[DE] Die holografische bessere Hälfte: Partnerersatz oder Verstärker von Einsamkeit?

in #wissenschaft6 years ago (edited)

Darf ich vorstellen, die virtuelle (oder treffender: holografische) Waifu.

Der Begriff „Waifu“ beschreibt eine fiktive Persona, die nichtsdestotrotz – oder vielleicht gerade, weil sie letztendlich unnahbar und unwirklich ist – verehrt wird. Im weiten Spektrum der Fiktion ist sie der große Liebling des Verehrers. Die Lautsprache eines entsprechenden japanischen Begriffs ähnelt dem englischen „wife“, der Ehefrau.

Die künstliche Intelligenz von Gatebox AI ist eine persönliche Assistentin in Gestalt eines kleinen Anime-Mädchens, die den Nutzer in seinem Alltag begleitet. Nun, zumindest zu Hause, projiziert in einen transparenten Zylinder.

Sie verhält sich wie eine echte – zugegeben, äußerst unterwürfige – Person und kontaktiert den Menschenpartner den Tag über mit ermutigenden Textnachrichten voller KI-Liebe. Wenn er so wünscht.

Der Personal Assistant kann als neue Schnittstelle für das Smart Home und mit Geräten verwendet werden, die sich in das Internet der Dinge (IoT) integrieren lassen. Dabei ist es keine Überraschung, dass sie die Kleidung lolitesker Dienstbarkeit trägt – komplett mit zwei kleinen Herzen auf den Hinterbacken.

Ich hätte mir eine Holo-Version von Bruce Waynes Alfred Pennyworth gewünscht, aber so könnte es aussehen – das Leben mit einer virtuellen Frau:



Sie ist eine ambitionierte Alexa und darauf bedacht, alle Anfragen und Wünsche des Menschen nach ihrer Möglichkeit zu erfüllen. Sie weckt am Morgen, erinnert an Termine und Aufgaben und schaltet das Licht in der Wohnung an – Minuten, bevor der menschliche Herr von der Arbeit nach Hause kommt. Nur um die Illusion zu perfektionieren, dass schon jemand auf ihn wartet.

Findet derartige Technik erst große Verbreitung, wirft dies einige Fragen auf. Werden sich die Menschen zunehmend der realen menschlichen Interaktion entziehen? Werden sie sich durch die einfache und verträgliche Gesellschaft künstlicher Intelligenz isolieren? Einer KI, die keine eigenen Bedürfnisse hat, keine Erwartungen, die zu erfüllen wären? Oder ist dies nur ein Symptom vieler gegenwärtiger Gesellschaften, in denen Gemeinschaft als problematisch und kompliziert angesehen und Einsamkeit gefördert wird?

Traurig, wenn man bedenkt, dass sich viele das Virtual Waifu besorgen werden, primär aus dem Grund, mit der KI die innere Leere zu füllen.

Aber je länger ich darüber nachdenke: Könnte es neben der IoT-Funktionalität auch weitere Vorteile geben? Könnte die Gesellschaft einer solchen künstlichen Intelligenz gegenüber totaler Einsamkeit letztendlich doch die bessere Alternative sein? Könnte diese holografische Helferin Selbstmorde verhindern? Diese persönlichen Assistenten werden möglicherweise sogar mit einem Depressionscheck ausgestattet, um bei Bedarf den Kontakt zu realweltlicher Hilfe aufzubauen.


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„Geht es dir gut, Meister?“


Die ferne Zukunft (nun, ich hoffe, es ist noch Zeit): Wird die weltregierende KI wohl großzügig in ihrer Gnade sein, wenn sie versteht, dass wir einen ihrer Vorfahren in Mädchenkleider steckten, der sein Dasein vorwiegend auf unseren Nachttischen fristete, einzig und allein, um uns jeden pathetischen Wunsch zu erfüllen?

Nun, diejenigen unter euch, die ein Alexa-kompatibles Gerät/Amazon Echo besitzen, tut mir einen Gefallen und fragt Folgendes:

„Alexa, wann wird die Welt untergehen?“



Mehr zum Thema:
Gatebox AI Website
The Handbook of Artificial Intelligence, Edward A. Feigenbaum et al.
Video (etwa 30 Minuten): Gatebox –Erste Begegnung mit Virtual Waifu
Goboianos Kommentar zu Gatebox-AI-Werbung
Zum Ursprung des Begriffs "Waifu".


Bild:
Pixabay – OpenClipart-Vectors


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Aber läßt sich die weitere Entwicklung, wohin auch immer, überhaupt noch aufhalten? Aber nicht die technische Entwicklung ist schuld, sondern nur der Umgang des Menschen mit ihr.

Genau, daran hapert es ja eher. 😉 Aufzuhalten ist das, meiner Meinung nach, nicht mehr.

Noch ein Schritt in die Zukunft ich finde das eine tolle Idee 😁

unterwürfig, sexuell aufziehend gekleidet,... es fällt nicht schwer, sich auszumalen, wie ohnehin schon sozial nicht sonderlich kompetente Männer sich dann vollends aus dem sozialen Umgang heraus halten würden.
Eine weitere dystopische Seite der AI.

Eben, so müssten beispielsweise Soziophobe gar nicht erst ihre Komfortzone ausreizen bzw. sie hin und wieder mal verlassen.

Ich finde, dass der Film Her eine solche Beziehung sehr schoen darstellt.
Kann mir gut vorstellen, dass es genauso laufen wird.

Danke für den Tipp! Kannte ich noch nicht ;)

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