Ende oder Anfang? (Manchmal geht auch beides)

IMG_8247.jpg

In diesen Tagen hat sich zu den vielen Erlebnissen, die ich hier im Land der aufgehenden Sonne bereits hatte, eine weitere Erfahrung gesellt, auf die ich nicht wirklich gewartet hatte. Beerdigungen und Trauerfeiern sind nicht unbedingt die Ereignisse, auf die man wirklich scharf ist und unbedingt dabei sein will. Aber je länger man lebt und je mehr Menschen man kennen lernt, desto wahrscheinlich wird es, dass man selber auch einmal Abschied nehmen muss.

Nun traf es mich das erste hier auf der anderen Seite der Welt und auch diesmal passte der wohl bereits ziemlich überstrapazierte Spruch von den anderen Sitten in den anderen Ländern. Hier in Japan finden Beerdigungen im buddhistischen Stil statt und ziehen sich meist über mehrere Tage. Die Sōgi oder Sōshiki genannten Zeremonien umfassen eine Totenwache, die Einäscherung des Verstorbenen, eine Beerdigung in einem Familiengrab und einen regelmäßigen Gedenkgottesdienst.

Auf den ersten Blick klingt das deutlich anstrengender als die Trauerfeiern, die ich aus der Heimat gewohnt war. Und so war es auch, vor allem für die unmittelbaren Angehörigen, die zusätzlich zu den vielen Formalitäten, die jeder Todesfall mit sich bringt, auch für die Trauerfeier ordentlich zu organisieren und zu bezahlen haben.

Für mich war es, abgesehen vom Verlust eines mir bekannten und auch geschätzten Menschen, aber eine neue Erfahrung, welche mich noch ein wenig mehr mit dem Land hier im Fernen Osten und auch seinen Menschen verbunden hat.

Ich saß bildlich in der zweiten Reihe und war unmittelbar dabei. Ich habe dem zuerst zu Hause und dann in der Trauerhalle aufgebahrten Körper des Verstorbenen mehrmals meine Aufwartung gemacht und persönlich und zeremoniell meinen letzten Respekt erwiesen.

Ich habe den Zeremonien der Mönche zugeschaut und ihren Sutren gelauscht, die helfen sollen, die Seele des Verstorbenen auf seine weitere Reise vorzubereiten und in Frieden zu ruhen. Dabei habe ich die prachtvollen und ausladenden Grabgestecke und Blumenarrangements bestaunt und Zeit gehabt, dabei auch ein wenig mit mir selber ins Reine zu kommen. Wenn man dem monotonem Sound der Sutren zuhört, hat das auch etwas meditatives an sich, welches ich in dieser Situation als ziemlich passend und hilfreich empfunden hatte.

Ich habe mitgeholfen, den Leichnam mit Blumen zu bedecken und anschließend den geschlossenen Sarg hinaus zu schieben und zu tragen. Selbst bei den letzten Metern im Krematorium war ich anwesend, und mein Blick hat den Toten begleitet, bis sich die Türen der Brennkammer geschlossen hatten.

Die Überreste ruhen nun in einer kleinen Urne, in der sich neben Asche auch einige handgepickte nicht verbrannte Knochen befinden. Diese Urne ruht nun bis zum einige Wochen neben dem Hausaltar der Familie, bis sie am 49. Tag der dem Todestag folgt, in das Familiengrab eingebracht wird. Bis dahin folgen noch einige weitere Zeremonien und Andachten, bei der auch wieder einer oder mehrere Mönche anwesend sind.

Die Trauerperiode ist also noch lange nicht zu Ende, und wird je nach Familie mehr oder weniger intensiv begangen. Aber auch japanischen Trauerfeiern haben einen leichteren teil, welchen von Speisen, Getränken und lockeren und auch ernsten Gesprächen begleitet wird.

Ein jeder Mensch hat einen anderen Weg seine Trauer zu verarbeiten und oft wissen wir selber nicht genau, wie wir mit solchen Situationen umgehen sollen. Und dann flüchten wir uns ins formelle und in traditionelle Zeremonien, von denen wir uns Trost und Halt versprechen. Aber auch hier darf jeder ruhig seinen eigenen Weg gehen und mit dem eigenen Verlust so umgehen, wie er es für sich als richtig empfindet.

Auf dem ersten Blick mag meine Familie nun kleiner geworden sein, aber wenn ich ganz genau hinschaue, hat sie sich vielleicht sogar vergrößert. Zumindest sind die Bande, die uns verbinden, intensiver geworden, und damit fester und persönlicher. Und so steckt auch in diesem Ende wieder die Saat für einen neuen Anfang, auf dem ich hoffe, aufbauen zu können.

Wir als Gegenwart werden viel zu schnell auch nur noch Vergangenheit sein, aber die Zukunft, die uns so sehr braucht, hat bereits begonnen und wartet auf unsere helfende Hand. Reichen wir sie ihr, ohne Bedingungen zu stellen, und freuen wir uns gemeinsam auf das Morgen.

055along_the_coast.jpg

Sort:  
 last year 

Hi, @maxinpower,

Thank you for your contribution to the Steem ecosystem.

Your post was picked for curation by @greece-lover.


Please consider voting for our witness, setting us as a proxy,
or delegate to @ecosynthesizer to earn 100% of the curation rewards!
3000SP | 4000SP | 5000SP | 10000SP | 100000SP

Coin Marketplace

STEEM 0.20
TRX 0.15
JST 0.029
BTC 63706.08
ETH 2615.50
USDT 1.00
SBD 2.82