Schizophrenes Sparen – Von den Möglichkeiten der Selbsttäuschung

in #selbstbetrug6 years ago

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Jeder Mensch ist völlig verschieden in seiner Funktionsweise. Den meisten Menschen ist dies überhaupt nicht bewusst und sie denken, dass alle Menschen so ticken wie man selbst. Wenn es einem allerdings an der nötigen Außenbeobachtung fehlt, sollte man zumindest hin und wieder ein wenig Selbstreflektion üben und auf diese Weise mehr über sich selbst kennenlernen.

Ich persönlich habe eine große charakterliche Schwäche. Im Grunde bin ich ein sehr sparsamer Mensch und neige nicht dazu sinnlos Geld für irgend etwas auszugeben. Bei jeder Sache hinterfrage ich mehrfach, ob ich sie wirklich benötige und nur dann, wenn sie mir einen echten Mehrwert bietet, leiste ich sie mir. Die Krux an der Sache ist aber eben, dass mir das nur beim Konsum leicht fällt. Wenn es um das Investieren geht, neige ich dazu eine sehr hohen Quote investiert zu sein. Stets sehe ich am Markt neue Möglichkeiten und Chancen oder habe irgendwelche neuen Ideen, die ich gerne einmal ausprobieren möchte. Unterm Strich fällt es mir also doch schwer das Geld am Mann zu halten.

Von daher unterscheidet ich mich kaum von einem Shopping-King, der am Wochenende um die Häuser zieht und sich mit allerlei neuen Konsumgütern, Kleidern und schicken Schuhen eindeckt. Mit dem einzigen Unterschied eben, dass diese Güter verkonsumiert werden, während meine Güter potenziell einen Gewinn in der Zukunft versprechen. Was soll ich sagen ... eigentlich fast ja sogar noch eine höhere Droge, weil man stets beim Sparen Angst hat etwas zu verpassen, wenn man nicht dabei ist. Ein perfide Form des klassisches FOMO (Fear of Missing Out!) eben.

Kommt es dann zu einer Korrektur an den Märkten, beiße ich mir oft auf die Lippen, weil ich bereits mein gesamtes Pulver verschossen habe und dann erst recht das Gefühl habe eine gute Chance verpaßt zu haben. Was hilft eigentlich bei solch einer Schwäche? Ein komplexes Regelwerk um sich selbst an der Nase herum zu führen. Ob dies wirklich bei jedem anderen Menschen so funktioniert, weiß ich nicht. Aber vielleicht kennst Du ja auch das Problem und bist auf der Suche nach Lösungswege.

Bereits in vergangen Artikeln habe ich das Thema bereits aufgegriffen und dabei insbesondere gesagt, dass man durchaus stets einen Notgroschen am Mann haben sollte. Als vernünftig für progressive Charakter empfehle ich immer mindestens 3 Netto-Monatslöhne in Cash und sofort verfügbar auf der hohen Kante zu haben. Je nachdem in welchem Alter und Umfeld man sich befindet, kann dies durchaus auch mal auf 9 Monate ansteigen. Gerade bei Autobesitzern sollte man eher zu einem zu hohen Puffer neigen. Erst darüber sollte man sich seinem Investitionskonsum wirklich hingeben.

Da aber eben nicht alles im Leben planbar ist, kommt es trotzdem immer mal wieder zu Ausgaben und man muss eben auch an seinen Notgroschen ran. Dafür ist er ja da! Ich spreche da aus diesem Jahr aus Erfahrung, weil der Wagen doch irgendwie häufiger in der Werkstatt war als ich es gehofft habe. Doch was tun, wenn nun ein Teil des Notgroschen verbraucht wurde? Belässt man es dabei, wird man sich vermutlich in einer Situation wiederfinden in dem man ständig am Limit operiert und immer wieder leichtfertig an sein Erspartes geht. Ich empfehle bei so etwas immer einen „Selbstkredit“ zu vergeben.

Man nimmt sein Geld und tut einfach so als hätte man sich das Geld bei jemand anderem geliehen. Noch vor der Ausgabe sollte man mit sich selbst einen Darlehnsplan aufstellen, so dass feststeht, was man monatlich stunden möchte. Am besten legt man für so etwas gleich ein automatischen Zahlungsauftrag ein, der am Monatsanfang vom Lohn den entsprechenden Teil auf das Sparkonto überführt. Bei den meisten Banken auch zeitlich terminierbar, so dass man nur einmal einrichten muss und dann alles automatisch geht.
Bei vielen Menschen reicht dies bereits aus und man verhindert, dass man ständig vom Notgroschen lebt und irgendwann merkt, dass er nicht mehr da ist, wenn man ihn wirklich mal braucht. Nun habe ich aber in den letzten Monaten eine nicht so rosige Situation gehabt und es sind immer wieder neue Ausgaben rein gekommen. Ich habe rund 200% Schulden von dem, was ich eigentlich in der Reserve halten möchte. Eigentlich ein klarer Fall von Abwicklung und Überschuldung. Das tolle an einem Kredit an sich selbst ist, dass man einen recht milden Gläubigen hat, der einem nicht gleich zusammenschlägt, wenn man mal nicht die Raten wie geplant bedient.

Daher erhebe ich nun neuerdings 5% monatlich fiktive Zinsen auf den ausstehenden Betrag. Monatlich und nicht jährlich. Das heißt, dass es wirklich bereits sehr schmerzhaft ist und empfindlich ins Geld geht. Aber ein gesunder Zins kann durchaus eben die Zahlungsmoral erhöhen. Was ich mit dem Zinsen mache? Das was jeder vernünftige Gläubige macht ... ich investiere es.

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da ich ständig sparen muss um die Notreserve aufzufüllen, habe ich ständig das Gefühl gute Marktchancen zu verpassen. Und um die Lage zu verbessern, nehme ich mir noch mehr Geld weg und investiere das dann. Das wirkt schon auf den einen oder anderen ein wenig schizophren. Doch so absurd es sich anhören mag, ist der Mensch durchaus in der Lage verschiedene Rollen gleichzeitig einzunehmen. Jeder erwachsene Mensch kann sowohl strenger Älterer sein und gleichzeitig ein Kind. Etwas anderes machen wollen als man am Ende tut.

Als Schuldner versuche ich zu sparen und möglichst große Raten vom Selbstkredit zu tilgen, weil es mir jeden Monat ein wenig mehr Luft verschafft. Gleichzeitig fülle ich auf diese Weise den Notgroschen wieder wesentlich fixer auf, was die Vernunft gebietet. Und gleichzeitig gebe ich als Gläubiger Geld für Investments her um langfristig die Einnahmen zu erhöhen und habe dabei eben ein gutes Gefühl.

Natürlich könnte ich ja auch einfach als „Schuldner“ fleißig weiter investieren. Wo ist denn da der Unterschied? Das ich in der Rolle eben sparen sollte und eher Konsumausgaben in Frage stellen sollte und eben nicht ständig neue Ausreden erfinden sollte, doch noch wieder eine Charge irgendwo nachzukaufen.

Durch das Aufteilen der Rollen, fällt es mir nur einfacher als Schuldner Geld zu sparen, da ich ja eben auf diese Weise wesentlich mehr Geld verdienen kann. Denn keine Marktchance gibt mir 5% Monatsrendite. Man wird plötzlich kreativ darin, wie man doch irgendwo ein wenig einsparen kann oder eben weniger konsumiert.

In der Rolle des Gläubigers steht mir plötzlich ein neues Einkommen zur Verfügung, dass ich nutzen kann um weiterhin am Markt zu investieren. Ich habe den Eindruck, dass ich mehr bekomme als ich es eigentlich habe.

Unterm Strich habe ich durch diese Aktion natürlich absolut nichts gewonnen. Das Geld was in meiner Verfügung steht ist weiterhin absolut das Gleiche. Trotzdem fühlt sich diese Konstellation insgesamt wesentlich besser an, weil ich zwei Rollen habe, die sich genau auf das fokusieren, worauf sie sollen. Ich stecke somit nicht ständig in dem Teufelskreis fest, dass ich das Gefühl habe etwas zu verpasse. Versteht das jemand? ;)

Unterm Strich hat dies bereits wunderprächtig funktioniert und trotz einiger weiterer neuer Ausgaben, sollte ich recht fix die Reserve wieder aufgefüllt haben. Dann wird 2019 hoffentlich wesentlich besser anlaufen, so dass ich mich auch endlich wieder verstärkt auf einige Aktienkäufe konzentrieren kann.

Übrigens meiner Beobachtung nach tun viele Menschen in der Situation das Falsche... nämlich gar nichts. Sie verdrängen das Problem und stehen dann irgendwann illiquide da. Gerade wenn man ein geregeltes Einkommen hat, neigt man gerne dazu es einfach zu verdrängen, da es sich schon irgendwie selbst regelt. Und dann passiert mal etwas und man hat plötzlich auslagen (ggf. auch nur temporär). Das ist dann eben der Punkt an dem viele dann bei Ihrer Bank vorstellig werden oder dem Arbeitgeber sind und um Vorschuss bitten.

Dann eben lieber ein wenig schizophrene Selbstverwaltung :)

Mit welcher Vorgehensweise füllt ihr Euren Notgroschen wieder auf, wenn ihr unerwartet an diesen musstet. Habt ihr ähnliche Strategien um damit umzugehen?

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Zum Glück bin ich seit ein paar Jahren nicht mehr in einer solchen Situation, aber als ich zeitweise im Minus war, habe ich den Konsum stark eingeschränkt (Kleidung, Restaurants, Kino etc.) und generell alle Fixkosten versucht, so weit wie möglich zu drücken (d.h. keine Abos, Fitnessstudios, minimalste Versicherungen,...). Hat ganz gut funktioniert, aber verstehe schon, dass sich nicht jeder so zurückhalten kann.

Eine durchaus gute Eigenschaft finde ich, wenn man auch mal mit weniger auskommt. Gott sei Dank sind bei mir Fixkosten bereits immer exklusive, da ich eben solches Geld ohnehin nicht zum investieren nehmen würde. Ich habe aber höchsten Respekt vor Leuten, die wirklich Schwierigkeiten haben auszukommen und sich dann auch entsprechend organisieren können.

du beschreibst hier eine große Triebkraft hinter dem Letzten Kryptoboom. Es gab große Ähnlichkeit zwischen einem Kindersammelspiel wie Pokemon und Kryptowährungen. Die Token haben nummern, verschiedene Fähigkeiten, unterschiedlliche Seltenheit, coole Namen und bunte Symbole, man bekommt sie nur auf bestimmten Märkten usw.

Je größer das Sample, desto wahrscheinlicher sind Gewinner im Sample. Das Problem ist, dass wenn man bei festgelegtem gesamt Investitionsvolumen streut (was keine Diversifikation ist) --> man jedes Asset anteilig verkleinert. Je größer die Dispersion, desto geringer wird aus Opportunitäts-Sicht die einzelne mögliche Position.

Streue ich meine paar Kröten aus einem festen Anteil so sehr, dann werden die einzelnen Positionen irgendwann so klein, dass in Falle eines 100x mein Leben sich nicht ändert. 1000% von Nichts bleibt Nichts.

Ergo muss ich Einnahmen in meine evolutiv bedingte Sammelleidenschaft stecken um größere Positionen einzelner Coins zu akkumulieren. Den Lohn zu Steem tragen usw.

Jetzt kommst du mit der, wie ich finde genialen Idee, einen Anreiz und zwar einen indirekten Anreiz zu etablieren, das Geld nicht derart frei auszugeben (es kostet ja schließlich Zinsen). Das psychologische Problem was ich sehe, ist dass hier du alle Rollen einnimmst und es keine unabhängige kontrollierende Instanz gibt. Bei Schokolade, Zigaretten und Co fängt man dann plötzlich an korrupte Vetternwirtschaft mit sich selbst zu betreiben. Es braucht meiner Meinung nach also Kollegen, einen Smartcontract(Notar) oder eine komplette Spaltung der Persönlichkeit :D. - Wie genial wäre eine Spar-App, die dir vertraglich gesehen wirklich auf die Finger hauen kann? Oder man wird einfach disziplinierter^^ .

Mir persönlich fällt diese Rollenteilung tatsächlich recht einfach. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass dies nicht bei jedem gut funktioniert. Gerade bei den Gütern mit hoher Belohnungskraft kann ich mir durchaus gut vorstellen, dass einem da gleich die interne Korruption blüht. Wenn man da wirklich einen Bekannten oder Partner an der Seite hat, der einem da auf die Finger schaut, kann das ungemein motierend sein. Eine Sparapp oder vielleicht sogar irgendwann mal eine Spar-KI, wären tatsächlich ein sehr interessanter Ansatz. Noch ein wenig Gamification rein und ich bin mir sicher, dass man damit fast jeden dazu bekommen würde ein wenig sparsamer zu haushalten :)

Cooler Artikel und interessante Vorgehensweise. Ich selbst gebe nie mehr Geld aus als ich wirklich muss, sodass jeden Monat automatisch ein Polster entsteht. Für große geplante Anschaffungen mache ich mir vorher Gedanken, wie ich das Geld erwirtschaften kann. Und arbeite dann mehr oder sehe ein das die Mühe sich nicht lohnt.
Für wichtige Anschaffungen gehe ich an mein Polster und versuch nie mehr als ca. 1/3 zu entnehmen, um weitere 2 wichtige Anschaffungen bei Bedarf auffangen zu können.
Sollte das Polster aufgebraucht sein und ich brauche dringend Geld so habe ich bei meinem Vater einen Notfall Groschen angelegt und diesen muss ich gut begründen bevor mein Vater diesen Groschen freigibt. Somit habe ich 3 essenzielle Stufen, quasi die heilige Dreifaltigkeit der Geldpolster :P

Danke für die Blumen.
Der Ansatz ist wirklich richtig. Größere Anschaffungen sollte man unbedingt im Voraus planen. Nicht nur wegen des Sparaspektes, sondern eben alleine auch schon als Sanity Check, ob man wirklich diese Sache benötigt. Wer plant, begeht nicht den Fehler im Affekt zu handeln.
Das mit der Entnahme ist natürlich auch so eine Sache. Bei mir war es tatsächlich das Auto, was bereits mehrfach unerwartet stark in die Ausgaben geschlagen ist. Da ist leider nichts zu machen gewesen. Ein Grund sich zu grämen ist es dann aber auch nicht, denn dafür ist der Notgroschen eben auch da. Gelangt man in diesem, ist es üblicherweise ein Zeichen dafür, dass man ansonsten ein größeres Polster benötigt. Auch ich spiele nun durchaus den Gedanken von meinen 3 auf 5 Monatslöhne Reserve anzuheben.
Und ja, auch der externe Buffer ist durchaus kein dummer Ansatz. Auch ich habe Gott sei Dank immer noch eine solche Möglichkeit mittelfristig an Geld zu kommen, da ich ansonsten vermutlich auch viel zu riskant fahren würde. Man muss bei sowas eben nur aufpassen, dass man nicht zu leichtfertig darauf ankommen lässt, weil man ja ein solches Netz noch hat ;)

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