Subjektive Armut

in #geld6 years ago

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Jens Spahn sagt, dass ein Harz4-Empfänger in Deutschland nicht von Armut betroffen sind. Die Gemüter der Republik sind am Überschäumen. Es beginnen hitzige Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Lagern, was man eigentlich zum täglichen Überleben so braucht und ob die staatlichen Transferleistungen ausreichend sind. Gleichzeitig treffe ich jemanden, der sagt, dass seine 3500€ netto kaum zum Leben ausreichen um seine Familie durch zu bringen.

Diese beiden Beispiele zeigen wie unterschiedlich Begriffe wie "Armut" eigentlich aufgefasst werden können und gleichzeitig wie schwer es für einen Dritten ist wirklich zu sagen, was eigentlich benötigt ist. Wir Menschen sind sehr unterschiedlich und haben völlig andere Bedürfnisse. Was für manch einen Luxus ist, ist für den anderen eine absolute Lebensnotwendigkeit. Was am Ende nötig und was überflüssig ist, darüber möchte ich aber nicht diskutieren. Das muss jeder selbst besser für sich wissen.

Fakt ist aber, dass niemand erwarten sollte, dass sich etwas an seiner Lage verändert ohne das er selbst etwas unternimmt. Wer nun in die Politik geht um etwas zu verändern hat meine Hochachtung. Die meisten werden aber eher jammernd beim Stammtisch verweilen und darauf warten, dass Merkel überraschend eine 40%ige Rentenerhöhung bei gleichzeitiger Abschaffung der Lohnsteuer verkündet. Denen wünsche ich dann noch ein schönes Leben während der Wartezeit ;)

Doch Verantwortung übernehmen fängt bereits bei einer ganz anderen Stelle an. Nämlich Informationen zu sammeln, um die Lage überhaupt sinnvoll beurteilen zu können. Den das wirklich schockierende an solchen Diskussionen ist eben, dass kaum ein Mensch in der Lage ist zu sagen, was er überhaupt zum Leben benötigt. Konfrontiert man Menschen mit der Frage, fangen sie meist an die Miete im Kopf zu überschlagen und dies dann als "Fixkosten" anzusetzen. Jüngere fangen oft lieber erstmal mit den Smartphone-Kosten an. Man merkt also schon sehr schnell wo die Präferenzen liegen, korrekterweise muss man aber beides Berücksichtigen.

Was sind also Fixkosten? Es sind alle Kosten, die ihr regelmäßig zum Leben braucht und weg gehen, egal ob ihr sie nutzt oder nicht. Ganz klassischerweise erkennt man sie daran, dass sie monatlich von Euch abgeführt werden. Mieten, Kommunikationsgebühren, GEZ, der Sportclub ... etc. Sammelt diese einfach mal in einer Exceltabelle untereinander und rechnet diese auf das Jahr gesehen hoch. Hier hilft es sich mal ein wenig Zeit zu nehmen und einfach mal die Kontoauszüge des letzten Jahres durchgehen, damit auch wirklich nichts verloren geht.

Schlimmer sind die variablen Kosten. Hierrunter fällt all das, was keine Fixkosten sind und in ihrer Höhe schwanken. Ein ganz klassisches Beispiel hierfür wären vermutlich die Lebensmittelkosten. Den kaum einer von uns wird bestreiten, dass diese stets gleich hoch sind. Selbst in der Weihnachtszeit? Wie geht man also mit diesen Kosten um? Würde man sie ignorieren würde man nicht wirklich einen Informationsgewinn erzielen, da nur die Schwankungen auf dem Konto, die man nicht vorher sieht größer werden.

Wie geht man also damit um? Am einfachsten ist dies, dass man sie nach der Regelmäßigkeit untersucht und danach in Budgets zusammenfasst. Die Lebensmittelkosten sind nämlich ein gutes Beispiel dafür. Errechnen wir vom letzten Jahr unsere Ausgaben in dem Bereich, können wir dies auch wieder auf den Monat umrechnen und haben damit einen Erwartungswert für die Ausgabe. Diesen können wir nun recht leicht erfassen und zu unseren Fixkosten dazu schreiben. Den diese Ausgaben werden auf uns zu kommen, egal ob wir es wollen oder nicht. Wenngleich wir hier natürlich stets immer ein wenig sparen könnten und sie nicht wirklich Fix sind. Es soll hier aber nicht ums sparen gehen.

Hat man nun diese regelmäßigen variablen Kosten auf diese Weise zusammengefasst, kann man nun auch an die Unregelmäßigen gehen. Klassisches Beispiel ist vielleicht ein Autoschaden nach einem Unfall. Dieser wird sich hoffentlich nicht so schnell wiederholen und zu einer regelmäßigen Ausgabe werden. Normalerweise sind dies außergewöhnliche Kosten und sollten aus der Rechnung raus genommen werden. Ich empfehle diese aber trotzdem zu sammenln und dann wie ein eigenes Budget zu verteilen und auf den Monat zu verteilen.

Dies ist eine sehr pessimistische Einschätzung, die aber aus meiner Sicht die Realität eben besser abbildet. Den selbst wenn es nicht der Autoschaden ist, können andere außergewöhnliche Belastungen auf uns zukommen. Führt man eine solche Liste über die Jahre, kann da durchaus ein Indikator bei rauskommen, wieviel man zusätzlich einplanen muss.

Wer dies einmal Gewissenhaft für das ganze Jahr über durch geht, bekommt wirklich einen Blick darüber wieviel er zum Leben benötigt. Außer ein wenig Geduld braucht man nicht viel. Klar sollte man in der Lage sein die Beträge auf den Monat zu normalisieren (Jahr = /12, Woche =*4). Dies sollte aber jeder mit etwas Schulwissen problemlos hinkriegen. Wer nicht mit einer Tabellenkalkulation klar kommt, sollte dies einfach auf dem Papier machen. Wenngleich ich gerade den Älteren von Euch nahelegen würde sich mal einzuarbeiten und es sich zeigen zu lassen. Den so schwer ist das auch nicht und ist verdammt nützlich, wenn man mal etwas rechnet. Den so niedergeschriebenes lässt sich im nächsten Jahr wesentlich leichter auch wiederverwenden.

Heraus kommt ein Betrag der zeigt, was wir wirklich so im Monat zum Leben brauchen. Wieso ich hier den Monat empfehle? Der Wert ist greifbarer für uns und für die meisten Menschen auch der natürliche Planungshorizont. Diesen können wir nun gegen unsere Einnahmen legen. Bekommen wir 2000€ und geben 1000€ jeden Monat aus, haben wir 1000€ übrig. Je nach eigenen Lebensstil sollte hier ein Prozentwert von 20-90% heraus kommen.

Ja, richtig gelesen. Ich kenne Menschen aus diesem gesamten Spektrum. Über ihr Einkommen sagt dies wenig aus wie mein Eingangsbeispiel zeigt. Den es gibt auch Leute die 5000€ jeden Monat bekommen und am Ende trotzdem nichts übrig haben. Genauso wie ich Leute mit 1000€ im Monat kenne, die eine außerordentliche hohe Sparquote haben. Aber diesen Wert sollte man für sich kennen, da er die Grundlage für viele weitere Investionsgrundlagen ist.

Die meisten von Euch sollten bei 40-60% laden. Wer außerhalb dieser Bereiche liegt für entweder ein sehr geiziges und entbehrungsreiches Leben (und sollte mal in sich gehen) oder ist nicht nur von subjektiver, sondern realer Armut betroffen. Aber auch diese wird erst dann kritisch, wenn andere Spielräume zum Sparen bereits aufgebraucht sind. Und ich bin mir sicher, dass man in diesem Land seine Familie auch mit weniger als 3500€ versorgt bekommt.

Der Erfahrung nach sind die meisten Menschen anschließend auch ein wenig erleichtert, weil ihr initiale angenommenes Bild doch massiv von der eigenen Lebensrealität abweicht. Macht Euch doch den Spaß raus und schätzt einmal aus dem Bauch heraus wieviel ihr braucht und schaut dann, ob es am Ende auch wirklich stimmt. Auch ein solches Gespür gehört hier und da mal trainiert und zeigt wie gut unsere "aus dem Bauch"-Entscheidungen wirklich sind.

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Jens Spahn sagt, dass ein Harz4-Empfänger in Deutschland nicht von Armut betroffen sind.

Apropos Hartz4. Neulich habe ich erfahren, und das war für mich auch neu, dass die Sätze zu niedrig kalkuliert sind. Es wurden bei der Berechnung auch Leute berücksichtigt, die eigentlich Anrecht auf Gelder vom Amt hätten, es aber aus einer Reihe von Gründen nicht taten: Unwissenheit, Scham/Stolz etc.

Der Satz für einen Single wäre demnach 60-80 Euro zu niedrig. Der Politik wäre das bekannt, aber man scheut die Anhebung, weil dann erstens viel mehr Menschen als bedürftig gelten würden und weil man dann auch die Mindestlöhne anheben müsste.

Schon alleine deswegen hätte der Jens Spahn seinen Mund halten sollen.

https://www.focus.de/finanzen/news/arbeitslosengeld/hartz-iv-regelsaetze-werden-seit-jahren-zu-niedrig-berechnet_id_8596553.html

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitslosigkeit-wohlfahrtsverband-hartz-iv-satz-ist-euro-zu-niedrig-1.2798184

Good writin brother...
You are the best.
Here i'm use your name in my posting... :)

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Wieder einmal ein durchdachter Artikel, tagespolitisch aufgehängt und sehr übersichtlich dargestellt.

Eine Frage nicht inhaltlicher Art habe ich einmal am Rande:
Es gibt sowohl im Sprachgebrauch (unterschiedliche Betonung) als auch im Schriftlichen die Wörter "den" und "denn", deren Bedeutung auch verschieden ist. Du benutzt aber ausschließlich "den".

Mich persönlich irritiert das etwas beim Lesen - was mich natürlich nicht hindert, deine interessanten Beiträge zu verfolgen. Da es mir aber immer wieder auffällt, dachte ich mir: Frag doch einfach mal."

Ich schiebe es mal auf die fortgeschrittene Zeit, dass da irgend etwas im Grammatikmodul kaputt ist. Werde mal versuchen darauf zu achten ;)

Schöner Beitrag zum Thema finanzielle Intelligenz :).
Dies sollte jeder definitiv durchführen und ich würde jedem raten die letzten 3 Jahre zu betrachten. Hieraus kann man sehr genau ableiten was im Monat auf einen zukommt und wieviel Geld man besser nicht in Whisky investieren sollte ;)

Cheers!

Danke. Meine Erfahrung zeigt, dass meist ein sehr ähnliches Ergebnis dabei raus kommt, wenn man das ganze um seine persönliche Inflation bereinigt. (Ne positiver Nebeneffekt, dass man diese Recht gut berechnen kann und diese meist auch höher ist als die staatliche...). Aber das mag daran liegen, dass man schon etwas älter ist. Ändern sich die Lebensumstände (Ausbildung/Studium zu Ende, anderer Wohnort etc.) sollte man es neu evaluieren. 3 Jahre ist schon ein ordentlicher Horizont, der etwas mehr Arbeit macht. Sofern man es aber regelmäßig macht, wird es dann eben einfacher ;)

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