Die Bekämpfung der Krebszellen geht weiter...

in #health6 years ago (edited)

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In meinem letzten Post ging es darum, wie sich Krebszellen mithilfe von Proteinen vor unserem Immunsystem verstecken und wie neue Ansätze der Immuntherapie diese Zellen dennoch bekämpfen können.

Einen weiteren interessanten Ansatz zur Bekämpfung von Krebs, den ich euch nicht vorenthalten wollte, bietet die moderne Nanotechnologie: Winzig kleine (Zwerg)Teilchen = Nanopartikel, die bestimmte Medikamente direkt zum Tumor führen sollen und so den Heilungsprozess erzwingen.
Ich bedanke mich bei @lesshorrible für diese tolle Idee und für seinen vorbildhaften Einsatz für die STEM-Community!

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Nanopartikel sind Teilchen die einen Durchmesser von 1 bis 100 Nanometer haben. Als Vergleich: Ein Haar hat einen Durchmesser von 10000 nm, eine Zelle ist mehrere 1000 nm klein, ein Fingernagel wächst in der Sekunde um 1 nm und die Größenordnung von Atomradien liegt bei 0,1 nm (Verhältnisse).

Das Besondere an diesen Nanoteilchen ist genau diese Größe, die sich auf die Oberflächenstruktur der Teilchen auswirkt und alle Eigenschaften der Teilchen bestimmt. Nehmen wir an wir haben ein etwas größeres Partikel, ein Mikropartikel, mit einem Volumen x und den Eigenschaften yz, aus dem wir mehrere Nanopartikel erzeugen wollen. Wenn wir das gemacht haben werden wir merken, dass nicht nur die Volumen, sondern auch die Eigenschaften der Nanopartikel anders sind als die des Ausgangsmaterials.
Das liegt daran, dass je kleiner das Volumen einer Materie wird, desto größer ist ihre Oberfläche im Verhältnis. Durch die veränderte Oberflächenstruktur werden Eigenschaften wie Stabilisierung und Funktionalisierung beeinflusst. Zum Beispiel würde eine Vergrößerung der Oberfläche bedeuten, dass die erzeugten Nanoteilchen reaktionsfreudiger sind als ihre Vorgänger, da die chemischen Reaktionen zumeist an der Oberfläche ablaufen.

Wenn die Eigenschaften also von der Oberflächengröße abhängen, könnten wir Nanopartikel ja so erzeugen, dass sie je nach Anwendungsgebiet gewünschte Eigenschaften besitzen. Wir könnten sie mehr oder weniger "maßschneidern".
Und das wird von der Abteilung 'Nanotechnologie' auch so gemacht: Mit Hilfe bestimmter Syntheseverfahren können gezielt Nanoteilchen erzeugt werden, die dann beispielsweise bei der Herstellung von Produkten (Kosmetika, Lebensmittel, Batterien und Akku) verwendet werden. Es werden mittlerweile aber auch spezielle Nanopartikel erzeugt, die in der Medizin zur Bekämpfung von Krebszellen eingesetzt werden.

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Es gibt zwei Strategien um Nanoteilchen gezielt gegen Tumore einzusetzen:
Aktives und Passives Drug Targeting.

Der Plan ist folgender: Wir erzeugen ein Nanopartikel welches die passende Oberfläche besitzt um an eine Krebszelle anzudocken, die aber nicht an normale Zellen andocken kann. Wenn dieses Partikel ein zytotoxisches Medikament enthält, welches nach dem Andocken ausgeschüttet wird, würde die Krebszelle zerstört werden.
Der Unterschied zu einer herkömmlichen Chemotherapie besteht also darin, dass sich das Medikament nicht sofort entfaltet, sobald es den Körper betritt, sodass auch gesunde Zellen angegriffen werden, sondern zuerst zu den entsprechenden kranken Zellen geführt wird und sich dort erst dann entfaltet.
Dieser Plan ist das aktive Drug Targeting.

Die Nanopartikel fungieren hierbei lediglich als Transportmittel für das Antikrebsmittel, weshalb diese Teilchen auch "nanocarriers" genannt werden.

Hierbei gibt es drei verschiedene Arten von nanocarriers (NC) zu unterscheiden: Zum einen gibt es jene NC, die das zu transportierende Medikament in sich tragen. Ein Liposom kann beispielsweise sowohl lipophile (=fettliebend), als auch hydrophile (=wasserliebend) Arzneistoffe umschließen, weshalb es sich generell als Drug Delivery System sehr gut eignet. Dann gibt es NC, die das Arzneimittel an der Oberfläche absorbieren und NC die sich chemisch an die Wirkstoffe binden.

Wir schauen uns zunächst die NCs an, die den Wirkstoff in sich tragen und aktives Drug Targeting betreiben:
Damit ein aktives Drug Targeting stattfinden kann, müssen die Eigenschaften der Rezeptoren von Krebszellen bekannt sein. So können zell-spezifische Liganden zu Nutze gemacht werden, an denen das NC andocken kann.

Nachdem das NC (zB. das Liposom) mit dem absorbierten Wirkstoff in den Blutkreislauf injiziert wird, wird es, sobald es ein krankes Gewebe erreicht, schnell aus der Blutzirkulation entfernt. Das nennt man den EPR-Effekt:

Das Gewebe der meisten Tumore unterscheidet sich physiologisch und biochemisch von gesundem Gewebe insofern, dass die Blutgefäße die von den Tumoren ausgebildet werden, Mängel in ihrer vaskulären Struktur aufweisen. So dringen die Nanopartikel leichter durch die Blutgefäße in das Tumorgewebe ein. Sobald sie im Gewebe sind, befinden sie sich im MPS-System:
Das ist ein Teil des Immunsystem, das zur Beseitigung von Bakterien, Viren und Fremdkörpern dient. Damit die Nanopartikel nicht abgetötet werden, werden sie mit Oberflächenstrukturen versehen (PEG zur Wasseranlagerung) , die unerwünschte Wechselwirkungen mit MPS-Zellen minimieren. Einige NC werden dennoch erwischt und abgesondert.
Die NC die den MPS-Zellen erfolgreich entkommen sind, reichern sich nun an den Krebszellen an und docken an den Liganden, die sich auf der Oberfläche der Krebszelle befinden. So können sie schließlich den Wirkstoff ausschütten.

Das aktive Drug Targeting ist die erweiterte Strategie vom passiven Drug Targeting, da passiv gezielte NCs sich zwar vom EPR-Effekt bedienen aber nicht die Oberfläche besitzen um an die Krebszellen anzudocken.

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Nanopartikel, die durch aktives Drug Targeting einen Erfolg bei Brustkrebs erzielten, wurden von einem Team am Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Frankfurt entwickelt. Es wurde eine zellspezifische Anreicherung der NC in Brustkrebszellen untersucht, die das Antigen HER2 auf ihrer Oberfläche tragen. Es konnten nur die NC den Wirkstoff in der Krebszelle freisetzen, die das Arzneimittel sowohl in sich als auch auf der Oberfläche trugen. Trotzdem ermöglichten die Nanopartikel eine relativ spezifische Abtötung von Tumorzellen, wobei die gesunden Zellen verschont blieben.

Die Ansätze der Nanotechnologie sind deshalb so attraktiv, weil sie durch ihre Größe und durch Oberflächenmodifikationen Körperbarrieren passieren können, die andere Substanzen nicht durchdringen können. Die Blut-Hirn-Schranke beispielsweise, die das Blutgefäßsystem vom Gehirn trennt, verhindert durch enge Zell-Zell-Verbindungen den Transport von Stoffen zwischen ihnen hindurch, kann dennoch von den NC passiert werden.

Es liegt im Interesse aktueller Krebsforschungen, Nanopartikel für Drug Targeting Systems zu nutzen, um eine erhöhte therapeutische Breite und Effizienz, aber auch eine Reduktion der Nebenwirkungen zu erzielen. Auch wenn die Ansätze der modernen Nanotechnologie noch bei weitem nicht ausgreift sind und auch kein Allheil-Wundermittel versprechen; das Ziel der spezifischen Therapie könnte durch Nanopartikel in greifbare Nähe rücken.





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𝕷𝖎𝖓𝖐𝖘


Quellen:
Progress and challenges towards targeted delivery of cancer therapeutics
Oberflächenmodifizierte Nanopartikel
Herstellungsverfahren von Nanopartikeln und Nanomaterialien
Körperbarrieren
Nanopartikel bringen Arzneistoffe sicher ans Ziel
Fundamentals of Nanoscience
Wikipedia!



Alle Grafiken wurden von mir erstellt.

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Die Blut-Hirn-Schranke beispielsweise, die das Blutgefäßsystem vom Gehirn trennt, verhindert durch enge Zell-Zell-Verbindungen den Transport von Stoffen zwischen ihnen hindurch, kann dennoch von den NC passiert werden.

Blut-Hirn-Schranke ist auch eines der größten Probleme bei der Anwendung von Psychopharmaka. Ich warte inständig auf den Zeitpunkt, an dem Nanotechnologie aus den Kinderschuhen raus ist und auch Krankheiten wie affektive Störungen oder Schizophrenie damit behandelt werden können.
Ich vermute allerdings, dass es, rein aufgrund der anatomischen Gegebenheiten, einfacher ist, im restlichen Körper Reparaturen vorzunehmen als direkt auf die Hirnchemie einfluss auszuüben.

Sehr interessanter Post!

Aber ein Frage: Wie hast du bitte diesen mega coolen Gothic Font hinbekommen? :D

Cooler Artikel, bei Böhringer werden sie mit dir eine Freude haben ;-)

Man muss aber vielleicht dazu sagen, dass die ganze Geschichte noch sehr lange brauchen wird, bis (wenn überhaupt) eine Anwendung möglich ist. Die sind ja noch nichtmal beim Tierversuch, da kann noch so viel passieren, und vielleicht kommen sie auch drauf, dass die Anwendung in vivo gar nicht möglich ist. Wär aber natürlich super...

Stimmt!!
Vielen lieben Dank Sco :D

Ein super post Liebes, wusste gar nicht, dass du dich ebenfalls für solche Themen begeistert.
Ich hab 5 Jahre im Krankenhaus gearbeitet und da auch eine Zeit lang auf einer Onkologie. Die Blut-Hirn-Schranke ist einerseits überlebensnotwendig und andererseits echt eine Herausforderung. Bei allem was quasi die Neurologie betrifft ist sie Fluch und Segen zugleich.

Jaaa, ich finde, das ist ein interessantes Gebiet, das noch zu unbeforscht ist..
Danke dir 😍

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