Flash Back

in Deutsch Unplugged3 years ago

[Flash Back]
[English version below]

Ich stehe auf dem Gipfel eines Hügels, das Gesicht gen Himmel, suche nach Worten, nach Gesten; möchte die Arme empor strecken und kann es doch nicht; will nach Gott rufen, ihn in meiner Nähe wissen, verbiete es mir.

Mein Schutzschild ist zusammen gebrochen, seit ich von der Energiequelle ab geschnitten bin, die ihn speiste. Wie ein Nackter stehe ich, dem Dasein aus gesetzt, vor dem ich hatte sicher sein wollen; wie Glassplitter in eine weiche Haut bohren sich Gedanken, Erinnerungen, Vorwürfe, Anklagen in mein Sein; wieder scheint kein Ausweg, keine Hilfe in Sicht, und schon gar nicht von oben, diesmal nicht, da würde kein Beten und Flehen helfen.

In die Luft möchte ich mich erheben, nicht in die Tiefe stürzen, aber ich kann nicht fliegen. Falle ich? Treibe ich schwerelos im Nichts? Taumele ich wie ein Falter durch Windböen?

Ich stehe auf dem Gipfel eines Hügels, und doch habe ich kein Bein auf dem Boden. Oder: gerade weil ich nicht wirklich auf dem Boden stehen kann, habe ich den Gipfel auf gesucht, will so wenig Erdenmasse um mich haben wie möglich, will näher sein bei Gott, wenigstens räumlich, wenigstens Bruchteile von Bruchteilen einer Entfernung, die so unermesslich ist, wie ich sie zwischen mir und Gott nie hätte denken können. Und doch fühle ich mich beobachtet, weiß nicht genau, ob von ihm oder von seinem Widersacher, kann des Eindrucks nicht wehren, geprüft zu werden, gewogen, vielleicht durchleuchtet: ob ich bereit sei, mich selber auf zu geben, mich fallen zu lassen, auf sein Handeln zu warten, ohne zu verlangen, dass er handele, ohne auch nur hoffen zu dürfen, dass er mich rette.

War das sein Plan, seine Führung?

Nichts mehr wusste ich von ihm, nichts mehr kündete mir von ihm.

In der Leere und Stille nur mein eigenes Echo: wo bin ich? Wer bin ich? Was bin ich? Ein Spielball kosmischer Mächte? Sponnen Nornen mein Geschick? Bin ich Teil einer Geschichte, die längst erzählt und nieder gelegt ist und sich jetzt genau so abspielt, wie es die Chronik verzeichnet für alles, was geschah, geschieht und geschehen wird - und am Ende nichts mehr?

Nein! das wollte ich nicht wahr haben, dass eine Welt sei ohne Freiheit, dass mein Schicksal ein Geschick, mein Sein ein Schein, mein Denken ein Gelenktes sei.

Mein Nein sollte vom Himmelsgewölbe zurückprallen wie ein Überschallknall, doch es war nur ein Flüstern, wenn auch ein Geschrienes: ein Krächzen in einem Raum ohne Decke, Boden, Wände.

Ich stehe auf dem Gipfel eines Hügels, die Landschaft ist mir so leer wie mein Inneres, so einsam wie eine seit Jahrhunderten verlassene Wohnstatt, so schutzlos dem All dar geboten wie die Oberfläche des Mondes, des toten Gesellen, der dazu verdammt ist, das Leben zu umkreisen, endlos an ihm vorbei zu fallen, blaues Wasser und weiße Wolken im eigenen schwarzen Himmel über eigener trostloser Öde, und ich friere, friere von innen, werde starr vor Kälte, kann nichts mehr fühlen, nichts mehr denken, nur noch dass ich friere, friere von innen, ---

--- und ich tappe nach Hause und schreibe fünf Zeilen, reiße die Zeilen einzeln aus und klebe sie als Dreieck links unten auf ein Blatt Papier, stecke das Blatt in einen Umschlag und adressiere es an Freund Charly, der es - wenn einer, dann er - verstehen würde und mir helfen, mir einen Rettungsring zuwerfen würde, einen Anker, einen Halt:

Aufs Neue
Glasplit-ternackt

Und kann nicht fliegen

(Akasha? NEIN!)
ich friere -

[Anfang 1985 / März 2002]

IMAG0133.jpg
ArtWork: Chiharu Shiota, 2015

[Flash Back]
[English version]

I stand on the top of a hill, my face to the sky, searching for words, for gestures; I want to stretch my arms upwards and yet I cannot; I want to call out to God, to know him near me, but I forbid myself.

My shield has broken down since I was cut off from the source of energy that fed it. Like a naked man I stand, exposed to the existence from which I had wanted to be safe; thoughts, memories, reproaches, accusations bore into my being like glass splinters into a soft skin; again there seems to be no way out, no help in sight, and certainly not from above, not this time, no praying and pleading would help.

I want to rise into the air, not plunge into the depths, but I cannot fly. Am I falling? Am I floating weightlessly in nothingness? Am I tumbling like a butterfly through gusts of wind?

I stand on the top of a hill, and yet I don't have a leg on the ground. Or: precisely because I cannot really stand on the ground, I have sought the summit, want to have as little earthly mass around me as possible, want to be closer to God, at least spatially, at least fractions of fractions of a distance so immeasurable that I could never have thought it between myself and God. And yet I feel observed, I don't know exactly whether by him or by his adversary, I can't help feeling that I am being tested, weighed, perhaps scrutinised: whether I am ready to give myself up, to let myself fall, to wait for him to act, without demanding that he act, without even being allowed to hope that he will save me.

Was that his plan, his guidance?

I knew nothing more of him, nothing more announced him to me.

In the emptiness and silence only my own echo: where am I? Who am I? What am I? A plaything of cosmic powers? Do norns spin my destiny? Am I part of a story that has long since been told and laid down and is now playing out exactly as the chronicle records for everything that happened, is happening and will happen - and in the end nothing more?

No! I did not want that to be true, that there was a world without freedom, that my fate was a fate, my being an illusion, my thinking a controlled thing.

My no was supposed to rebound from the vault of heaven like a sonic boom, but it was only a whisper, albeit a shouted one: a croak in a room without ceiling, floor, walls.

I stand on the top of a hill, the landscape as empty to me as my insides, as lonely as a dwelling abandoned for centuries, as defencelessly offered to space as the surface of the moon, the dead fellow doomed to orbit life, to fall endlessly past it, blue water and white clouds in its own black sky above its own desolate wasteland, and I freeze, freeze from within, become rigid with cold, can feel nothing more, think nothing more, only that I freeze, freeze from within, ---

--- and I grope home and write five lines, tear out the lines one by one and stick them as a triangle on the bottom left of a sheet of paper, put the sheet in an envelope and address it to friend Charly, who - if anyone, then he - would understand and help me, throw me a life preserver, an anchor, a hold:

Here's to new
Glass-split-naked

And cannot fly

(Akasha? NO!)
I'm freezing -

[Early 1985 / March 2002]

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

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Hier ist, was ich durch den Übersetzer verstanden habe.
ein Rebus über einen existenziellen Abgrund.
die Illustration ist wunderschön!

 3 years ago 

Glaube mir: der Text ist auch für Muttersprachler schwer zu fassen. Du hast sehr feinfühlig zusammengefaßt, worum es dem Menschen hinter den Worten wohl ging.

Поверьте, текст сложен для восприятия даже носителями языка. Ты очень чутко подытожил то, о чем, вероятно, говорил человек, стоящий за этими словами.

 3 years ago 

Sehr gute Zusammenfassung!
Danke fürs Lesen.
;-)

danke-danke, bitte-bitte ))

Ich selbst denke oft an Moira, die mich immer irgendwo einwebt.
Nicht abspulen, sondern weben.
Verweben eines Fadens zu einem Muster.
weben.
Zungenweben.
(Verzeihung, ich habe mit dem Übersetzer gesprochen)

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, die Realität zu modellieren?

 3 years ago 

Na klar, täglich.
Eine Modellierung geht so:
"Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, die Realität zu modellieren?"
==> Bitte sag doch einfach "du" statt "Sie".
In Deutschland / im Deutschen gehen wir damit eher locker um, und es ist keinesfalls respektlos, sondern wird als eine andere Art von Respekt empfunden.
Das ist kompliziert und hat mit "gefühlter Nähe" zu tun. Es wäre unpassend, jemand "Sie" anzusprechen, mit dem man sich gut versteht (oder glaubt, sich gut zu verstehen).

Конечно, ежедневно.
Моделирование происходит следующим образом:
"Вы когда-нибудь думали о моделировании реальности?".
==> Пожалуйста, просто говорите "ты" вместо "вы". И тогда я сделаю это так ;-)
В Германии / на немецком языке мы довольно непринужденно относимся к этому, и это вовсе не является неуважением, но воспринимается как другой вид уважения.
Это сложно и связано с "воспринимаемой близостью". Было бы неуместно обращаться к кому-то "вы", с которым вы хорошо ладите (или думаете, что хорошо ладите).

Переведено с помощью www.DeepL.com/Translator (бесплатная версия)

 3 years ago 

Auch die Nornen spulen nicht ab, sondern weben. Sie gehören in die Nordischen Sagen (Skandinavien, altes Germanien). Halb-Göttinnen, die das Schicksal weben. Sie spinnen in der "Edda" (einer Sammlung von Sagen) zu dritt, das bedeutet, sie verweben drei Fäden. Darauf spielte ich an. Klotho, Lachesis und Atropos sind die griechischen Entsprechungen - drei Moiras.

Норны также не разматывают, а ткут. Они относятся к норвежским сагам (Скандинавия, древняя Германия). Полубогини, плетущие судьбу. В "Эдде" (сборник саг) они прядут втроем, то есть ткут три нити. Именно на это я и намекал. Клото, Лахезис и Атропос - это греческие эквиваленты - три мойры.

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 3 years ago (edited)

Holla die Waldfee - "schwere" Kost am frühen Morgen... ;-)
Deine Art, deine philosophischen Gedanken zu der Frage nach dem Sinn des Daseins zu Papier zu bringen, gefällt mir sehr gut. Und es gefällt mir, davon überzeugt zu sein, dass wir irgendwann wieder mit der Energiequelle verbunden sein werden. Dann kennen wir auch den Plan - und werden vermutlich wieder "runter müssen", um ihn noch besser zu erfüllen... :-))

 3 years ago 

Planerfüllung?
Bekomme ich da ... historische Assoziationen?

Danke fürs Lesen!

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