Humberto Maturana: "The Origin of Humanness in the Biology of Love"

in #maturana6 years ago

Wenn Maturana die Entstehung von Menschlichkeit aus der „Biologie der Liebe“ erklärt, kommt er nicht um betreffende Definitionen herum. Er beschreibt so „Menschlichkeit“ als eine dezidierte evolutionäre Entstehungslinie: „Wir haben behauptet, dass wir Menschen in Sprache existieren oder, genauer, dass wir in Konversationen existieren, die Verflechtungen von Sprachhandeln und Emotionieren sind. Und wir behaupten auch, dass die Menschlichkeit entstand, als in einer Abstammungslinie von zweibeinigen Primaten das Leben in Konversationen von Generation zu Generation im Lernen der Kinder begann bewahrt zu werden, als eine die Linie konstituierende und definierende Lebensweise.“ (aus: Die Entstehung der Menschlichkeit aus der Biologie der Liebe, S. 65, http://www.aynrandaufdeutsch.de/)

Und „Liebe“ wird wie folgt beschrieben: „Liebe ist der Bereich des Beziehungsverhaltens, durch welchen der andere als ein legitimer anderer in Koexistenz mit einem selbst entsteht. Also gibt es keine verschiedenen Arten der Liebe; Liebe als Bereich des Beziehungsverhaltens bringt jedoch viele Beziehungsdimensionen mit sich, und es gibt unterschiedliche Konfigurationen des Beziehungsverhaltens, in dem Liebe stattfindet.“ (aus: Die Entstehung der Menschlichkeit aus der Biologie der Liebe, Anhang 10, „Dimensionen der Liebe“, S. 207-10)

Die Ausführungen dazu können hier natürlich nicht wiederholt werden. Es gibt aber Grund sich damit zu beschäftigen, und der Übersetzer Christoph Zimmer hält sie für wegweisend. Da aber Maturana kein Praxeologe ist und auch kein Spiritueller, möchte ich hier einige Bemerkungen beisteuern, welche seine Sache für mich erst erhellend und einleuchtend macht.

„Liebe“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch mit allerlei Bedeutungen gefüllt. In der Essenz handelt es sich aber bei Liebe um eine bestimmte Haltung zur Lebenswelt, so dass man bereit ist, das Sein in seiner Existenz anzunehmen, ohne es zu werten, Erwartungen zu hegen, es zu verurteilen usw. Das bedeutet, es ist eine holistische Sichtweise und hat mit unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung des Egos nichts gemein. (Jiddu Krishnamurti hat entsprechende Erläuterungen zum Begriff Liebe gemacht, an die kein Weg spiritueller Weg vorbeiführt. Siehe Vollkommene Freiheit S. 222-225,

. Ich kann mir vorstellen, dass Maturana dem zustimmen würde.)

Trotzdem existiert auch die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung des Egos, sei es das eigene Ego oder das des anderen. Die Folgerung, die sich daraus ergibt, ist lediglich zu sagen: Es gibt diese Sichtweise. Wir lassen sie rekursiv zu. Wir beobachten in dieser Weise und machen sie uns zu Nutze, indem wir potentiell mehr Bedeutung über unsere Lebenswelt erkennen werden, als nur die Erfahrung aus unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung des Egos (Ego in blinder Ablehnung oder blinder Akzeptanz). Die Frage ist nur, wie wir diesen Nutzen, der mental die Fähigkeit voraussetzt, die Bedürfnisanstalt des Egos in eine Warteschleife zu schicken, um in rekursiver Erforschung unserer kosmischen Bedingungen zu lernen und dieses Erlebnis als diesen Nutzen sogar auch unbewusst emotionieren können. Wenn das so ist, würde es uns erst auf der letzten Rille aller rekursiven Meditation bewusst werden können. Oder aber es ist eine unbewusste Fähigkeit, die unterstützendes Training benötigt, wie es durch eine harmonisch geerdete Erziehung und Kulturprägung bereit bestehen kann oder eben nicht. Die bewusste Fähigkeit hat sicherlich den Vorzug, dass sie uns durch erlernte Meditation direkt zur Verfügung steht. Die unbewusste Fähigkeit benötigt jedoch eine naturverbundene Prägung als Grundlage, um den Nutzen der Meditation über eine Wertsetzung, einen Kodex, ein Ehrgefühl, einen Ethos usw. modellieren und indirekt zugänglich zu machen. Die bewusste Fähigkeit ermöglicht darüber hinaus zu differenzieren. Eine Mutter kann ihr Ungeborenes lieben und in seiner Koexistenz akzeptieren. Sie könnte es aber trotzdem mit sich vereinbaren, es abzutreiben, wenn sie sich dafür entscheidet, ihre eigenen Bedürfnisse als solche in ihrer Koexistenz zu akzeptieren und in einer vielleicht schweren Entscheidung den Vorzug zu geben. Dies nun „Liebe“ zu nennen, ist für den Betroffenen oder Außenstehenden nicht zwangsläufig nachvollziehbar.
In diesem Sinne führt der Ausdruck „Biologie der Liebe“ zu Missverständnissen. Ich würde es lieber „Biologie der Gegenwärtigkeit von Yin und Yang“ nennen. Bei Maturana fehlen aber die spirituellen und praxeologischen Zusammenhänge.

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