Mehr Anerkennung für pflegende Angehörige

Wir haben keine Anerkennungskultur. „Well done“ oder „Good job“ geht den Amerikanern viel leichter über die Lippen als uns ein „gut gemacht“. Wir haben aber nicht nur ein Problem beim Anerkennen guter Leistungen, sondern auch mit der Annahme eines Lobes. Lob ist einem ja beinahe unangenehm, obwohl es einem doch sehr freut.

Die soziale Anerkennung ist ein Grundbedürfnis wie Essen, Trinken oder Schlafen und die gegenseitige Anerkennung ist wichtig für jede Art von Zusammenleben. Wo die Anerkennung als Person und für das eigene Handeln fehlt, fühlen sich Menschen irgendwann unsichtbar. Wer nicht anerkannt wird, gerät in Gefahr, zum Außenseiter zu werden.

In der häuslichen Pflege wird in der Regel durch pflegende Angehörige nicht die viele Arbeit, sondern das Gefühl sich immerzu anzustrengen, ohne dafür Anerkennung zu bekommen beklagt. Je größer die Diskrepanz zwischen enormer Anstrengung und geringer Wertschätzung ist, umso größer ist der emotionale Stress, welcher zu körperlichen und seelischen Alarmzeichen führen kann. Die Folge können Unzufriedenheit, Resignation, Depression oder/und eine Krankheit sein.

In unseren Breiten erfahren pflegende Angehörige eine noch geringere Anerkennung als beruflich Pflegende. Die selbst organisierte häusliche Pflege ist gesetzlich nicht gleichberechtigt zur ambulanten Pflege durch einen Dienstleister oder zur stationären Pflege – trotz der weithin erhobenen Forderung „ambulant vor stationär“. Welch netter Widerspruch...

Die sozialen Sicherungsleistungen für pflegende Angehörige sind wohl eher mit einer „Belobigung“ als mit einer echten Anerkennung durch die Politik und Gesellschaft zu bezeichnen. Wird von schlechten Bedingungen in der Pflege gesprochen, sind damit beruflich Pflegende, aber nicht die pflegenden Angehörigen, oder ehrenamtlichen „Laienpfleger“ gemeint. Ohne Lobby gibt’s für die pflegenden Angehörigen auch keine gleichberechtigte Wertschätzung und damit verbunden „selbstverfreilich“ auch keine Anerkennung.

Im Austausch mit Anderen entwickelt der Mensch seine Identität, seine Eigenschaften und seine Persönlichkeit. Durch die Reaktionen unserer Umwelt entwickeln und bewahren wir unser Selbstwertgefühl.

Sind pflegende Angehörige gesellschaftlich akzeptiert? Erhalten sie Lob und Respekt für ihre Entscheidung einen nahen Angehörigen oder eine ihnen nahe stehende Person zu pflegen? Werden diese Menschen wertgeschätzt für ihre Tätigkeit und können sie aus dieser Wertschätzung ein hohes Selbstwertgefühl ableiten? Das ist leider selten der Fall.

Was ist das für ein Phänomen, dass wir uns mit Anerkennung so schwertun? Die meisten wissen oder ahnen zumindest, dass das Anerkennen wichtig ist, aber anscheinend wissen viele nicht, wie Anerkennen wirklich geht. Pflegende Angehörige brauchen eine ernst gemeinte, soziale, gesellschaftliche und politische Anerkennung.

Anerkennen braucht zunächst das Erkennen. Um zu erkennen, muss ich kennen. Und wann kennen wir? Wenn wir gesehen, wahrgenommen und im besten Fall selbst erfahren, bzw. erlebt haben. Häusliche Pflege und das Engagement pflegender Angehöriger findet aber zumeist im Verborgenen statt. Aus den Augen, aus dem Sinn – so erleben es häufig pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen.

Viel Arbeit ist daher notwendig um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass dies was hinter verschlossenen Türen durch pflegende Angehörige tagtäglich geleistet wird, anerkennenswert ist.

Apropos Wert:

Anerkennung wird häufig mit Wertschätzung in Zusammenhang gebracht. Wird das, was pflegende Angehörige täglich leisten auch wirklich als wertvoll angesehen? Ihre Arbeit wird nicht mit derselben Wertigkeit anerkannt wie die einer Pflegefachkraft – weder ideell noch finanziell. Häufig müssen sich pflegende Angehörige sogar belächeln lassen, wenn sie ihrer Umwelt erzählen, dass Sie pflegen. Ihre Arbeit wird auch nicht gleichgesetzt mit der Eltern- oder Erziehungsarbeit.

Die pflegenden Angehörigen haben es vielerorts nicht ins öffentliche Bewusstsein geschafft.

Damit geringschätzt man zum einen die Motive, aus denen heraus die meisten ihre Angehörigen pflegen - nämlich Liebe und Verantwortungsbewusstsein und zum anderen geringschätzt man auch den menschlichen und sozialen Wert ihrer Arbeit und den Wert für die Gesellschaft.

Der größte Pflegedienst der Nation ermöglicht seinen Angehörigen ein grösst- und längstmögliches selbstbestimmtes Leben. Pflegende Angehörige ersparen der Gemeinschaft Kosten in Milliardenhöhe, welche ansonsten für die Pflege in stationären Einrichtungen aufgewendet werden müssten. Ohne sie wäre der Fachkräftemangel in der (beruflichen) Pflege noch viel deutlicher zu spüren als bereits jetzt.

Ihr Wert kann also eigentlich gar nicht hoch genug eingeschätzt und anerkannt werden. Vom guten Gefühl, jemanden die bestmögliche Pflege zu geben, kann man nicht leben. Man braucht soziale Kontakte und materielle Sicherheit. Man will soziale Anerkennung und auch die Möglichkeit haben sich selbst zu verwirklichen. Außerdem benötigt man Zeit für die eigene Regeneration, um ja nicht auszubrennen.

Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dass die häusliche Pflege aufrichtig wertgeschätzt und anerkannt wird. Pflegende Angehörige sollten sich selbst, für das was Sie tun, mehr loben – auch öffentlich.

Wer sich selbst wertschätzt, tritt anders auf, wird anders oder vielleicht sogar erstmals wahrgenommen und anerkannt.

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Es gibt in Deutschland das Sprichwort: "Eigenlob stinkt". Ich habe das als Kind zu hören bekommen und mich später sehr schwer damit getan, Lob anzunehmen ohne mich dabei unwohl zu fühlen.
Ich finde dieses Sprichwort sollte verboten werden!

Meine Oma hat meinen an Alzheimer erkrankten Opa über einen sehr langen Zeitraum Zuhause gepflegt. Ich finde das bewundernswert!

Überhaupt versuche ich immer wieder Dinge bewusst Wert zu schätzen, die vielen als selbstverständlich erscheinen.
Es gibt viele Berufe oder Tätigkeiten, die mir selber schwer fallen würden und ich beobachte, dass mache Menschen auf Leute herabsehen, die diese Tätigkeiten ausführen (oder sie übersehen). Das finde ich sehr traurig. Ich bin unendlich froh, dass es Menschen gibt, die diese Arbeiten machen!

Und gerade in der Pflege ist es doch auch wichtig, dass diese Arbeit gern gemacht wird und nicht nur widerwillig! Ich möchte weder dass Angehörige von mir - noch ich selbst! -gepflegt werden wenn die Bedingungen so miserabel sind, dass jedes freundliche Wort eigentlich schon zu viel erwartet ist, weil die Pfleger so gestresst sind.

In diesem Sinne: Ich danke allen, die andere Menschen pflegen. Ihr leistet großartige Arbeit.

Ich danke Dir für Deinen Kommentar!

Eine schöne rhetorische Umschreibung was eigentlich ein familiäres Selbstverständnis ist. Die Pflege der eigenen Familienmitglieder ist doch nichts neues, sondern gibt es schon seit es familiäre Zugehörigkeiten gibt. Die externe Pflege ist lediglich für diejenigen Notwendig, die keine Familienmitglieder haben, oder diese auf Grund ihrer fehlenden Mündigkeit noch nicht ausführen können, oder spezialisierte Qualifikation benötigt, die die Familienmitglieder noch nicht erlernt haben.
Aber genau daran sieht man wohin eine Zwangspflegeversicherung führt, nämlich zur Verantwortungslosigkeit gegenüber seiner eigenen Familie.

Früher galt die externe Versorgung als eine Ausnahme, heute scheint die externe Versorgung als normal und die interne als besonders, die besondere Anerkennung bedürfe. Liest man diesen Artikel quer, erscheint der Eindruck, als soll dieser Appell für mehr wirtschaftliche Unterstützung sorgen, am besten noch alle anderen sollten gezwungen werden diese Unterstützung zu leisten.

Ich möchte damit nicht deinen Beitrag herabsetzen, denn ich verstehe deine Motivation sehr gut und kann diese auch voll und ganz nachvollziehen. Aber es nutzt nichts, an einem Symptom herumzubasteln wo doch die Ursache an ganz anderer Stelle zu finden ist.

Und wer sich selbst wertschätzt, bedarf keiner Wertschätzung durch Dritte. Ein jeder, der seiner Verpflichtung und seiner Verantwortung nachkommt kann sich selbst wertschätzen. Aber diese Verpflichtung und Verantwortung hat seine Grenzen des Machbaren. Was bedeutet das dies nicht für die ganze Welt, nicht einmal für den Bekanntenkreis im weitesten Sinne Gültigkeit hat. Es kann von diesen auch nicht eingefordert werden oder noch schlimmer per Zwang verordnet werden.

Der Begriff Sozial steht heute vollkommen auf dem Kopf und ist durch und durch sinnentleert. Er ist zu einem Propagandamittel verkommen um Raub zu rechtfertigen. Wobei das geraubte noch nicht einmal dem Propagandazweck zukommt, sondern größtenteils in den Taschen der Propagandisten verschwindet. Nutznießer dieses Missbrauchs, dessen eigentlichen Sinn einer edlen Eigenschaft sozial sein zu dürfen zukommt, sind die Verfechter selbst. Sie rauben dem wahrhaft sozialen Menschen die Möglichkeit sozial sein zu dürfen um sich selbst zu bereichern, sein handeln zu rechtfertigen und selbst mit Anerkennung zugeschüttet zu werden.

Dieser Kommentar könnte unter Umständen dazu dienen, mich mal wieder umbeliebt zu machen. Doch Wahrheiten sind manchmal eine einsame Insel.

Die Wahrheit - wenn eine Partei vor einer Wahl seinen möglichen WählerInnen reinen Wein einschenkt und die Wahrheit verkündet würde sie niemals gewählt werden... Die Menschen lieben es vor der Wahl belogen zu werden, damit sie sich nach der Wahl darüber beschweren können belogen worden zu sein...

Die Wahrheit darf und soll durchaus unbequem sein und genau deshalb bin ich Dir dankbar für Dein Posting.

puuuuh, danke

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