Wiener Einsichten

in #deutsch6 years ago (edited)

Nachbesprechung Opernball
Quelle: Wikimedia Commons

@vieanna, unsere Wiener Stadtführerin, hat mir freundlich auf einen Kommentar geantwortet:

Vom Zentralfriedhof über das Bestattungsmuseum bis hin zu den Katakomben und zur Kapuzinergruft - Die Wiener haben schon ein besonderes, inniges Verhältnis zum Sterben und zum Tod. Wie hat schon Georg Kreisler einst gemeint: "Der Tod, das muss ein Wiener sein ..."

Und der Tod ist die Stadt, sage ich. Für mich besteht Wien nicht nur aus den identifizierbaren Merkmalen des Grusels. Ähnliche Symbolstätten des Makabren schwären im Bauche beinahe jeder Stadt. Doch als ich in Wien war, spürte ich Schicksal aus beinahe jeder Ritze tropfen. Dagegen hilft auch kein Prunk, nicht Walzerseligkeit, oder Kaffee mit Schlagobers. Sogar aus der Ferne sehe ich das Skelett winken. Ich muss nur mal kurz Opernball einschalten und die Verwesung springt mir ins Gesicht.


Drumherum ist doch mehr Gucken. Quelle: Wikimedia-Commons

Trotz all der debüttierenden Jugend ist offensichtlich: Die Tradition trägt Puder, Perücke und Gebiss zum Feste. Dahinter lauert der Verfall. Durch mein imaginäres Vorleben in Wien, die dort aufgewachsenen Großeltern, Tanten und Onkel, Cousins und Großcousinen, Großtanten und all die ausgemerzten Teile der Familie, sind meine Sinne und Kanäle für Wien weit offen – und voreingenommen. So erschien mir die Kaiserstadt nie alleine als Metropole, oder potenter Schmelztiegel Südosteuropas. Wien war für mich nie eine normale Stadt.

Beim ersten Besuch spürte ich überall erfüllte, wie auch zerstobene Hoffnungen. Es schienen mir ganze Generationen zu sein, deren Kolonnen hinein wanderten in den Bauch der Stadt und wieder herausgetragen wurden. Ich erkannte einzelne Leben und ganze Zeitabschnitte hämmerten sich in einer Mischung aus Traum und Wirklichkeit wild in mein Bewusstsein. Mir war so viel von Wien bekannt, bevor ich jemals dort gewesen bin. Beim ersten Besuch sprang es mich spürbar an, das Morbide. Es hing mir auf dem Buckel, wie ein Rucksack. Da mir das Honigsüße nicht so liegt, sehe ich das Andere vielleicht leichter.


Allianz Brücke, von Waldemar Titzenthaler. Quelle: Wikimedia Commons

In jedem Quadratzentimeter einer Stadt steckt neben Hinnehmbarem, auch das Grauen. Man sieht es, wenn man will. In Berlin zum Beispiel, der Landwehrkanal, besungen in Lied und Vers, ist das Sinnbild des Endes so vieler Mädchen in Not geblieben. Man muss sich nur kurz in Erinnerung rufen, was an einem Ort gewesen ist und schon sieht man in Paris Köpfe rollen, Pracht und Zerfall in Venedig, Elend und Hoffnung in New York, wie auch Züge nach Emigration und Vernichtung, nicht nur in Berlin. Koffer, verschnürte Kartons und noch eine letzte, schwache Hoffnung auf dem Bahnsteig. Ganz sicher geschah es genau am Ort, an dem du gerade stehst, wenn du unterwegs bist.

Wien war mir sofort unerträglich. Da kam der ganze Glanz von Kaisern nicht gegen an. Nicht gegen die Geschichte in meinem Herzen und den Qualtinger im Kopf. Herrn Karl, zwischen Regalen im Keller des Feinkostladens resümiered, dagegen kommt keine Prater–, Heurigen– und Donaupracht mehr an. Egal wie die Stimmung ist, Wien zieht mich runter. Selbst Besoffen hilft da nicht viel. Wien wirkt auf mich ähnlich, wie es Bronner und Qualtinger im Stück Travnicek im Urlaub vermitteln: „Schau, die Mitternachtssonne, Tavnicek!“ „Was brauch i um Mitternacht a Sonn?“

Um so wertvoller sind mir deine Einblicke in die Stadt, @Vieanna. Du zeigst die sie von der frischen, aufgeschlossenen Seite her. Unvoreingenommen, sachlich und immer schön. Das ist mir eine Wohltat und tut auch der Stadt sicher sehr gut. Du hast da im Laufe der Zeit eine hervorragende, lesenswerte Wiensammlung hingelegt und der Fundus ist derart reichhaltig, dass mir kein bisschen bange ist, du hättest irgendwann keinen Stoff mehr übrig.

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Crash Test Dummies on Steem

Ja, ich schreibe tatsächlich noch immer an diesem Artikel. Der ändert sich laufend. Dank der Blockchain kannst du aber jede Änderung nachvollziehen. Es wurden ja schon Befürchtungen geäußert, dem Betrug sei nun Tür und Tor geöffnet. Man könne jetzt Sinn und Inhalt von Artikeln umkehren und damit betrügen. Keine Angst, das ist zu kurz gedacht.

Die dicke Beta ist gemütlich und protokolliert jede Änderung. Da wären Betrüger schlecht beraten und schnell entlarvt. Kein Problem also. Fehlalarm. Jede Korrektur ist nachvollziehbar. Punktum. Aus diesem Grund kann die 7-Tage Editiersperre nun auch gerne fallen. Es scheint Witnesses zu geben, die mit einer Zwischenrevision 19.10 nicht einverstanden sind und eine so bedeutende Regeländerung gerne in der 20.01 aufgehoben sähen. Für diese unsinnige Verzögerung habe ich kein Verständnis. Packt euch endlich die 19.10 auf den Server, damit die Blockchain sich endlich weiter entwickelt.

In eigener Sache

Dieser Artikel wird mehrfach überarbeitet und kann seit Hardfork 19.10 jederzeit verändert werden.

Tipps für den Tümpel sein Pool

  
Schau mal bei @t3ran13 vorbei. Da siehst du, was unter #deutsch mit der Tag–Reputation nach „t3ran13“ abgeht. Gratulation zu Platz eins für deine Radtour, lieber@freiheit50 .

Steem om, liebe Community.

Sort:  

Mit großem Interesse lese ich die Ausführungen zu deinem Blickwinkel auf die Stadt Wien. Wie du zur Quintessenz deiner Betrachtungen:

Egal wie die Stimmung ist, Wien zieht mich runter.

kommst, beschreibst du sehr anschaulich. (Dass mich dein Sprachstil fasziniert und beeindruckt, sei am Rande wieder einmal erwähnt.)

Ich bin vor dreißig Jahren aus der "Provinz" nach Wien gekommen. Natürlich habe ich auch weniger schöne Seiten an dieser Stadt entdeckt, dennoch erfreue ich mich nach wie vor an ihrer architektonischen Schönheit, dem kulturellen Angebot und den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten. Aus dieser Sicht schreibe ich meine Beiträge, für deren Würdigung ich mich herzlich bei dir bedanke!

Danke @vieanna. Ich habe schon als Kind über mein Verhähltnis zu Wien nachgedacht. Damals anders als heute, natürlich. Ich freue mich, dass dir mein Ausdruck gefällt und gebe mir größte Mühe, besonders bei einer so zwieschneidigen Betrachtung mit negativem Resümee, was mir unbelastete Frohnaturen auch etwa betroffen um die Ohren hauen könnten. Weil oberflächlich betrachtet ja alles so schön und spektakulär ist. Über die Abgründe könnte ich, trotz meiner hessischen Herkunft und nur einem Besuch in der Stadt, eine ganze Menge schreiben. Ich kenne den Wiener und die Wienerin, beinahe so gut wie mich selbst. Sei froh, dass du von auswärts gekommen bist. Da hast du nichts mit zu tun. Außer, dass sie dich später wieder hinaustragen, falls du es lange genug aushältst.

Uiuiui, lieber @afrog, das steht ja jetzt ganz krass entgegen den Ausführungen von @vieanna, die jeder seriöse Reiseführerverlag teuer bezahlen sollte.
Ich war noch nie in Wien, obwohl dort sogar über sieben Ecken angeheiratete Verwandtschaft lebt. Die verbringt den Sommer tatsächlich lieber hier in den nördlichen Gefilden. Die alten Gemäuer würden sich so aufheizen und aufgrund fehlender Winde die Wärme gar nicht mehr abgeben.
Hm, sollte ich meine Überlegungen, irgendwann mal auf Stippvisite zu gehen, nun verwerfen? Nein, sie dauern nur etwas länger. Beim Naschen einiger Mozartkugeln und Träumen von Romy Schneider und Karlheinz Böhm sollen pro und contra in Ruhe bedacht werden. Und es hat Zeit, denn in eine Hitzeglocke zieht mich definitiv nichts.
Viele Grüße,
Chriddi

Ja, @chriddi, da kann man schon mal zu einem Uiuiui kommen! Einer muss es doch endlich mal in den Fokus rücken, bei all der positiven Femdenführerei und Verhübschelung. Das unverschämt Sinistre dieser Stadt, das sich nicht einmal an die Nacht hält und am Tage schon ganze Stadtviertel in den Krallen hat, wird immer nur im Nebensatz behandelt. Im Touristikbüro machen sie sich lustig drüber, aber es lebt, das schwarze Herz dieser sinistren Stadt.

Romy Schneider, erlag dem anhaltenden Schmerz und einem omnipotenten Narziss aus Frankreich, wurde gefressen vom Suff und Erfolg. Sie spielte einst eine hübsche historische Figur aus Bayern, die durch eine Dreikantfeile zu Tode kam. Der vielbemühte Rest der rosa gefärbten Geschichte ist Bausch und Bogen. Karlheinz Böhm ist einer dieser unerträglich gockeligen Piefkes, die am Ende glauben, schon immer Wiener gewesen zu sein. Das hat alles nichts, rein nichts mit Wien zu tun. Du bemühst einzig schwache Surrogate aus dem Touristikbüro.

Mozartkugeln stammen aus Salzburg und waren bereits zum Zeitpunkt ihrer Erfindung eher nur schwach mit Mozart zu verbinden. Die Zeit heilt offenbar alles und so kommt Mozart nach Wien und sorgt als süßer Verführer für ein Thema, dem sich aufgeputzte Besucherinnen im Erfrischungsraum des Burgtheaters besonders gerne widmen. Verstopfungen. Da braucht es keine Hitzeglocken, um den Gestank der Metropole zu Bewusstsein zu bringen. Es genügt alleine genaues Hinschauen und die Kenntnis von der Vergänglichkeit der Materie.

Danke für deine Aufmerksamkeit, mich mit einem Kommentar zu bedenken.

Danke für deine Aufmerksamkeit, mich mit einem Kommentar zu bedenken.

Immer wieder gerne, lieber @afrog. Meist werde ich dafür ja mit weiteren Ausführungen belohnt, die ich genüsslich zu lesen vermag, selbst wenn sie überwiegend Negatives beinhalten.
Dennoch, oder vielleicht deshalb, habe ich beschlossen "das Grauen" irgendwann mal zu besuchen, um mir ein eigenes Bild zu machen.

Überwiegend negativ. Pfffft! Wir leben nun mal nicht im Happy Hippo Land.

Mein Bild wird dir kaum leicht zugänglich sein, liebe @chriddi, stammt doch all die Kenntnis vom Sinistren dieser Stadt, über die ich ohne Zweifel verfüge, direkt aus dem Leben meiner unmittelbaren Vorfahren. Da kann ich nur davon erzählen und stütze mich dabei auf familiär erworbenes Wissen. Reden, Nuancen, Gesten, Nebensätze, schwache und glorreiche Momente, da kommt einiges zusammen. Zu jedem Look gehört ein Feel. Den Wiener Feel habe ich mit der Muttermilch aufgesogen.

Da freue ich mich doch schon drauf wenn du dort bist. Du musst mir nur versprechen, in der Zeit keine Geschichten zu lesen, die vom Tümpel kommen. Sonst knirscht' s vielleicht im Riesenrad und in der Sachertorte wurde eine Fliege verbaut. Im Hotelzimmer lauert es und am Zentralfriedhof bricht die Dunkelheit herein. Wien wartet schon auf dich.

Liebe @chriddi verwirf deine Stippvisiten-Gedanken nicht - hihi, mach' ich ja auch nicht! Vielleicht gibt es mal einen Nord-Süd Shuttle, den wir nutzen können und der uns einer Parkplatzsuche enthebt? ;-)

Nice post
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Ich kann nachvollziehen, wieso dich Wien fertig macht. Aber es fällt mir schwer, das Gefühl zu teilen. Für mich (als Nichtwiener, der in Wien lebt) ist die Stadt trotz (oder wegen) all ihrer Unvollkommenheiten ein toller, pulsierender Platz zum Leben geworden. Also die Stadt ausgenommen der kaiserlichen Prunkbauten - die brauche ich nämlich nicht unbedingt.

Es leben wahrscheinlich eh mehr Zugereiste dort, als geborene Wiener. Nichts gegen die Stadt und ihr pulsierendes Leben. Fertig machen ist auch nicht der richtige Ausdruck. Es gruselt mich dort. Fertig macht mich gerade die Hitze.

Interessant... Tümpelhaftes Ahnen-Insiderwissen ist nicht zu unterschätzen... Da alles seine zwei Seiten hat, wundert mich deine Wien-Sicht nicht wirklich. Jetzt muss ich sie nicht selbst suchen. Als ich auf der Durchreise nach Ungarn vor 40 Jahren in Wien zwischen"landete", habe ich diese Stadt als sehr offen und kreativ-künstlerisch empfunden. Zum ersten Mal erlebte ich Straßenkunst in einer Stadt. Ein sprudelig-jungendlicher Touch, der belebend war.
Tja, jetzt kommst du und sprichst Wien gerade dieses Leben ab. Spannend. @Vieannas Artikel haben mich wieder auf Wien aufmerksam gemacht und mein Interesse geweckt, welches du nun noch verstärkt hast. Danke für ein vollständigeres Bild.

Da hast du was falsch verstanden. Ich habe der Stadt nichts abgesprochen, sondern etwas zugedichtet, was eh schon da war.

Und der Tod ist die Stadt, sage ich.

Das bedeutet für mich, dass du der Stadt die Lebendigkeit absprichst.

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