#30 Theobald Joachim I im Recht: die kommunale Verfassungsbeschwerde (in BW)

in #deutsch6 years ago (edited)

In dieser Reihe schreibe ich über Rechtsgrundsätze und aktuelle Themen die mit Recht zusammenhängen.  

So funktioniert die kommunale Verfassungsbeschwerde (in BW):

Deutschland ist ein föderalistisch aufgebauter Staat. Dies wird gefördert und geschützt. Daher ist die kommunale Selbstverwaltung in der deutschen Verfassung, in Art. 28 GG, verankert. Alle Kommunen, Gemeinden uns sonstige Zweckverbände können sich auf dieses Verfassungsprinzip berufen.  

Um dies zu erreichen gibt ist unter Anderem die Möglichkeit zur Klage in Form der kommunalen Verfasssungsbeschwerde (Art 93 I Nr. 4b GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 91 BVerfGG). Diese Klage ist so wie jede Klage in Klagezulässigkeit und Begründetheit unterteilt:

A Zulässigkeit

I Beschwerdefähigkeit, Art. 93 I Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG

- Gemeinden und Gemeindeverbände

II Beschwerdegegenstand, Art. 93 I Nr. 4b GG i.V.m. § 91 S. 1 BVerfGG

- Bundes- oder Landesgesetz (also Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen)

- Achtung: handelt es sich um Landesrecht und nicht um Bundesrecht, so ist die Klage zum Verfassungsgerichtshof BW vorrangig (dies gilt bei Parlamentsgesetzen des Landes), Art. 76 LV BW i.V.m. § 54 VerfGHG. Bei Rechtsverordnungen des Landes bleibt der Weg zum BVerfG möglich. 

III Beschwerdebefugnis, Art 93 I Nr. 4b GG, §§ 91 S. 1 BVerfGG 

- eine Verletzung von Art. 28 II GG muss möglich sein (selbst, unmittelbar und gegenwärtig)

IV Beschwerdeerschöpfung, § 90 II BVerfGG

 - Wenn das Land bei einer Landes-Rechtsverordnung eine Normenkontrolle nach § 47 I Nr. 2 VwGO vorsieht, muss dieser Rechtsweg zuerst beschritten werden. In BW ja, siehe § 4 AGVwGO.

V Form, §§ 23, 92, 93 II BVerfGG und § 93 III BVerfGG

- schriftlich, begründet und in Jahresfrist

B Begründetheit

- Kommune muss in Art. 28 II GG verletzt sein, dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung.

I Schutzumfang

- Kommunales Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 II GG

II Eingriff

- Eingriff in das Recht aus Art. 28 II GG

III Verfasungsrechtliche Rechtfertigung

1. Die verletzte Verfassungsnorm muss einen Bezug zur Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II aufweisen

2. Formelle Verfassungsmäßigkeit des beschränkenden Gesetzes 

3. Materielle Verfasungsmäßigkeit des beschränkenden Gesetzes 

a) Verletzung des Kernbereichs

b) Verletzung des verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzips 

- Prüfung der Verhältnismäßigkeit (legitimes Ziel + Eignung + Erforderlich + Angemessen)

c) Verletzung weiterer Verfassungsnormen

Neben der Verfassungsbeschwerde gibt es auch die kommunale Normenkontrolle (Art. 76 LV BW i.V.m. §§ 8 I Nr. 8, 54 VerfGHG).

Quelle: Ennuschat/Ibler/Remmert Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, 2. Auflage

Alle Beiträge von @theobaldjoachim in der Übersicht  

Uploadplan (Mit allen wichtigen Informationen zu meinem Blog) 

Sort:  

Lässt sich irgendwie begründen, warum ein Landesgesetz anders zu bewerten ist als eine Rechtsverordnung des Landes? Oder wurde wurde nur in einer Rechtsnorm vergessen, auch die Rechtsverordnungen zu erwähnen?

Da gibt es sicher eine (historische) Begründung, das kann man in den entsprechenden Gesetzgebungsunterlagen rausfinden.

Ich denke aber, es hängt auch mit dem Unterschied zwischen Rechtsverordnung und Landesgesetz zusammen. Rechtsverordnungen werden durch die Exekutive erlassen und nicht durch förmliches Gesetzgebungsverfahren.
Die LV BW wurde vor dem GG geschrieben und in Art. 76 LV BW ist nur das einfache Gesetz und nicht die Rechtsverordnung genannt. Meine Interpretation ist, dass das GG hier mehr Schutz als die LV BW gewährt und somit bei der Rechtsverordnung direkt der Weg zum BVerfG offen ist (also der Rechtsweg zum BVerfG ist dann nicht subsidiär).

Das klingt jedenfalls plausibel. Danke Dir.

Coin Marketplace

STEEM 0.19
TRX 0.15
JST 0.029
BTC 63407.49
ETH 2645.11
USDT 1.00
SBD 2.81