Der große Tag - ein #QuickieW Beitrag

Liebe Steemianer,
das ist ein Beitrag zur #quickiewm von @nissla und @limesoda, mehr darüber hier.

Zeit ihres Lebens war sie im Abseits gestanden. Schon als ganz Kleine, durch ihre eher schmächtige Gestalt. Doch das kümmerte sie nicht. Monate später, als sie sich längst bereit fühlte, war ihr Platz noch immer auf der Ersatzbank gewesen. Kein einziger Außeneinsatz, trotz ihrer harten Arbeit – 16 Stunden pro Tag, ohne irgendeine Freizeit oder den geringsten Ausgleich. Wenn sie sich manchmal die Aufstellung ansah, die da Tag für Tag an ihr vorbeizog ins Freie, überkam sie eine ungeheure Sehnsucht nach Draußen, ins große Unbekannte und ihre Beine wurden noch zappeliger als sonst.

Aber heute war – endlich - ihr großer Tag. Sie fühlte sich nie lebendiger als genau jetzt. Das Match ihres Lebens würde beginnen mit diesem Schritt – zum ersten Mal trat sie ins Freie. Sie roch völlig neue Gerüche, ihre Fühler zitterten aufgeregt. Sie hatte keine Zeit, die neuen Erfahrungen abzuspeichern, denn schon drängten Schwestern von hinten nach. Sie nahm eine fette Pheromonspur auf und folgte ihr aufgeregt. Sie verhieß reichlich Nahrung. Sie freute sich darauf, selbst Nahrung beschaffen zu können, statt immer nur erbetteln zu müssen. Selbst anderen geben zu können, statt immer nur zu nehmen. Doch das Laufen auf unebenem Gelände war ungewohnt und anstrengend. Noch so manches Mal musste sie Schwestern anbetteln um Nahrung, da sie sonst aufgrund des hohen Kalorienverbrauches schlappgemacht hätte. Sie wusste im Grunde nicht wo sie war, da sie fast blind war, doch plötzlich nahm sie einen anderen, unwiderstehlichen Geruch wahr, den seltsamerweise keine ihrer Schwestern erkannte. Sie beschloss, vom vertraut duftenden Weg abzuweichen und dem unbekannten, lockenden Geruch zu folgen.

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Nach langer Zeit, als sie schon zu verzweifeln (und verhungern) drohte, überwand sie mit letzter Kraft ein dichtes Grasbüschel und der Geruch wurde plötzlich übermächtig: Sie stand vor einem riesigen Etwas, in das sie sofort ihre Kiefer versenkte. Sie wusste nicht, dass es ein Gurkerl war, dass einem Wanderer aus seinem Brot gefallen war und schluckte gierig einen ekligen, sauren Brei, der ihre Mägen aber herrlich füllte. Als sie rundum satt war, schulterte sie bester Laune das Gurkerl – und erkannte sofort, dass sie es damit nie im Leben zurück schaffen würde. Es war wie ein Elfmeter gegen sie.

Doch dann besann sie sich. Es brauchte ihr ja gar nichts auszumachen, sie war ja eine Ameise!
Sie wusste, dass sie auf ihrem Rückweg nur den richtigen Duft ausströmen musste, der ihre Schwestern zuverlässig zu diesem gigantischen Nahrungsberg leiten würde!
So trabte sie munter zu ihrer Kolonie zurück, eine kräftige Pheromonspur hinterlassend.
Es gab an diesem Tag keine stolzere Ameise im ganzen Wienerwald.

Quelle: pinterest.at