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RE: Ist die Integration der DDR Bürger gescheitert?

in Deutsch Unplugged3 years ago

Oha. Da bin ich aber froh, daß zumindest meine "Integration" gründlich mißlungen ist. Davon war nämlich im Einigungsvertrag nie die Rede. Beitritt oder Wiederanschluß oder andere Formulierungen waren volkstümlich, der jeweils eigenen Wahrnehmung entsprechend, und nie juristisch maßgeblich. Es gab einen Einigungsvertrag. Keine Integration der Einen in die Gesellschaft der Anderen. Dieses Vertragswerk war nicht das, war "wir" wollten. Wir in diesem Falle: die Ossis. Ich bin DDR-geprägt, auch wenn ich anders lebte als die meisten meiner Mitbürger. Daher war meine persönliche Geschichtsaufarbeitung noch einmal ganz anders und langwierig. Aber egal. So wenig ich mich als Deutsche verstehe oder so wenig ich Nationalitäten und Grenzen für wichtig erachte, so sehr bin ich dann doch von der Herkunft her ein Ossi.

Unter uns gab es viele verschiedene Vorstellungen davon, wie es nach der Wende weitergehen sollte. Keine davon wurde berücksichtigt. Ebenso nicht die Vorstellungen der Bürger jenseits der innerdeutschen Grenze, wenn ich das richtig beurteile. Es wurden ganz bestimmte, politische und wirtschaftliche Interessen bedient, die allgemein nicht zur Verbesserung der Gesamtsituation beigetragen haben (meine Einschätzung, die sicher von einigen geteilt wird)...

Heute haben wir mehr DDR, als Du wahrzunehmen bereit bist. Mehr von dem, was "wir" nicht mehr wollten. Ein sehr kluger britischer Freund hat mir bereits 2011 erklärt, daß tatsächlich die BRD zur DDR beigetreten wäre. Natürlich wiederum nicht juristisch, aber in der Anspruchshaltung der Politik, der Parteien, der Exekutive. Ich habe das lange bestitten, finde es aber mittlerweile bestätigt.

Die friedliche Wende 1989 war im übrigen nur deshalb erfolgreich und unblutig, weil auf der einen Seite die Unzufriedenheit und Entschlossenheit des Volkes beharrlich und geduldig auf den Straßen demonstriert wurde - und auf der anderen Seite kluge und mutige Menschen auf ihr Gewaltmonopol verzichtet haben, indem sie die entscheidenden Befehle NICHT gaben.

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 3 years ago (edited)

und auf der anderen Seite kluge und mutige Menschen auf ihr Gewaltmonopol verzichtet haben, indem sie die entscheidenden Befehle NICHT gaben.

Das kann ich nur bestätigen. Ich habe später jemanden kennen gelernt, der zur Wendezeit bei der Bereitschaftspolizei war und genau diese Situation aus eigenem Erleben schilderte. Dazu gehörte natürlich auch die Angst, gegen die eigene (friedliche) Bevölkerung vorgehen zu müssen....

 3 years ago 

Ja, die Wünsche des Ostens wurden bei der Wende nicht berücksichtigt. Da stimme ich mit Dir überein. Dass wir heute mehr DDR sind als BRD sehe ich nicht so. Wir sind ein freies Land und jeder ist seines Glückes Schmied, kann sein Leben frei gestalten wie er es möchte. Mit notwendigen Regeln ohne die ein freies, soziales und friedliches Miteinander nicht möglich wäre. An diese sollte sich jeder halten und ich erwarte vom Staat, dass er diese durchsetzt. Ich kenne nur wenige Länder, in denen man so frei aber dennoch sicher ( sowohl körperlich als auch finanziell ) leben kann wie in Deutschland.
Bezüglich der friedlichen Wende gebe ich Dir vollkommen Recht und es war ein Segen, dass die entscheidenden Personen damals auf eine Eskalation verzichtet haben. Heute sehe ich aber eine eindeutige Eskalation seitens der Demonstrierenden, die zur Gewalt greifen. Das geht gar nicht und in diesem Fall bin ich nicht der Vertreter der ...dann halte auch die andere Wange in... Lebensweise.

 3 years ago (edited)

Ich sehe auch eine Eskalation seitens der Demonstrierenden. Zwei Punkte dazu: das sind wenige, im Vergleich zu mittlerweile bundesweit Hunderttausenden auf der Straße. Ich glaube, alleine in Baden-Wütemberg waren es 60.000 am letzten Wochenende. Alles gewaltbereite Ossis? Nee. Die nimmt man nur am prominentesten wahr. Weil sie laut und provokativ genau das wollen: Aufmerksamkeit. Das ist die zweite Sache - wer sind die Auffälligen, Gewalttätigen? Zum einen, ja, Menschen, denen es nicht um eine bestimmte Sache geht, denen Provokation als Selbstzweck genügt. Zum anderen Leute, die in ihrer Hilflosigkeit auf einen falschen Ausweg verfallen. Das ist nicht neu, sogar gut erforscht. In Deutschland dürfte die RAF das bekannteste Beispiel dafür sein, wie unerträglicher Druck einen nicht zu billigenden Gegendruck erzeugen kann. Hilflosigkeit und Fehlverhalten, falsche Einschätzung des Leidensdrucks auf der jeweils anderen Seite, Ignoranz... - hinterher ist das schale Gefühl bei allen Beteiligten gleich verteilt.

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