nicht zu verlassen. Nichts falsches zu sagen oder zu machen. Dieses Verhalten hat mich stark geprägt, ohne das ich es bemerkt habe.

Für mich hieß das Jahre später, sich aktiv mit diesem der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Diese unterbewusste ständige Selbstkontrolle abzulegen. Sich von diesem Teil der Vergangenheit frei zu machen. Das heißt allerdings nicht die Vergangenheit zu verleugnen, heute das komplette Gegenteil zu machen, sondern eher sich aktiv mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Im Prinzip ist es ziemlich genau das @love-your-wild in ihrem Beitrag mit dem prüfen von Mustern und Glaubenssätzen anspricht.

Freiheit und Gänsehaut

Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, ob ihr dieses tolle Gefühl aus Unfreiheit in Freiheit entlassen zu werden nachvollziehen könnt. Es gibt ein paar Videos aus dieser Zeit bei denen ich heute tatsächlich noch Gänsehaut bekomme. Eins davon ist "Mein Berlin".
Ab 4:20 gehts ums Thema, aber das ganze Video lohnt sich



Ich kann den Post nicht ohne folgendes Zitat beenden:

Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.

Obwohl regelmäßig Voltaire zugeschrieben, stammt dieser Satz von Evelyn Beatrice Hall, den sie in ihrer Biografie Voltaire in den Mund legt.

Ich kann den Post nicht ohne die Hoffnung beenden:

Das möglichst bald in Nordkorea eine ähnliche Entwicklung passieren wird, wie damals '89. Die aktuellen Anzeichen der Annäherung finde ich großartig und hoffe das sie Bestand haben.

Ich kann diesen Post nicht beenden ohne:

Danke zu sagen, hier und heute in einem freieren Land leben zu dürfen als damals als Kind!

pics&txt by @dauerossi

Sort:  

Für Ossis habe ich viel Symphatie, denn Eure Erfahrungen sind sehr wertvoll für unser Land! Ihr habt noch den kritischen Blick, der den meisten satten Wessis aberzogen wurde.
Und ihr habt schon einmal ein Regime zum Teufel gejagt ....

"Ihr" ist da meines Erachtens zu verallgemeinernd, es gab einen Teil, der die Mauer weg haben wollte, und einen Teil, dem es egal war, weil er sich nicht eingeschränkt fühlte. Es gab meines Wissens einen größeren Anteil an Nichtkonfessionellen, die hatten vermutlich weniger Probleme ... aber bis zu meinem 11. Lebensjahr hab ich davon einfach gar nichts mitbekommen, daß andere Repressalien ausgesetzt waren.

Danke für die Sympathie (unbekannterweise) und für dein Vote.
Aberzogen auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite ist es sicherlich auch schwer, den kritischen Blick zu haben, wenn Freiheit eine Gewohnheit ist. Dann verlernt man es diese Freiheit zu schätzen.

Toller Artikel, lieber @dauerossi,

welchen ich mit großen Interesse gelesen habe. Als "Dauerwessi" kann man sich gar nicht vorstellen, wie das damals war. Ich habe zwar schon einiges darüber gelesen und gesehen - Highlight war "Das Leben der Anderen", jedoch reicht das sicher nicht aus, alles zu begreifen.
Wenn ich richtig verstanden habe, lebst Du heute nicht mehr im Osten, ich möchte Dich trotzdem kurz auf diese feine Sache aufmerksam machen:

https://steemit.com/steemit/@homeartpictures/update-pfingst-meetup-in-der-lausitz-19-05-21-05-2018-homeartpictures-originalcontent

Danke für deinen netten Kommentar. :)
Man lernt die Dinge mehr zu schätzen, wenn man weiß wie es ist, wenn man sie nicht hat bzw. Hatte.

Dein Eindruck ist richtig, Sola lügt da nicht, mittlerweile lebe ich tatsächlich in Freiburg.

Und vielen Dank fürs Mitdenken, was das Meetup in der Lausitz betrifft. Lust hätte ich da definitiv drauf, auch generell auf ein Meetup. Pfingsten ist (leider) schon mit Urlaub verplant.
Eine schnelle kurze Restwoche wünsch ich dir, das Wochenende soll sommerlich werden.

Frei war es nicht! Mein Elternhaus war alles andere als systemkonform und in der Kirche aktiv. Dazu hatten [wir] sehr viele Verwandte im „Westen“.

Bis auf die Verwandtschaft im Westen, die dann nach der Wende plötzlich doch da war, war es bei mir genau anders. Aus der Kirche hatten sich beide Familienteile spätestens in den 50er-Jahren separat voneinander verabschiedet. Das Thema Leben in der DDR war später nie Thema, ich hab letztes Jahr aber einige Dokus gesehen, die etwas geholfen haben, die Informationslücken zu beseitigen.

Gefangen gefühlt habe ich mich nicht, aber ich bin ja auch erst 40 ;o) und war somit zur Wendezeit 11. Wir sind in der DDR-Zeit öfter an Wochenenden unterwegs gewesen als nach dem Umzug nach Hessen. Obst wuchs im Garten meines Opas, der um 2000 herum starb, und er hat sehr gern und oft die Familie (und manchmal Bekannte) zu Gast gehabt ...

Spannend wie unterschiedlich das doch alles wahrgenommen wurde, abhängig vom Umfeld in dem man aufgewachsen ist. Wir sind gleichalt und scheinen wenig ähnliches erlebt zu haben. Ich fand die Appelle jede Woche schlimm. Für den Gruppenrat in der 3. Klasse wurde ich zum Agitator gewählt und bin heulend nach Hause gekommen. Ich fand das richtig richtig furchtbar. Meine Mutter hat das dann glücklicherweise geregelt und ich wurde den Posten wieder los.
Wieso hattet ihr keine Kontakt zu euren Verwandten? Dann habt ihr zu Weihnachten gar keine Westpakete bekommen? Das war das beste am Osten. :) Einmal im Jahr gab es tolle Sachen. Da habe ich gelernt Dinge zu schätzen.

Wir bekamen durchaus auch tolle Sachen, waren jeden Winter Skifahren, von acht Sommerferienwochen zwei im Ferienlager und ein oder zwei an der Ostsee, regelmäßig bei Opa oder einer der Omas. Konfekt kam aus Rußland oder Finnland, was denkt man sich als Kind da schon dabei?
Der Cousin meines Opas lebt noch und veranstaltet weiter seine Familientreffen, das weiß ich, weil er mich auf Facebook gefunden hat. Meiner Mutter, die sich eine ganze Weile eingebracht hatte, wurde das irgendwann zu doof mit dieser Westverwandtschaft, die sich doch für was besseres hielt und die Wende für das heilbringende Ereignis. Ich glaube, mein Opa hat schon dafür gelebt, daß es seinen Kindern gut ging. Natürlich gab's die, für die die Wende notwendig war. Aber die, die sich danach ein neues Auskommen suchen mußten und einen neuen Wohnort, die gab es eben auch und auch nicht in geringer Zahl.

Ein lesenswerter Beitrag der auf jeden Fall die Sicht erweitert und einen (für viele) gänzlich unbekannten Blickwinkel auf das Thema Freiheit wirft. Super geschrieben 👍

Danke dir @dauerossi für deinen Beitrag, der eine Facette von Freiheit schildert, der eine ganz spezielle persönliche (aber auch gesamtdeutsche) Erfahrung zu Grunde liegt. Wer, wenn nicht ein "Dauerossi" kann darüber schreiben, wie es sich anfühlt unfrei leben zu müssen!
Danke dir (und Reinhard Mey) für die Gänsehaut - wow!!!

Aufrecht gehen, nie mehr knien - das ist mein Berlin!

Sehr gerne :) freut mich wenn es dir gefällt.
Und cool, du hast dir auch das Video angeschaut. Das lief beim Schreiben mehr oder weniger als Endlosschleife. Ich mag ja nicht alles von Reinhard Mey, "Mein Berlin" ist auf jeden Fall unter den Top 3.

Ein toller Artikel. Ich bin froh, etwas zu treffen, das mich aufweckt. Danke und Bravo

Danke für dein "Bravo" freut mich sehr, wenn das was man so spät abends in die Tastatur klopft, gelesen wird und gefällt.

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