Der Mensch ist des Menschen Werwolf (Teil 1/7)

in #shortstory7 years ago (edited)

Das ist der Anfang einer siebenteiligen Kurzgeschichte die ich vor längerer Zeit verfasst habe. Es fängt an mit Teil 1, dem Prolog.

Prolog:

Es war einmal, im mittelalterlichen Europa zu Zeiten der großen Pest. Der schwarze Tot hatte schon einen großen Teil der Bevölkerung dahingerafft. Man glaubte an eine Strafe. In diesen dunklen Zeiten waren Inquisitoren, ausgesandt von ihrem hohen Orden, unterwegs um die Welt von allem Übel zu reinigen um Gott wieder milde zu stimmen. Ein alter Inquisitor und sein Gefolge waren nun schon länger unterwegs und hofften wenigstens diese Nacht eine Bleibe mit Dach über dem Kopf zu finden. Der Schüler des Inquisitors, Enzo, war es, der eine Ausschilderung ausmachte, welche auf ein nahegelegenes Dorf hinwies. Dieses lag nicht direkt auf dem vorgesehenen Weg, doch auch der Inquisitor war es leid, im Freien zu nächtigen und  entschied, dass diesmal vom rechten Weg abgewichen werden dürfe. So machten sich der Inquisitor und sein Gefolge, welches aus insgesamt vier Ordensangehörigen bestand, auf den Weg in Richtung des Dorfes.

Enzo war ein junger, gebildeter, aber auch noch unerfahrener Mann. Seit zwei Jahren versuchte er als Schüler alles vom Inquisitor zu lernen was er wissen musste, um später eines Tages selbst Inquisitor zu werden. Obwohl er viel Eifer an den Tag legte und alle ihm aufgetragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit des Inquisitors erledigte, war Enzo sehr unglücklich. Er wollte kein Mensch sein der über Leben und Tod zu entscheiden hat und auch die sadistische Art des Inquisitors missfiel ihm. Er hatte sich aber für das Ordensleben entschieden und diese, einmal getroffene Entscheidung konnte nicht rückgängig gemacht werden. Enzo hatte sich mehr oder weniger mit seinem Schicksal abgefunden. 

Das Gefolge des Inquisitors bestand weiterhin aus dem Ritter Anno von Thule. Dieser war der Leibwächter des Inquisitors, welcher vom Orden zu dessen Schutz abgestellt worden war. Anno war ein verschwiegener, großer und muskulöser Mann. Enzo wusste so gut wie nichts über ihn. Lediglich seine vielen Narben wiesen auf unzählige geschlagene Schlachten hin.  

Zuletzt war da noch Aglaja, sie verbarg ihr Gesicht immer hinter einer tiefen Kapuze und Enzo konnte sich nicht erinnern es jemals ganz gesehen zu haben. Ihr wurde nachgesagt eine Hexe mit besonderer Kräuterkenntnis zu sein. Ob der Inquisitor sie zu seinem Vergnügen mitgenommen hatte, oder ob er wirklich an ihre Fähigkeiten glaubte konnte Enzo nicht mit Sicherheit bestimmen. Sicher war er sich nur, dass der Inquisitor keinen loyaleren Diener haben konnte, denn nur wegen dem Eingreifen des Inquisitors war Aglaja noch am Leben.  

Nach einer weiteren Stunde Marsch entdeckte Enzo am Horizont aufsteigenden Rauch, sie waren am Dorf angekommen. 

Am Eingang des Dorfes angekommen, kam den Reisenden eine Frau mittleren Alters entgegen. Sie trug die Kleidung der Edelleute und musste daher wohl von Adel sein. Sie schien ein freundlicher, zuvorkommender und gütiger Mensch zu sein. Genau die Art von Mensch die der Inquisitor nicht leiden konnte.  

Paternella setzte an zu sagen: „Willkommen in unserem kleinen Dorf, ich bin Gräfin Paternella von Grabfunde...“, 

der Inquisitor unterbrach sie barsch und sagte: „Schweig Weib, ich bin nicht durch die halbe Welt gereist um mir das Gewäsch eines Weibes anzuhören, ich verlange für mich und mein Gefolge ein angemessenes Nachtlager. Ich bin im Auftrag des Herrn unterwegs! Zeig mir den Weg oder verschwinde!“. 

Paternella fehlten die Worte, sie wusste sich nicht anders zu helfen, als auf die Mitte des Dorfes zu verweisen, wo sich das Rathaus befand. Daraufhin rannte sie unter Tränen ins Dorf, eine solche Behandlung war sie nicht gewohnt. 

Der Anblick den das Dorf bot war jedoch alles andere als einladend. Es schien wie ausgestorben und, lediglich noch rauchende Feuerstellen waren auszumachen und ein beißender, fauliger Gestank bestimmte die Luft. Nur aus dem Rathaus schienen Stimmen zu kommen.  

Ohne um Einlass zu bitten betrat der Inquisitor das Rathaus. Darin waren zwei Personen, die sich zu unterhalten schienen, oder vielmehr sah es nach einer Befragung aus. Der Fragensteller war ein großer, rothaariger, hagerer Mann mit Brille. Der Andere war ein glatzköpfiger Mann, der nach Kneipenschläger aussah.  

Der Rothaarige sprach den Inquisitor sofort an und sagte: „Ich bin der Hauptmann der Wache und ein Mann des Herrn ist genau was wir hier brauchen“.  

Er hatte den Inquisitor an seinem Ordensring erkennt.  

Hauptmann: „Ich hoffe ihr könnt uns ein wenig eurer Zeit schenken und mich anhören“ 

Der Inquisitor knurrte:  „Meinetwegen, aber fasst euch kurz“.  

„Wie ihr seht ist unser Dorf sehr abgeschnitten von der Außenwelt, daher war unser Dorf von der Pest lange verschont geblieben. Zumindest hatten wir das als Grund angenommen. Bis vor einiger Zeit, da begann es, immer mehr Dorfbewohner einem vorzeitigen Tod anheim zu fallen, bis nur noch wenige übrig waren. Wir glaubten an eine Strafe des Herrn und hielten uns an die Vorschriften der Kirche die Leichen unverzüglich zu verbrennen und Große Opfer zu bringen. Es schien wie ein Wunder des Himmels, die Erkrankungen gingen zurück und die letzten Überlebenden wurden von der Krankheit verschont. Jedoch wurde heute Morgen der Bürgermeister tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden. Zunächst ging ich von einer neuen Pesterkrankung aus, doch die Symptome entsprachen in keinster Weise dem üblichen Krankheitsbild. Daher hoffe ich auf eine Sachverständigen wie euch, der mir helfen kann das Mysterium aufzuklären.“ 

Verwundert über die Gelassenheit des Hauptmanns sagte der Inquisitor zu und sie betraten das Arbeitszimmer. Was der Inquisitor da sah, hatte er zuvor nie gesehen, das Blut gefror in seinen Adern. Der Inquisitor hatte schon viel Elend und Gewalt gesehen, doch diesmal wurde alles Gesehene übertroffen. Auf seinem Schreibtisch lag die Leiche des Bürgermeisters. Diese war jedoch ausgeweidet wie ein von einem Wolf gerissenes Schaf. Der Inquisitor riskierte einen genaueren Blick, ihm fielen Bissspuren am Hals auf. Der Form nach zu urteilen sahen sie nach einem Wolf aus. Aber sie waren zu Groß um tatsächlich wöflichen Ursprungs zu sein. Auch waren in der Gegend keine Wölfe heimisch. Der Sachverhalt hatte das Interesse des Inquisitors erweckt und er erklärte sich bereit den Hauptmann bei seinen Ermittlungen zu unterstützen.  

Nun Wandte sich der Inquisitor dem „Kneipenschläger“ zu,  dieser gab sich als Leibwächter des Bürgermeisters zu erkennen gab. Er konnte aber nicht weiter helfen, da er nach eigenen Aussagen am Abend zu tief ins Glas gesehen hatte. Der Hauptmann bestätigte, dass der „Schläger“ ein schweres Alkoholproblem habe und kein Zweifel an dieser Aussage bestehe. Als er nachmittags, in Erwartung einer Standpauke, im Haus des Bürgermeisters auftauchte, fand er den Bürgermeister tot vor. Der Inquisitor wusste, dass er nicht mehr aus ihm herausbekommen würde, zumal der Leibwächter aufgrund seines Versagens am Boden zerstört schien. Der Leibwächter durfte gehen. 

Der Inquisitor wollte das Rathaus verlassen um zusammen mit dem Hauptmann weitere Nachforschungen anzustellen, als eine junge, Frau, blond und mit schönem Gesicht das Rathaus betrat. Der Hauptmann stellte sie als Igrid, die Tochter des Bürgermeisters vor. Dafür, dass ihr Vater am selben Tag gestorben war, schien sie sehr gefasst. Der Inquisitor entschied, dass sie befragt werden sollte. Enzo könnte den Inquisitor überzeugen das Verhör zu übernehmen, da im Vergleich zum ihm über das nötige Einfühlungsvermögen für die bevorstehende Befragung verfügte. Der Inquisitor und der Hauptmann verließen daraufhin das Rathaus.  

Enzo: „Nun…“  

Igrid unterbrach ihn sofort: „Ich habe schon die Pestkrankheit meiner Mutter durchstanden und möchte zuerst meinen Vater sehen, dann werde ich alle Fragen beantworten.“ 

Enzo: „Aber…“  

Igrid: „Keine Widerrede, ich halte das aus!“  

Enzo: „Nun gut, folgt mir.“  

Igrid betrat das Arbeitszimmer des Bürgermeisters, kurz darauf kam sie zurück. 

Igrid: „Nun gut, wir können beginne.“.  

Enzo begann die Befragung. Sie erzählte ihm, dass der Bürgermeister sich nach dem Tod ihrer Mutter um sie gekümmert hätte und dass sie sich nicht vorstellen könnte, dass der Bürgermeister irgendwelche Feinde im Dorf hatte, die ihm so etwas antun könnten. Der Bürgermeister wäre allseits beliebt gewesen und alle wären ihm für seine selbstlose Arbeit dankbar gewesen. Während der Befragung überkam beide ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit. So erzählte auch Enzo von seiner Ausbildung und wie gerne er ein einfaches, ruhiges Leben führen wollte. Beide empfanden auf Anhieb Zuneigung ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Enzo sah Igrid tief in die Augen, sie erwiderte den intensiven blick und näherte sich ihm langsam zu einem Kuss an. Ihre Lippen berührten sich, doch Igrid schreckte sofort zurück. Ihr Gesicht war plötzlich bleich.  

Enzo: „Was ist?“  

Igrid: „Ich habe die Zukunft gesehen, das mit uns wird kein gutes Ende nehmen. Ich sah ein Bild von unserem Ende, alles Brannte und die Welt schien unterzugehen. Halte mich nicht für verrückt, aber ich hatte genauso eine Vision schon einmal, als meine Mutter starb.“  

Verdutzt schaute Enzo sie an, er konnte kein Wort über seine Lippen bringen, ihm hatte es die Sprache verschlagen.  

Igrid: „Warum sagst du nichts…?“  

Enzo: „Ich…, ich…, du bist nicht die Erste Seherin die ich getroffen habe, mir wurde schon einmal vorhergesagt, damals hatte sich alles Bewahrheitet.“ 

Igrid: „Es, es ist wohl besser wenn ich jetzt gehe.“ Daraufhin rannte sie aus dem Rathaus.  

Draußen überreichte der Inquisitor Enzo einen Schlüssel, er sagte er wolle sich noch mit dem Tod des Bürgermeisters beschäftigen, Enzo solle sich aber zu Bett begeben, denn er brauche ihn früh am Nächsten Morgen im ausgeruhten Zustand. In dem Bett seines Nachtquartiers musste Enzo noch lange an seine Unterhaltung mit Ingrid und ihre Vision denken, bis er schließlich einschlief.  

  

Charakterübersicht: 

Inquisition: Inquisitor, Enzo, Schüler des Inquisitors, Ordensritter Anno von Thule, Aglaja die Kräuterhexe.

Dorfbewohner: Bürgermeister Seitz, Hauptmann der Wache, Schalk der Dorfdepp, Leibwächter des Bürgermeisters, Igrid die Tochter des Bürgermeisters, die drei Honoratioren (Timur, Ulf, Sengrad), Schläger Endres, Paternella von Grabfunde, Paternellas Schwester, Dorfältester Sebolt, Richter Lienen, Wendel der Dieb.

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Hallo, Du könntest ruhig zu Beginn eine Jahreszahl nennen, denn es gab ein paar Pestjahre im Mittelalter, das sich vom 6. bis zum 15. Jahrhundert zog und bitte 1 x "europäischen" im zweiten Satz streichen, da die Geschichte ja in Europa spielt, wäre dann doppelt und liest sich nicht schön. :)

Es war einmal, im mittelalterlichen Europa zu Zeiten der großen Pest. Der schwarze Tot hatte schon einen großen Teil der Bevölkerung dahingerafft.

Danke für den Kommentar. Das "europäischen" hab ich entfernt. Auf eine Jahreszahl habe ich hier absichtlich verzichtet ;)

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