RE: Neues Jahr, neuer Chat-Freund...? / New Year, new chat friend...?
... kann der Mensch sich eben nicht vollständig auf die Technik verlassen.
Das ist richtig, wobei er sich in vielen Bereichen sogar auf die Technik verlassenmuss, da die zwar nicht perfekt, aber dennoch deutlich zuverlässiger arbeitet als jeder Mensch.
Dass so ein öffentlich verfügbarer erster Ansatz eines KI-basierten Chatbots noch keine Bäume ausreißt (jedenfalls nicht jeden), ist für mich eigentlich irrelevant.
Meiner Erfahrung nach werden Computer (oder besser gesagt Software) fast in jedem Bereich, den sie neu betreten, zunächst belächelt, dann bekämpft, und am Ende 'siegen' sie.
Ich denke da ans Schach, wo sie zunächst lächerlich schlecht spielten, dann langsam immer besser, das heißt, wenn man ihnen unvorsichtigerweise den Finger hinhielt (also die Gelegenheit zum Konter gab), bissen sie kräftig hinein, bis zuletzt Kasparov noch verzweifelt die für immer überlegene menschliche Intuition bemühte und sodann ein Match gegen Deep Blue (damals noch knapp) verlor. Heute lacht man in Schachsoftwarekreisen nur noch ob der lächerlich-unbeholfen wirkenden menschlichen Versuche, sich der totalen Überlegenheit der Silizium-basierten Schachmonster zu erwehren. :-)
Oder denk' an die Luftfahrt. Die Tage menschlicher Piloten sind gezählt ... auch Autos werden - früher oder später - komplett von Computern gesteuert werden. Dabei ist es völlig unerheblich, ob auch ein Computer ab und zu Fehler macht - es sind statistisch gesehen einfach viel weniger als 'wir' sie am laufenden Band fabrizieren.
Ich persönlich glaube, dass es auch hinsichtlich 'echter' Denkfähigkeit (die übrigens gar nicht so einfach zu definieren ist - sollte per Definition 'echtes' Denken exakt das sein, was wir tun, sind wir natürlich 'fein raus' - cleverer Schachzug) letztlich nur eine Frage der Zeit sein wird, bis unser Gehirn sich geschlagen geben muss, zumindest in den weitaus meisten Bereichen, in denen sich Ergebnisse exakt messen und miteinander vergleichen lassen.
Jein. Soweit es einigermaßen ausgereifte Technik ist, gebe ich dir unumwunden recht. Leider gibt es auch Technik/Software, die vielleicht zuverlässig ist, aber eben doch falsch arbeitet oder sogar gefährlich ist.
Ich glaube aber trotzdem, dass wir dasselbe meinen. Ein Computer rechnet die 3. Wurzel aus 765 eben immer mit demselben Ergebnis aus (also zumindest wenn die Hardware/Rechenwerke richtig programmiert wurden). Ein einzelner Mensch vielleicht nach ein paar Wochen auch (weil er irgendwann das Ergebnis kennt), aber ein anderer wieder nicht.
Bei ordentlich konzipierten und getesteten Programmen ist die Wahrscheinlichkeit der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit zwar relativ hoch, aber ich würde trotzdem keine Garantie dafür abgeben, dass sie in jeder Situation/Hardwarekonfiguration/etc. fehlerfrei funktionieren. Insbesondere, wenn die Komplexität steigt.
Autopiloten in der Luftfahrt sind zwar sehr verbreitet, werden aber (noch) nur von einem ausgebildeten Piloten an- und abgeschaltet. Ich glaube, ziemlich viele Passagiere würden sich schon etwas unbehaglich fühlen, wenn sie in eine Maschine steigen müssten, in der kein Pilot mehr sitzt.
Auch beim Auto ist der Autopilot aktuell nur mit Fleisch hinterm Lenkrad zugelassen.
Naja, allerdings denke ich auch, dass es möglicherweise nicht mehr lange dauern wird, bis die Software einen Stand erreicht hat, bei dem die vom Menschen unabhängige Automatik weitläufig akzeptiert ist. Aktuell sehe ich das noch nicht, allerdings durchaus deine angesprochene Tendenz:
Stichwort Schachcomputer: Das ist so ein Bereich, in dem jetzt keine kritischen Entscheidungen durch einen Computer getroffen werden müssen, und der möglicherweise gerade deshalb mehr Akzeptanz findet. Erst heute las ich von der Furcht vor Betrügereien beim Schach oder sogar bei Schachturnieren. Es hat ja bereits einige Betrugsfälle beim Online-Schach gegeben...
Spiele, in denen es um die Bewertung von Spielzügen, Brettstellungen etc. geht, eignen sich hervorrangend für eine Computerlogik. Im Grunde geht es darum, durch verschiedene Methoden die Züge in einem Spielbaum abzubilden und zu bewerten. Nach vorgegebener Logik entscheidet sich der Computer dann für einen Zug. Durch die fortschreitende Rechengeschwindigkeit kann mittlerweile ein Algorithmus den Spielbaum in zunehmender Tiefe untersuchen, und damit immer besser gute Züge/Stellungen finden.
Ich selbst habe (im Jahre 2002) eine Spielelogik zu einem Spiel programmiert, das in Richtung "fünf gewinnt" geht. Damals war lediglich eine "Denktiefe" im Spielbaum von drei (also drei Züge voraus) für den Spielgenuss noch erträglich. Die Aufhabenstellung war damals, dass es bei Rechentiefe 4 nicht mehr als 20 Minuten dauern soll. (BTW: Mein Algorithmus war deutlich schneller :-)) Heute würde man wahrscheinlich einige Ebenen weiter gelangen. Schon dies allein macht Software/KI immer besser.
Insofern gebe ich dir recht, dass sich unser Gehirn irgendwann dem Computer geschlagen geben muss. Leider machen wir es dem Computer möglicherweise auch immer leichter das Gehirn zu "überholen", indem wir das Denken stellenweise aufgeben und uns auch bei leichten Aufgaben der Technik bedienen.... womit wir wieder beim Anfang sind ;-)
Das mit Sicherheit, weil Menschen dazu neigen, sich zu über- und alles andere zu unterschätzen.
Das subjektive Bauchgefühl der Passagiere sagt aber nichts über die tatsächliche statistische Wahrscheinlichkeit aus, mit der menschliche und maschinelle Piloten Fehler begehen.
Was du über Schachsoftware schreibst, gilt vor allem für konventionelle Schachprogramme, die mittels verschiedener selektiver Pruning-Mechanismen möglichst schnell in einen Suchbaum vordringen und dabei die einzelnen Knoten bewerten.
Die mittlerweile beste Schachsoftware, AlphaZero, basiert jedoch auf KI, welche allein durch Spielen gegen sich selbst Schach, Go und Shogi erlernte.
Am Ende schneidest du eine sowohl fast philosophische als auch heikle Fragestellung an. Zunächst einmal finde ich es - völlig unabhängig von unseren künstlichen Konkurrenten - immer wieder extrem erstaunlich, wie groß das Spektrum ist, innerhalb dessen Menschen ihre Gehirne benutzen. Bei vielen habe ich den Eindruck, dass ihr Brain fast ausschließlich darauf fokussiert ist, die Dinge des Alltags zu meistern, sozusagen die zum Überleben nötigen Mindestanforderungen zu erfüllen. Es fehlt an Bildung, Zeit sowie Interesse, sein Gehirn für anspruchsvollere Aufgaben zu nutzen. Andererseits entwickeln menschliche Gehirne Computer, Flugzeuge, Blockchaintechnologie, gentechnische Methoden und versuchen, quantenphysikalische Phänomene zu verstehen.
Ist diese gewaltig klaffende Lücke (und die Erforschung und Behebung ihrer Ursachen) nicht das viel größere Problem als die Frage, ob und wann künstliche Intelligenz uns im kognitiven Wettbewerb früher oder später schlagen wird (wovon ich, wie erwähnt, ausgehe)?
Das ist wohl wahr! Das zeigt sich ja auch in anderen Bereichen. Meist sind die subjektiven Wahrnehmungen ganz andere als die tatsächlich gemessenen/nachgewiesenen Verhältnisse. Das gleiche Phänomen hat uns einige Male bei der (gefühlten) Inflation ereilt... vielleicht nicht gerade in der aktuellen Phase, in der die Inflation tatsächlich einen hohen Stand erreicht hat.
Auch das stimmt. Mein Wissen ist diesbezüglich leider nicht mehr weiter aktualisiert worden. :-(
Mich fasziniert die KI-Programmierung total, allerdings habe ich nicht die Zeit, mich eingehend damit zu beschäftigen. In meinem damaligen Studium war das Thema leider noch nicht so aktuell.
Gerade heute las ich aber einen (Fach-)Artikel über unseren allseits beliebten ChatBot aus April 2022(!), in dem kurz angerissen wurde, wie er seine Texte "schreibt" und passende Wörter "findet". Das klingt ebenfalls sehr interessant, allerdings wäre man trotzdem nicht in der Lage eine solche zu programmieren...
Da sagst du was!
Ich will gar nicht behaupten, dass das Meistern der alltäglichen Routine nicht auch seine Herausforderungen hat. Aber machmal wundert es mich wirklich, womit manche Menschen so zufrieden (zu stellen) sind.
Andererseits sind natürlich auch die Gehirne der Menschen nicht alle gleich.. oder besser: Nicht alle Gehirne haben die gleichen anatomischen Voraussetzungen. Neulich las ich einen Artikel über Einsteins Gehirn. (Ach, wenn ich gewusst hätte, das ich das noch mal wiedergeben soll, hätte ich mir gemerkt, wo der Artikel stand. ;-)
Einsteins Gehirn hat man ja bekanntlich genauer untersucht, u. a. um herauszufinden, warum er so besondere Denkleistungen erbringen konnte (in seinen Gedankenexperimenten). Dabei hat man eben auch herausgefunden, dass bestimmte Bereich seines Gehirns deutlicher ausgeprägt bzw. aktiv gewesen sein müssen. Das hat man an lebenden Gehirnen wohl auch nachprüfen können. Menschen, die bestimmte besondere Hirnleistungen vollbringen können, haben eben in bestimmten Gehirnregionen eine höhere Aktivität. (Nagel mich jetzt nicht auf die korrekte Wiedergabe fest ;-) ).
Jedenfalls kann man dadurch doch nachvollziehen, dass manch Menschen mit einfachsten Tätigkeiten bereits eine anstregende Hirnleistung vollbringen, und insofern ihr Gehirn auch, soweit wie ihnen das möglich ist, ausnutzen (wobei wir jetzt mal außer Acht lassen, dass wir im Grunde alle unser Gehirn nur zu einem winzigen Teil wirklich ausnutzen). Ergo dürfte die Bandbreite - so faszinierend und manchmal auch irritierend wir es finden - eben doch ganz normal sein...
... und wenn wir das mal weiterspinnen, könnte eine noch spannendere Frage sein, ob diese unzweifelhaft klaffende Lücke nicht durch Technik (also künstliche Intelligenz) überwunden werden könnte?