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RE: [DEU / ENG ] Kurz und Schmerzlos | Zurückgeblickt - was würdest du heute anders machen? | Looking back - what would you do differently today? ?

in Steem Germany3 years ago

Machen meine Entscheidungen mich zu dem, der ich bin?
Oder trifft der, der ich bin, seine Entscheidungen, und zwar auch dort, wo mein bewusstes Ich sie im Nachhinein lieber anders gesehen hätte?
Hätte ich die für mich prägenden (oder die von mir für prägend gehaltenen) Entwicklungsschritte auch mit anderen Entscheidungen in anderer Reihenfolge durchlaufen können?
Woher die Angst oder der Wunsch, die derzeitige Persönlichkeit nicht verändert zu haben zu wollen? Erscheint meine Persönlichkeit mir als die bestmögliche?
Was ist mit den anderen Menschen, die von meinen Entscheidungen mitbetroffen sind? Konnten sie sich bestmöglich entwickeln, oder habe ich sie darin behindert?

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Mit Mitte Zwanzig ließ ich mich taufen. Von einem Freund in einem Weiher in der Nähe meines damaligen Wohnortes.
Den Freund kannte ich zu diesem Zeitpunkt knapp zehn Jahre. Wir waren als Teenager in derselben christlichen Jugendgruppe zugange, hatten uns dort engagiert und uns befleißigt, einen pietistisch geprägten Glauben zu leben, der auf einer persönlichen Beziehung zu Gott gründen sollte.
Es gab Höhen und Tiefen, es gab die weit verbreiteten, sozusagen „üblichen“ Verwechslungen von Glauben, Meinen und Wissen. Immer wieder tauchte die Frage auf, ob unser Leben ernsthaft genug das repräsentierte, was wir mit Worten bekannten. Es sollten keine Lippenbekenntnisse sein. Unser Gott mochte keine Lippenbekenntnisse, und wir auch nicht. So entstand immer wieder das Gefühl des Ungenügens, des Oberflächlichbleibens, des Versagens.
Mein Freund war nach längerer Abwesenheit eines Tages überraschend wieder aufgetaucht und berichtete mir von seiner kürzlich erfolgten und entschiedenen Hinwendung zu einer pfingstlerisch geprägten Gruppe. Ich stand dieser seiner Entscheidung skeptisch gegenüber. Aber ich wollte ihn nicht mit trockenen, blutleeren Worten von dort weg bewegen, sondern mit Taten. Ich sah vor mir, wie ich ihn „heraus holen“ könnte, indem ich erst einmal mit ihm „hinein gehe“. Das begriff und betrachtete ich damals als eine Art Auftrag Gottes an mich. Darum ließ ich mich von ihm taufen und auf diese Weise in seine Gemeinschaft hinein ziehen. Mir erschien es als der beste Weg, ihm zu helfen. Er sollte sehen, was passiert.
Eineinhalb Jahre später konnte ich tatsächlich die Verbindung zu der pfingstlerischen Gruppe von innen heraus, also mit deren eigener Denkweise, sprengen. Es kostete mich nicht wenig. (Einen Teil davon habe ich angedeutet in meinem „Flash Back“-Text: https://steemit.com/hive-146118/@ty-ty/flash-back)

Nun die Frage: wie stehe ich heute zur dieser meiner Entscheidung, mich von ihm taufen zu lassen?

Meinen eigenen Werdegang prägte sie wesentlich und führte mit existenziellen Zwischenschritten zu dem, als den ich mich heute erkenne. Was aber soll ich über die Auswirkungen auf meinen Freund denken? Er hat sich später einer anderen Sekte angeschlossen. Den Weg mit mir in den Agnostizismus, in das Ich-weiß-nichts bezüglich Gottes, konnte er nicht gehen. Ich selbst habe zwei oder drei Jahre gebraucht, um mich davon zu erholen, und weitere zehn Jahre, um zu einem neuen Glauben (nicht-religiöser Art) zu finden. Damit bin ich hoch zufrieden. Aber ich kann natürlich nicht wissen, ob ich denselben Weg nicht auch gefunden hätte, ohne mich damals von meinem Freund im Weiher taufen zu lassen.

Für meinen Freund, denke ich heute, wäre es vielleicht viel besser gewesen, ihm in Gesprächen „von außen“ zu trotzen und ihn nicht in seiner damaligen Pfingstler-Phase zu unterstützen. Unsere Freundschaft ist an dem zerbrochen, was ich oben als Sprengen der Verbindung bezeichnet habe. Meine Hoffnung, unsere Freundschaft gerade dadurch auf eine neue, feste Basis gründen zu können, ging nicht in Erfüllung. Ob er heute mit seinem Leben zufrieden ist oder ob er sich wünscht, ich hätte damals anders gehandelt, weiß ich nicht. Aber für mich bleibt das Gefühl, nur für mich, nicht auch für ihn das bestmögliche erreicht zu haben.

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Ich musste gestehen, das ich im Internet suchen musste, was die Pfingstbewegung ist. Ja, Sekten oder allgemein irgendwelche Anhängerschaften wozu auch immer birgt immer gefahren - aber für manchen mag es aber auch die innere Glückseligkeit bedeuten. Man schaue sich nur der Rolls-Royce liebenden Opa Bhagwan an. Der type selber lebte ja eh in einer anderen Dimension und war in meinen Augen ein cleverer Abzocker - und am schlimmsten seine Partnerin Vivek die letztendlich mit Gewalt und Terror das ganze Kartenhaus des Osho eingerissen hat.

Aber selbst heute haben die, eine Riesen Anhängerschaft und die "Lehren" des Bhagwan - wo auf einmal alles sooooooo gut war, werden wieder verbreitet und die Anhängerschaft wird wieder von Jahr zu Jahr größer.
Aber Fakt ist - zehntausende von den Anhängern damals und heute haben dort ihre Erfüllung gefunden und sind bis zum heutigen Tag, selbst nach 30 Jahren glücklich und zufrieden. Selbst wenn die Leute total indoktriniert wurden - sie führen ein meist erfüllteres Leben wie der Otto Normalo ...

Schwieriges Thema - auch was Beeinflussung betrifft - denn manchmal muss man eben beeinflussen und auch führen um Menschen zu ihrer "Glückseligkeit" zu verhelfen. Macht im Grunde jeder Priester, Mönch aber auch der Sozialarbeiter - mehr der weniger ....