Zwei Freunde in Bitterfeld
Handelsblatt print: Nr. 134 vom 16.07.2013 Seite 004 / Tagesthema
Zwei Freunde in Bitterfeld
Per Geheimvertrag verdiente ein Wirtschaftsförderer Millionen bei der Firma Q-Cells, die ein Bekannter gegründet hatte.
-- Manager der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG hielt selbst verdeckt Anteile an Q-Cells.
-- Auch gute Freunde von ihm profitierten von der staatlichen Förderung der Solarfirma.
Der märchenhafte Aufstieg und spektakuläre Absturz des Solarzellenherstellers Q-Cells ist ein bemerkenswertes Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Q-Cells, gegründet 1999, gelang innerhalb weniger Jahre der Aufstieg vom Vier-Mann-Betrieb in Bitterfeld zum Branchen-Schwergewicht mit elf Milliarden Euro Börsenwert. Dann brach Q-Cells zusammen. Die Aktionäre bluteten, der Solarzellenhersteller gehört heute zum südkoreanischen Mischkonzern Hanwha. Doch das dunkelste Kapitel der Q-Cells-Geschichte ist bislang noch gar nicht erzählt worden.
Dem Handelsblatt liegen Dokumente aus der Frühzeit des Unternehmens vor. Sie zeigen: Ausgerechnet jener Mann war finanziell an Q-Cells beteiligt, der bei der staatseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG in Sachsen-Anhalt für den Einsatz von Steuergeldern verantwortlich zeichnete. Mit dem Börsengang von Q-Cells im Jahr 2005 wurde er vielfacher Millionär. Und anders als viele andere Aktionäre stieß er beträchtliche Anteile rechtzeitig ab.
Sein Name ist Dinnies Johannes von der Osten. Der Mann war Geschäftsführer der landeseigenen IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, als Q-Cells gegründet wurde. "Ursprünglich wollten wir das Unternehmen in Berlin ansiedeln", sagt Thomas van Aubel (48), einer der Gründer und erster Aufsichtsratschef von Q-Cells. "Doch dann gingen wir nach Bitterfeld."
Warum? Weil sich die Berliner Behörden wenig hilfsbereit zeigten, sagt van Aubel. Und weil die Gründer meinten, dem als Schmutzfleck auf der Landkarte bekannten Bitterfeld mit der sauberen Solartechnik zu neuem Ruf zu verhelfen. Doch das Land Sachsen-Anhalt hatte noch einen anderen Vorteil: Ein guter Freund von van Aubel verwaltete hier Steuergelder.
Von der Osten, eng bekannt mit van Aubel, war seit 1998 Geschäftsführer der IBG. Die Gesellschaft unterstützte mit Steuergeldern junge, vielversprechende Firmen. Im Jahr 2000 stellte Q-Cells bei der IBG Innovations- und Beteiligungsgesellschaft bmH, die zur IBG gehörte, einen Antrag auf eine stille Beteiligung. Im Mai 2000 wurde dieser Antrag im Beteiligungsausschuss der IBG positiv beschieden. Die IBG beteiligte sich an dem Solarunternehmen mit 4,1 Millionen Euro.
Das war gut für Q-Cells und gut für von der Osten. Denn auch er hatte eine stille Beteiligung an Q-Cells. Auf Anfrage des Handelsblatts teilte er mit: "Ich zeichnete Anteile bei der Gründung der Gesellschaft Q-Cells im Jahr 1999 über eine natürliche Person als Treuhänder." Sprich: Von der Osten war Gesellschafter bei Q-Cells, tauchte aber durch die Treuhandregelung nicht als Gesellschafter auf. Die Höhe seiner Beteiligung nannte er nicht. Auf Nachfrage sagte von der Osten, es sei ihm weder untersagt gewesen, sich an Unternehmen zu beteiligen, noch sei er verpflichtet gewesen, solche Beteiligungen mitzuteilen.
Was von der Osten ebenfalls nicht mitteilte: Nicht nur er war an Q-Cells beteiligt, sondern auch ein guter Freund: Thomas van Aubel und seine Ehefrau hielten jeweils mehr als sechs Prozent an Q-Cells. Die Steuermillionen, die an Q-Cells flossen, steigerten den Wert ihrer Anteile. Auf Anfrage sagte von der Osten: "Zu keinem Zeitpunkt wurden mir direkt oder indirekt Vorteile von irgendeiner Person oder Organisation im Zusammenhang mit diesem Vorgang eingeräumt oder angeboten oder in Aussicht gestellt."
Es war also eine ganz und gar uneigennützige Freundschaft, die den IBG-Geschäftsführer und die Q-Cells-Aktionäre verband. Im Jahr 2001 stellte sich die Konstellation so dar: Thomas van Aubel war Aufsichtsratsvorsitzender von Q-Cells, von der Osten sein Stellvertreter. Dokumente, die dem Handelsblatt vorliegen, zeigen nun: Die beiden Männer gingen ihrerseits einen Treuhandvertrag ein.
"Ich habe mich nicht um das Mandat gerissen", sagt van Aubel. "Aber Herr von der Osten hat mich darum gebeten, und ich habe daran nichts Illegales gesehen." Kurzum: Van Aubel wurde Treuhänder der Capitalnetworks.de GmbH in Berlin. Sie gehörte von der Osten, doch der Inhaber trat nach außen nicht auf.
Van Aubel hielt "die Beteiligung der Gesellschaft in vollem Umfang" für von der Osten, heißt es im Vertrag. Wie groß war der Umfang? Gut sechs Prozent an Q-Cells. Genauso hoch wie die Beteiligung von Thomas van Aubel und dessen Ehefrau.
In Sachsen-Anhalt war Q-Cells weiter Förderliebling. Das Geld floss nach 2001 nicht mehr über die IBG, sondern über die Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB). Allerdings gab es zwischen den beiden Förderstellen einen Informationsaustausch. Nach Aussage von Wirtschaftsminister Hartmut Möllring trafen IBG und die IB zwar ihre Entscheidungen unabhängig voneinander. Doch aus "beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gründen erfolgten regelmäßig Abstimmungen".
Insofern war von der Osten wohl gut informiert darüber, welcher Geldsegen auf die Firma zukam, an der er selbst beteiligt war. Fragen hierzu beantwortete von der Osten nicht. Fest steht: Insgesamt flossen ab 2001 mehr als 40 Millionen Euro als Fördergelder und Kredite an Q-Cells.
Das zahlte sich aus. Q-Cells entwickelte sich prächtig, und 2004 stieg der internationale Finanzinvestor Apax ein. Erklärtes Ziel: ein Börsengang des Solarzellenherstellers. Von der Osten und seine Freunde waren auf dem Weg zu Multimillionären.
Am 5. Oktober 2005 konnten sie eine erste Überschlagsrechnung machen. Die Q-Cells-Aktie erlebte ihre Premiere auf dem Börsenparkett und stieg in den ersten Handelsminuten um 29 Prozent. Das Solarunternehmen war plötzlich 1,5 Milliarden Euro wert. Von der Osten gehörten davon nach dem Einstieg anderer Investoren noch rund drei Prozent.
Danach wurde es für den geheimen Investor nur noch besser. Die Erstnotiz der Aktie lag bei 38 Euro, im Januar 2006 boten große US-Fonds 68 Euro pro Aktie. Von der Osten, van Aubel und dessen Ehefrau griffen zu. Nur drei Monate nach dem Börsengang von Q-Cells stießen sie wesentliche Teile ihrer Aktien ab.
So kam es, dass der Untergang von Q-Cells für von der Osten, seine Freunde und auch die landeseigene IBG keine bösen Folgen hatte - anders als für viele andere Aktionäre. Mit sicherem Abstand beobachtete von der Osten, wie der Kurs der Q-Cells-Aktie erst schwindelerregende Höhen erreichte - Ende 2007 war das Unternehmen elf Milliarden Euro wert - und dann abstürzte. Bis zur Insolvenz 2012 verlor die Q-Cells-Aktie 99 Prozent ihres Wertes.
Von der Osten und van Aubel hatten sich zu diesem Zeitpunkt längst außer Sichtweite gebracht. Schon im Juni 2009 schieden beide aus dem Aufsichtsrat von Q-Cells aus. "Beide wollen sich in Zukunft verstärkt ihren anderen Investments widmen", teilte Q-Cells damals mit.
Und heute? Verwaltet von der Osten wieder Steuergelder. Er ist Geschäftsführer der Goodvent Beteiligungsmanagement GmbH, die wiederum die IBG verwaltet. Aus seiner Firma Capitalnetworks.de wurde 2008 die Quercus GmbH. Die wiederum steht in Verbindung mit dem Privatfonds Cedrus. Und Cedrus beteiligt sich als Co-Investor bei Unternehmen, die von der IBG unterstützt werden. Von der Osten, so scheint es, hat alles vorbereitet für das nächste freundschaftliche Investment.
Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Ein Interessenkonflikt ist offensichtlich.
Hartmut Möllring,
Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalt.
Ich war nicht verpflichtet, derartige Beteiligungen mitzuteilen.
Dinnies Johannes von der Osten,
Ex-Geschäftsführer der IBG.
Iwersen, Von Sönke
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Quelle:
Handelsblatt print: Nr. 134 vom 16.07.2013 Seite 004
Ressort:
Tagesthema
Serie:
Der Q-Cells-Skandal (Handelsblatt-Beilage)
WKN:
DE0005558662
Branche:
ENE-01 Alternative Energie
Börsensegment:
gex
Dokumentnummer:
A0297C07-0589-446F-88E0-EED8F1CD3D01
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