1000 Gesichter der Inspiration: #002 Alex Frederickson | Fotografin und Autorin

in #life6 years ago

Über die 1000 Gesichter der Inspiration

Inspiration hat viele Facetten und noch mehr Gesichter: Künstler, aber auch Lehrer, Trainer, Eltern, Großeltern, Freunde, Nachbarn, Freiwillige inspirieren uns im Alltag, unser Leben und unsere Handlungen zu überdenken und die großen und kleinen Dinge des Lebens anzupacken. Wir alle leben von Inspiration. Wir tragen sie in uns. In meiner Reihe 1000 Gesichter der Inspiration erwarten euch Interviews und Wordraps mit Menschen, die mich persönlich inspirieren. Viel Spaß beim Lesen und beim Sich-inspirieren-Lassen!

Alex Frederickson: Malerin mit Licht

Krankenschwester, Personalmanagerin, Personal Trainerin, Englischlehrerin, Buchautorin, Fotografin, Journalistin - die Wahlösterreicherin Alex Frederickson hat vieles ausprobiert. Alex ist eine starke Frau, die sich für andere einsetzt und dabei eines nie aus den Augen lässt: Ihre Träume zu verfolgen und hart an ihnen zu arbeiten. In ihren Charakterporträts zeigt sie keine Hüllen, sondern die Seele und die Lebenswelt der Menschen um sie herum. In diesem Interview drehten wir den Spieß um. Ein schriftliches Charakterporträt einer ganz besonderen Frau.

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Alex Frederickson ist eine englische Fotografin und Autorin. Ihre Wahlheimat liegt aber im schönen Pinzgau in Österreich. Bild zur Verfügung gestellt von Alex Frederickson

Steckbrief

Name: Alex Frederickson
Jahrgang: 1966
Beruf: Fotografin und Autorin
Land: Österreich und England

"Ich hoffe sehr, einen Einfluss darauf zu haben, wie Schönheit definiert wird."

Erstmal danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dich meinen Interviewfragen zu stellen.
Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich bin schon sehr auf die Fragen gespannt.

Du bist ja Autorin und Fotografin. Könntest du den Lesern und mir etwas über deine aktuellen Projekte erzählen?
Ich bin immer an vielen sehr unterschiedlichen Projekten beteiligt. Was das Schreiben betrifft - da bin ich gerade an einem größeren Artikel für ein deutsches Magazin dran. Es geht um einen jungen afghanischen Flüchtling, der nach Afghanistan zurückgegangen ist, um der Abschiebung zu entfliehen. Er hatte seinen Asylantrag erfolglos gestellt. Auch mit der Berufung lief es nicht besser. Und er hatte einfach weder die psychische Stärke noch das Geld, um weitere rechtliche Schritte zu setzen - zumal seine Erfolgswahrscheinlichkeit bei gerade mal 20 bis 30 Prozent gelegen wäre. Ich kenne ihn und seine Geschichte sehr gut. Eine Geschichte, die für viele Flüchtlinge typisch ist und die illustriert, was in der europäischen Flüchtlingspolitik falsch läuft: Warum schicken wir gut integriert, intelligente und fleißige Leute, die vielleicht sogar noch gerade in einer Ausbildung sind, zurück in ihr Ursprungsland, wo ihre Chancen auf ein Leben - nein sogar auf ein Überleben - mehr als nur gering sind? Das hat weder einen ökonomischen noch einen moralischen Sinn. In meinem Artikel erzähle ich daher seine Geschichte.

Auf der fotografischen Seite arbeite ich gerade mit zwei Firmen zusammen. Die eine Firma aus Tirol verkauft und serviciert Kaffeemaschinen; die andere ist eine stylische Café-Bar in Bramberg am Wildkogel im salzburgerischen Pinzgau. Ich porträtiere die Firmen und ihre Arbeitsabläufe, aber auch ihre Klienten und Gäste. Es ist wahnsinnig aufregend, einen Einblick in die Arbeit meiner Kunden zu bekommen und ich bin wirklich beeindruckt von ihrem Engagement für ihre Kunden und Gäste - und von ihrer Arbeitsethik. Trotz allem wissen sie noch, wie man Spaß hat - sie lachen viel bei der Arbeit.

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Porträtkunst trifft Werbung: Ein Foto aus der Reihe für Soccoro. Bild: Alex Frederickson

Ein anderes fotografisches Projekt, an dem ich gerade dran bin, ist dass ich Touristen hier bei ihrem Urlaub in den wunderschönen Alpen des Pinzgaus fotografiere. Der Fokus liegt hier auf natürlichen Fotos, die einfach so entstehen anstatt die Leute ständig für Fotos posieren zu lassen. Ich will Geschichten auch mit meinem Fotos nicht erfinden, sondern sie einfach erzählen.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Projekte?
Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber Inspiration ist wirklich überall. Wir sind alle so unterschiedlich, also was mich inspiriert könnte dich vielleicht komplett kalt lassen. Leute sind mir auf jeden Fall sehr wichtig.

Du bist ja gerade auch dabei, Charakterporträts von Leuten zu schießen, die du vorher noch nie getroffen hast. Ist das nicht eine wahnsinnig große Herausforderung?
Als ich mit der Fotografie begonnen habe, war ich absolut davon überzeugt nie im Leben Porträts zu machen. Ich finde es durch und durch schrecklich, dass Gesellschaft uns vorschreiben will, wie wir auszusehen haben, wie wir uns verhalten, was wir uns ansehen, womit wir fahren und was wir anziehen sollen. Das ist nicht nur total unwirklich, sondern fügt auch unserer Psyche einen unsäglichen Schaden zu! Ich habe mich sehr lange auf Landschaften und Natur - also die Schönheiten um mich herum - beschäftigt. Aber ich liebe Menschen und schließlich wollte ich mich doch auch fotografisch mit ihnen beschäftigen.

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Das Gesicht dieses Mannes erzählt die Geschichte seines Lebens. Bild: Alex Frederickson

Anfang des Jahres, habe ich Charakterporträts auf Instagram entdeckt. Die unterschieden sich gänzlich von traditionellen Porträts: Da werden keine Falten oder andere natürliche Details wegretuschiert. Charakterporträts zeigen das Innere der Menschen und versuchen, die Essenz einer Persönlichkeit einzufangen und wiederzugeben. Meine bisherigen Resultate haben mich umgeworfen - meine Kunden sind begeistert. Eine Dame hat letzte Woche gemeint: "Ich habe das Gefühl, Sie haben meine Seele fotografiert."

Solche Resultate brauchen natürlich ihre Zeit: Ich sitze lange mit meinen Kunden beisammen und rede einfach mit ihnen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer sie wirklich sind. Wir alle haben einen Ausdruck, eine Geste, einen Blick, der absolut typisch für uns ist. Danach suche ich. Wenn Freunde und die Familie sich das Porträt ansehen und sagen: "Oh ja, das ist so richtig Hans oder Edith." - dann weiß ich, dass ich erreicht habe, was ich wollte. Was ich aber gelernt habe: Solche Porträts sind (noch) nicht für jeden: Es gibt immer noch viel zu viele Leute, die ihre Falten oder Narben als etwas Unattraktives wahrnehmen, anstatt sie als das zu sehen, was sie wirklich sind: Sie zelebrieren das Leben, das ihre Träger gelebt haben. Ich hoffe sehr, einen Einfluss darauf zu haben, wie Schönheit definiert wird. Jedes meiner Porträts ist ein Schritt in diese Richtung.

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Dieses Charakterporträt sprüht nur so vor Charakter. Bild: Alex Frederickson

Du bist ja Engländerin, arbeitest aber jetzt in den österreichischen Alpen. Inwieweit ist es anders, deinen Job in so einer Umgebung zu machen?
Das ist eine interessante Frage. Ganz allgemein gesprochen unterscheiden sich die Leute in Stadt und Land sehr - ganz egal in welchem Land dieser Welt. Ich lebe in einem Schigebiet. Das bedeutet, wir haben Gäste aus der ganzen Welt zu Besuch. Unser Dorf hat aber nur knapp 3.000 Einwohner - und die meisten davon kennen sich oder sind sogar verwandt miteinander. Da ist es natürlich anfangs eine Herausforderung, sich einzuleben. Die Leute sind aber sehr nett und bemühen sich wirklich umeinander. Ich kann mich also wirklich nicht beschweren.

Warst du eigentlich immer Fotografin? Wie bist du zu deiner ersten Kamera gekommen?
Oh wow! Ich glaube, du wirst bereuen, diese Frage gestellt zu haben, aber sie wird viel darüber erklären warum ich so bin wie ich bin und warum ich hingekommen bin wo ich jetzt bin.
Mit 18 habe ich eine Ausbildung zur psychiatrischen Krankenschwester gemacht anstatt an die Uni zu gehen, wie meine Eltern das gerne gehabt hätten. Ich war immer eines dieser Kinder, die streunende Hunde nach Hause gebracht hat und das Freundschaften mit denen geschlossen hat, die keine Freunde haben. Meine Berufswahl war also eigentlich nicht besonders überraschend. Oder eigentlich doch. Nach sieben wunderbaren Jahren haben es die Umstände erfordert, dass ich mich auf die Suche nach etwas Neuem machte. Also bin ich aufs College gegangen und habe einen Magister in Personalmanagement gemacht. Die Arbeit danach war aber kein wahnsinnig großer Erfolg: Viel trockene, langweilige Theorie. Dazu viel Papierkram. Und viel zu wenig Zeit, die ich mit Menschen verbringen konnte. Drei Jahre später habe ich das hinter mir gelassen - und mir etwas besseres überlegt: Ich machte eine Ausbildung zum Personal Trainer. Die Arbeit mit den Leuten war sehr intensiv und ich konnte ihr Leben ein Stück weit verbessern. Das war in vielerlei Hinsicht der perfekte Job für mich.

2006 bin ich nach Österreich gezogen und habe schnell festgestellt, dass die Personal Trainer Industrie, die bei uns im Vereinigten Königreich gerade geboomt hat, in Österreich nahezu überhaupt nicht vorhanden war. Österreicher machen Sport, weil sie ihn lieben und wissen auch genau, wie es geht - das ist ein ganz normaler Teil des Alltags hier. Wer keinen Sport machen will, der macht ihn auch nicht. Ganz einfach. Also habe ich dann damit begonnen, Englisch zu unterrichten - und ich habe herausgefunden, dass ich diesen Job liebe. Meine Muttersprache ist für mich wie ein Schatz - und für all jene, die im Tourismus beschäftigt sind eine absolute Notwendigkeit. Und außerdem konnte ich wieder mit Leuten arbeiten. Win-win!

2010 habe ich oft über meine Erfahrungen als Krankenschwester in der Psychiatrie gesprochen. Eine Freundin hat mich gefragt, warum ich diese Gedanken nicht zu Papier bringe. Vier Jahre mühseliger Arbeit später hatte ich mein Buch "Labelled" (deutscher Titel: "Ver-rückt") draußen. Das Schreiben hat mich dazu gebracht, auch Artikel zu schreiben - und die musste ich mit Fotos einreichen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Meine erste Kamera was eine Canon EOS 600D, aber letztes Jahr bin ich zur Fuji XT2 gewechselt. Das war zweifelsfrei eine der besten Entscheidungen, die ich jemals gemacht habe - und meine Erfahrungen wuchsen. Mit der Fuji machte es einfach mehr Spaß. Ich liebe die X-Serie - sowohl die Kameras als auch die Objektive.

An welche Fotoshootings erinnerst du dich besonders gerne?
Ich liebe Fotoshootings. Meine liebsten Erinnerungen drehen sich immer darum, dass sich Leute entspannen und Spaß haben, wenn sie mal verinnerlicht haben, dass es um ihre Natürlichkeit geht und nicht um irgendetwas das sie nicht sind.

Sind Menschen oder Landschaften die größere Herausforderung?
*Fotografen spezialisieren sich ja aus gutem Grund. Landschaften zu fotografieren macht mir weniger Spaß, ist aber sehr entspannend. Die Natur ist mein Rückzugsort, wenn ich mal eine "Überdosis Menschen" hatte - und meine Kamera habe ich immer mit. Wirklich immer. Leute zu fotografieren ist aber viel herausfordernder und macht viel mehr Spaß, finde ich. Man findet keine zwei Personen, die gleich sind. Es ist interessant, Menschen als Individuen wahrzunehmen und ihnen zuzuhören, während sie ihren eigenen Zugang zu unserem gemeinsamen Ziel zu finden - die Essenz ihrer Persönlichkeit abzubilden. Ich dränge sie nie, aber manchmal führe ich das Gespräch ein bisschen, um mehr Offenheit zu schaffen.

Wenn jemand ein Fotograf oder ein Autor werden möchte, aber sich nicht traut ins kalte Wasser zu springen - was würdest du ihm oder ihr raten?
*Wir alle haben etwas das die Welt braucht. Und wenn du etwas zu sagen oder auszudrücken hast - egal ob in Worten oder Bildern - habe keine Angst und mach es einfach. Es könnte ein wunderbares Hobby werden - oder sogar der Anfang einer Karriere. Mach es nur nie für das Geld! Harte Arbeit und Frustrationstoleranz werden irgendwann dazu führen, dass du damit Geld verdienen kannst, aber nur die wenigsten werden davon wirklich reich. Mach es also in erster Linie für dich selbst - weil du wissen willst, wo es dich hinführt. Wenn du ein Autor sein willst, dann schreib. Wenn du ein Fotograf sein willst, fotografiere. Lerne, ohne Ende. Verkauf nicht deine Seele, um dir die beste Kamera zu leisten - eine halbwegs vernünftige Spiegelreflex oder sogar eine spiegellose Kamera reicht. Aber lerne gründlich, sie zu verwenden. Es geht nicht um die Ausrüstung. Es gibt so viel nützliche Information auf YouTube und im Internet ganz allgemein. Verwende sie - und genieße jede Sekunde auf deiner Reise.

"Ich bin frei"

Wir kommen nun abschließend zum Wordrap. Bitte vervollständige diese sieben Sätze spontan:

  1. Fotografie ist…die wunderbarste Art, Momente und das wahre Leben für immer einzufangen.
  2. Österreich ist…eine wunderschöne Komplexität.
  3. Liebe ist…im Kern wirklich sehr einfach.
  4. Inspiration ist…überall; du musst die Dinge nur mit einem neuen Blick sehen.
  5. Meine bisher größte Herausforderung war…meine Welt neu aufzubauen, nachdem ich 2016/17 ein Burnout überlebt habe.
  6. Ich liebe was ich tue weil…es mir erlaubt, zu mir selbst zu stehen. Ich bin frei.
  7. Mein Lebensmotto ist…suche mich irgendwo zwischen Anderen-Helfen, An-mir-selbst-Arbeiten, Negative-Einstellungen-Vermeiden und dem Verfolgen meiner Träume.

Danke, Alex, für das Interview!

Wer das Buch "Labelled" ("Ver-rückt") lesen möchte, findet es exklusiv in Alex Webshop für 17,99 € (deutschsprachige Ausgabe) bzw. 18,99 € (englische Ausgabe) exklusive Porto.

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Wieder ein sehr interessantes Interview mit einer inspirierenden Persönlichkeit! Danke dafür :-)

Danke dir @vieanna, das ehrt mich sehr :-)

Danke Dir fürs Veröffentlichen!

Sehr gerne. Ich habe wahnsinnig viel Spaß an dieser Reihe und hoffe, dass es meinen Lesern ähnlich damit geht :-)

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