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RE: Ist Rechtschreibung wichtig? Eine kleine Betrachtung.
Gegen die Anschaulichkeit habe ich nicht argumentiert. Diese ist zweifellos gegeben.
Mir ist die Analogie zu oberflächlich und wie gesagt zu leicht in die Irre führend. Inwiefern ist die Lautsprache ein Satz vereinbarter Zeichen? Wer hat sie wann mit wem vereinbart - und vor allem: WIE?
Entspricht das Wort "Übermittlungskanal" tatsächlich der Dimension der menschlichen Sinnesorgane und Wahrnehmungsweisen? Ich habe da halt Zweifel...
Das Modell ist doch zunächst einmal nur eine Basis ("technisch" ist dabei korrekt und absichtlich gewählt), auf die man die reine Sache herunterbrechen kann. Definitiv zu oberflächlich, wenn man "Kommunikation" in seiner Gesamtheit betrachtet. Das kann aber niemand in einem einzigen Modell, in keinem einzigen Buch. Kommunikation mit all seinen Facetten ist eine ganze Wissenschaft, die es von Anbeginn der Menschheit gibt. Sogar noch früher - jedes Lebewesen kommuniziert.
Aber da will ich auch gar nicht "streiten". Mich interessiert tatsächlich, warum du das Vokabular für irreführend hältst. Mich irritiert es gar nicht.
Einzelne Laute, die du mit deinen Sprechwerkzeugen bildest, ergeben miteinander verknüpft z.B. ein Wort. Akkustische Zeichen in einer bestimmten Kombination erhalten Bedeutung. Das, was sich lautsprachlich wie Baum anhört, ist bei uns die Pflanze mit dem braunen Stamm und dem grünen Blattwerk.
Wer dies wann mit wem vereinbart hat, kann dir niemand beantworten. Wie? Kommunikation und Entwicklung. Auch Auseinanderentwicklung. Für tree muss mensch ganz andere Laute produzieren.
Nein. Natürlich nicht.
Gibt es ein Wort, dem dies gelingt? (Rhetorische Frage.)
Dafür gibt es auch kein umfängliches (einzelnes) Modell. Viel zu viele Facetten spielen dabei eine Rolle.
Ich habe es mir nochmal durch den Kopf gehen lassen.
Die Wörter "Sender" und "Empfänger" sind wohl viel älter als das technische Funken; sie können gut und gerne für Beschreibung der Brieftaubenpost und Nachrichtenübermittlung allgemein gelten. Meine Auffassung im Sinne der technischen Übermittlung kam von den "Kanal"-Wörtern.
Kennst du das sogenannte Organon-Modell der Sprache von Karl Bühler? 1934...!
https://de.wikipedia.org/wiki/Organon-Modell
Die zugehörige grafische Veranschaulichung von ihm sieht so aus:
Das in meinen Augen Spannende daran sind die unscheinbaren Stellen der "apperzeptiven Ergänzung" und der "abstraktiven Relevanz". Letztere hat mit deinem "Baum"-Beispiel zu tun und mit der Tatsache, dass es Sprachen gibt, die ein entsprechendes Wort nicht kennen oder zB kein Wort wie "Wald" (sondern nur Namen für einzelne Baumarten). In der entsprechenden Lebenswelt hätte das Wort "Baum" wohl einfach keine abstraktive Relevanz.
Außerdem wird Bühler so zitiert:
„Die Linienscharen symbolisieren die semantischen Funktionen des (komplexen) Sprachzeichens. Es ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen.“
Ich denke, er kam und kommt mit diesem Modell und wie er es auffasst schon ansehnlich weit. (Auf die lebendige Energeia-Auffassung der Sprache durch Wilhelm von Humboldt weitere 100 Jahre zuvor gehe ich jetzt nur insofern ganz kurz ein, als dort schon klar gesehen wird, in welcher Wechselwirkung unsere Gliederung der Lebenswelt mit unserer Sprache steht: "Nach Humboldt [...] ist die Wirklichkeit oder zumindest unsere Auffassung von ihr wesentlich sprachabhängig." Es gibt, zugespitzt formuliert, also keine Bäume ohne Sprache. Wittgenstein formuliert es etwa so: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." Daran schließt sich dann eine lange Diskussion über die Sprach(un)abhängigkeit des Denkens an...)
Aber mit Orthographie hat das alles natürlich nichts zu tun. Dort gilt, was du gesagt hast: Festlegungen (Verabredungen oder Verordnungen) über Schreibweisen, und Schluss.
;-)
Das Organon-Modell kommt mir bekannt vor, dafür muss ich aber ganz tief in die Erinnerungskiste greifen. Es zu kennen zu behaupten, wäre also eine anmaßende Behauptung... ;-)
Sehr interessant. Durch die konkretere Betrachtung der Bedeutung von Semantik für einen gelungenen Informationsaustausch und den Einbezug nonverbaler Aspekte der Kommunikation ist das Modell schon etwas komplexer, umfassender einsetzbar. Ich glaube, so genau will ich mich aber gar nicht mehr damit befassen. Vielleicht beim nächsten Missverständnis... ;-)
Das sehe ich anders, denn man kann die Orthographie ja als nonvokales Zeichen interpretieren. Eines, das aus vielen kleinen bedeutungstragenden Einheiten besteht. Die Veränderung oder der Wegfall einer Einheit macht den Kohl natürlich noch nicht fett... Okay, das wird jetzt langsam spinnerte Korinthenkackerei... ;-)
Lass gut sein, spannend war der Austausch allemal... :-))