Klausurenphase? hätte man doch nur ein außergewöhnliches Gedächtnis.. geht das?

in #psychology6 years ago (edited)

Vielerorts ist gerade zum Semesterende Klausurenphase angesagt - ob bei Studenten, Auszubildenden oder Ähnlichem.
So nun auch bei mir - in ca. 2,5 Wochen ist das ganze dann auch schon wieder vorbei.

Manch einer wird in dieser Zeit wohl das Internet nach Lerntipps durchsuchen, während andere dies schon längst aufgegeben haben, da eh jeder immer nur dieselben Tipps gibt, die nichts bringen.

Mir bringt ein Hintergrundwissen "warum ist das so?" meistens viel mehr, als ein einfaches "versuch doch mal xyz". Vielleicht geht es euch ja auch so, darum hier einmal die "wissenschaftliche" Seite zum Thema.

Warum scheinen manche Menschen ein besonders gutes Gedächtnis zu haben, während andere dies nicht haben? Leute mit einem "außergewöhnlichen Gedächtnis."

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Die Gehirne hinter den überragenden Merkfähigkeiten

Eine Studie (1), die mir sehr ins Auge gesprungen ist, konnte zeigen, dass Menschen mit einem außergewöhnlichen Gedächtnis (ich nenne diese im Folgenden nun abkürzend mit SEs - für SuperErinnerer), im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Personen, die nicht für besondere Gedächtnisleistungen bekannt waren, keine Unterschiede in ihrer Hirnstruktur aufweisen konnten.

Um die neurale Aktivität während des Lernens festzustellen, wurde fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) genutzt. Das sieht dann ungefähr so aus:

Wichtig ist hierbei, dass die untersuchten Personen keine "Inselbegabung" o.ä. hatten, sondern allgemein eine bessere Gehirnleistung zeigten.

Stattdessen stellte sich heraus, dass bei der Verarbeitung der Informationen spezielle Bereiche im Gehirn der SEs aktiviert wurden, die bei der Kontrollgruppe inaktiv blieben. Diese Gehirnregionen sind dafür bekannt, insbesondere das räumliche Gedächtnis zu nutzen - z.B. den Hippocampus, den retrosplenialen Kortex und den medialen parietalen Kortex.

Beim Defriefing (also der Auflösung & Besprechung mit den Versuchsteilnehmern) ergab sich, dass 90% der teilnehmenden SEs sogenannte "mnemonics" nutzen, um sich die Reize zu merken. Womit wir zu einem wichtigen Punkt kommen:

Was sind Mnemonics?

Mnemonics sind spezielle Lernstrategien, die als Ziel haben, dass man sich besser an etwas erinnern kann.
Besonders hervorzuheben ist hierbei die sogenannte "Loci-Technik", die sogar vom "Mann mit dem weltbesten Gedächntis" genutzt wird (2).

Die Loci-Technik kann man sich so vorstellen, dass man gedanklich eine Route abläuft, und verschiedene Orte dieser Route mit den zu merkenden Items assoziiert. Will man sich dann an etwas erinnern, läuft man einfach erneut mental diese Route ab.

Leider werden Mnemonic-Techniken oft als zu kompliziert angesehen, da sie erstmal Aufwand bedeuten. Einfach eine Sache 100x lesen ist nun mal weniger anstrengend, als sich extra zu überlegen, mit welchem Ort man nun eine bestimmte Information verbinden möchte.

Trotzdem sind solche Techniken sehr effektiv - manchmal wird damit argumentiert, dass mit der Loci-Methode die Informationen so geordnet werden, dass sie für unser tägliches Leben relevant sind (da man meistens Orte nutzt, die einem bekannt sind). Dadurch ist es eventuell einfach eine "effizientere" Variante der normalen Gedächtnisfunktion (1).

Der Algorithmus hinter der Loci-Methode

Wie können wir nun also ein genau so gutes Gedächtnis haben, wie Menschen, die sich einfach so hunderte von Zahlen merken können, oder sogar nach einmaligem Zeigen ein ganzes, frisch gemischtes Kartenspiel (3)?

  • Suche dir einen Ort aus, der für dich alltäglich ist - so kannst du sichergehen, dass du ihn so oder so schon in und auswendig kennst
  • Suche dir spezielle Eigenschaften dieses Ortes aus.
    Das Wort "Ort" ist in größerem Maße zu betrachten. Es könnten zum Beispiel Körperteile in einer bestimmten Reihenfolge sein, oder Gegenstände von links nach rechts in deinem Vorlesungssaal (psst, besonders praktisch für eine Klausur im selben Saal), oder aber auch der Weg zur Arbeit
  • Verknüpfe die einzelnen Punkte des Pfades mit dem Inhalt, den du dir merken möchtest
  • Möchtest du den Inhalt nun wieder abrufen, laufe den Weg gedanklich neu ab - manchmal kann es vorkommen, dass du für einen bestimmten Punkt länger nachdenken musst, aber vergessen kann man ihn aufgrund der festgelegten Reihenfolge nicht.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass es wichtig sein kann, sich zu überlegen für welchen Zweck man welchen Ort verwendet. Möchte man sich etwas lange merken, ist es z.B. sinnvoll, einen Ort zu nehmen, den man nur mit diesen Erinnerungen füllt. Da das Gehirn mit vielen miteinander verknüpften Synapsen arbeitet, kann es ansonsten sein, dass beim geistigen Anblick eines Ortes die gelernten Gedächtnisinhalte miteinander konkurrieren und sich am Ende das durchsetzt, was die stärkere Verbindung aufgebaut hat oder gerade durch andere Reize mehr hervorgehoben wird.


Auch die Autorin vom BBC (2) ist sich sicher:

Even the most average brain can boost its memory with special techniques

"Selbst das durchschnittlichste Gehirn kann sein Gedächtnis mit speziellen Techniken verstärken".

Ergänzung:
Aufgrund rechtlicher Bedenken habe ich nachträglich den Fokus vom Originalartikel und deren Versuchsaufbau mehr auf die Loci-Technik verlagert und weiter erklärt.

Die Kernaussage bleibt damit aber erhalten - außergewöhnliche Gedächtnisleistungen lassen sich nicht wissenschaftlich belegbar auf Unterschiede im Gehirn zurückführen, sondern vielmehr auf die verwendete Lernmethode.

Bildquellen:
Der Affe
Brainimaging
Literaturangaben:
(1) "Routes to remembering: the brains behind superior memory"
(2) "The man who thinks like sherlock holmes"
(3) "Ein Kartenspiel merken in 50 Sekunden" - Youtube, Kanal "Boris Nikolai Konrad"

Sort:  

wow, das war wirklich interessant. Tolle Arbeit.

Die Frage, die sich jetzt jeder stellt: Wie kann ich Loci-Technik lernen? Das wär doch mal ein gutes follow-up^^

freut mich, dass es dir gefällt :) und danke für die Anregung!
Ein richtiges "wie kann man diese Technik lernen" fällt mir nicht ein, aber ich kann sie auf jeden Fall genauer erklären und Beispiele geben :)

zur Loci-Technik gibt es bereits genügend gutes Tutorials und Bücher dazu. Habe auch bereits auf meinem Account mal eine Technik vorgestellt, um sich Einkaufslisten gut zu merken, mir gefällt dein Artikel wirklich außergewöhnlich gut, Resteem & Upvote! :-)

Auf diese Art und Weise funktionieren ja auch viele Merksätze, die ich aus meinem Medizinstudium nur all zu gut kenne. Für mich persönlich macht das aber wirklich nur bei relativ stupiden "auswendiglern" Geschichten Sinn. Ich versuche lieber die Systematik zu begreifen, um so in neuen Lerninhalten die Zusammenhänge zu erkennen. Wenn ich solche Erkenntnisse beim lernen neuer Inhalte mit einbauen kann, reichen bei mir oft schon 2-3 Wiederholungen für ein festes Verständnis.

Aber dennoch, ein sehr toller post.

Das ist natürlich auch ein super Weg - wenn man alle Zusammenhänge verstanden hat, kann man sie auch immer mit alten und weiteren neuen Inhalten verknüpfen und so starke Netze aufbauen, die man auch nicht so schnell vergisst. :)
Wenn die zu lernenden Elemente allerdings keinen klar erkennbaren Zusammenhang haben (wie das Beispiel mit dem Kartenspiel) wird das eher schwer fallen - wie du richtig gesagt hast, für "stupides auswendiglernen" daher super geeignet. Ich finde es aber z.B. auch nützlich um sich einfach an alle Sachverhalte die z.B. zu einem Thema gehören zu erinnern, da man so keinen Punkt vergessen kann. z.B. auch für Vorträge - in welcher Reihenfolge wollte man was erzählen? Kurz an den Ort mit dem keyword denken und schwups ist man wieder im Flow :)

danke!

Ich bin gerade selbst in der Klausurenphase angekommen und muss noch 6 Wochen büffeln. Aber die Arbeit, die du da gefunden hast, bestätigt meine Vermutung, dass das meiste im Leben Fleißarbeit ist und Begabungen zwar nett zu haben sind, aber kein absolutes Muss darstellen.

wünsche dir viel viel Erfolg! 6 Wochen dauert ja leider noch ein bisschen :/
Hier ein passender Comic :D von allein kommt nix, Fleiß ist der Schlüssel zum Sieg :) und die richtige Technik!

Ich liebe deinen geposteten Komik, der Künstler ist immer wieder einen Lacher wert.

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