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RE: Eine Vision...

in Deutsch Unplugged3 years ago

Ich sehe eine ziemlich coole, entspannte Welt. Die Menschen sind nicht getrieben vom Druck, ihren Lebensunterhalt durch ungeliebte und zermürbende Tätigkeiten zu verdienen. Nein, sie gehen auf in Beschäftigungen, die ihnen Freude bringen, die sie ausfüllen und deren Nutzen sie am Abend jeden Tages fühlen und erleben können.

Ich halte das für eine Überbewertung der Lebenszufriedenheit.
Unsere Uraltvorderen in der Steinzeit kämpften ums Überleben. So sagen wir heute, sie erfuhren es vielleicht gar nicht als "Kampf ums Überleben", sondern als Leben.

Seinen Lebensunterhalt zu verdienen und Lebenszufriedenheit zu empfinden, kamen erst auf mit der Arbeitsteilung und mit wachsendem Wohlstand. Beides wollen wir wohl kaum wieder aufgeben. Aber möglicherweise liegt hier der Hund begraben?

In der hier vorgestellten Utopie fehlen mir zwei wichtige Aspekte bzw. Fragenkomplexe:

  • Wie wirkt sich sozialpsychologische Gruppendynamik aus auf die Vorlieben und Entscheidungen des Einzelnen? Wir werden eben NICHT geboren als freie Individuen, sondern wir müssen das lernen. Manche ernstzunehmenden Denker sagen, freie Individualität sei eine Illusion, der wir nachjagen. Fakt ist: Geboren werden wir biosozial abhängig.
  • Wie steht es mit den Organisationen und Institutionen? Den kommunalen, regionalen, nationalen, übernationalen Strukturen? Wenn in einem Haus mehr als eine Partei lebt und wohnt, welche davon (oder welche von ihnen wie gebildete Gemeinschaft) soll entscheiden über das Dach und über den Belag der Straße vor dem Haus? Wer hat überhaupt das Haus so gebaut, dass es an einer möglichen Straße liegt? Anarchie, also Herrschaftsfreiheit, ist eine Sache, Bildungsfreiheit eine andere, und soziale Organisation von gemeinschaftlichen Entscheidungen eine dritte. Bedrohungen von außen (Klimawandel, echte Seuchen, Naturkatastrophen) eine vierte, Bedrohungen von innen (Irrtümer, Lügen, Habgier, Hass und Verbrechen) eine fünfte.

Ich sehe einen Ozean, auf dem viele einst voneinander unabhängige Segelschiffe miteinander vertäut und verschraubt und der Takelage beraubt wurden, um ein stabiles Floß zu gewinnen. Wer ganz am Rande schippert, kann versuchen, seinen Teil wieder abzudocken und davon zu rudern. Aus der Mitte kommt keiner mehr raus. Dort wird längst unter der Oberfläche mit Motoren gearbeitet, die den Kurs halten sollen. Aber wer bestimmt diesen Kurs? Ich sehe das Floß schippern, schwanken, dümpeln, treiben, bisweilen fahren. Wohin? Gibt es überhaupt ein festes Land zu erreichen?

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 3 years ago 

Du bist und bleibst halt mein Lieblings-Schwarzseher...

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