NDMA-Verunreinigung in Arzneimitteln - UPDATEsteemCreated with Sketch.

in #deutsch5 years ago

Liebe Steemianer,

NDMA (N-Nitrosodimethylamin, auch Dimethylnitrosamin genannt), ein besonders gefährliches Nitrosamin und beim Menschen sehr wahrscheinlich krebserregend (es ist keine Tierart bekannt, bei der NDMA NICHT Krebs auslöst), wurde wiederholt in Medikamenten nachgewiesen. Es ist ein Verunreinigungsprodukt, bzw. Nebenprodukt bei bestimmten chemischen Syntheseschritten und wird eigentlich nur benutzt, um in Tierversuchen Krebs experimentell auszulösen (1), kann aber auch in Nahrung und Wasser vorkommen (gepökeltes Fleisch, bestimmte alkoholischen Getränke, durch Ozon desinfiziertes Wasser).

Kein Einzelfall

Im Sommer 2018 kam es zu einem großangelegten weltweiten Rückruf von Valsartan-hältigen Generika (ausführlicher Bericht hier) und anderen Angiotensin-II-Antagonisten, nachdem durch Zufall NDMA in bestimmten Chargen eines chinesischen Herstellers (der allerdings den weltweiten Markt bedient hatte) gefunden wur.

Im Sep. 2019 dann der nächste Schlag: Zeitgleich mit der FDA (amerik. Arzneimittelbehörde) hat die EMA (europäische Arzneimittelbehörde) berichtet, dass auch in Ranitidin-hältigen Medikamenten NDMA gefunden wurde (3). Das Antihistaminikum Ranitidin ist ebenfalls sehr verbreitet (z.B. als Ulsal, Zantic oder Zantac) und wird bei Sodbrennen, Magenschwüren und als Magenschutz verwendet. Gefunden wurde NDMA nach Untersuchungen, veranlasst durch die EMA, die - bedingt durch den Valsartan-Skandal - die Hersteller routinemässig auch andere Medikamentengruppen auf Nitrosamine testen ließ. Einige Firmen in den USA (4) und auch in Europa (5) starteten "vorsorglich" Rückrufaktionen ihrer betroffenen Ranitidinmedikamente, obwohl laut BfARM (deutsches Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) "kein akutes Patientenrisiko" vorlag.

Und kurz danach wurde bekannt, dass auch in Metformin-hältigen Medikamenten Spuren von NDMA gefunden wurde (6). Metformin gilt als First-Line-Therapie bei Diabetes (und steht auch im Ruf, das Krebsrisiko zu reduzieren und/oder lebensverlängernd zu sein, (7)). Es ist eines der weltweit am häufigst eingesetzten Antidiabetika! Laut FDA sind die gefundenen NDMA-Werte innerhalb der Werte, die auch in Wasser und Nahrung gefunden werden können ("are within the range that is naturally occurring in some foods and in water"(8)), und auch die EMA meldete, dass die betroffene Präparate nicht innerhalb der EU zirkuliert hatten und dass die gefundenen NDMA-Werte "akzeptabel" waren ("within the acceptable limit")(9). Allerdings hatte die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic erste Rückrufe veranlasst (20 Chargen (aus den Jahren 2015 bis 2019) von "Metformin Streuli" der Schweizer Firma Streuli sind betroffen) (10).

Die EMA hat im Prinzip schon recht, dass der Nutzen der Diabetestherapie das geringe Risiko der NDMA-Kontamination weit überwiegt (9), aber mit jeder Nitrosaminmenge, die man ohne zu wollen und ohne es zu wissen konsumiert, wird die Gesamtbelastung höher. Viele für sich unterkritische Einzelbelastungen summieren sich zu einem "Gesamtcocktail", das man aufnimmt und gerade von einem Medikament sollte man nicht erwarten, hier noch zusätzlich etwas Gesundheitsschädliches (zusätzlich zu den unvermeidlichen Nebenwirkungen (11)) abzubekommen.
Bei Metformin mag nach derzeitigem Kenntnisstand das Nutzen-Risiko-Verhältnis noch stimmen, aber bei den hocheffektiven Impfstoff-Adjuvatien sehe ich das schon etwas problematischer (vor allem bei nicht lebensnotwendigen Impfungen), da sie nachweislich das Immunsystem in manchen Fällen in eine falsche Richtung triggern können. Aber das ist ein anderes Thema...

Dazu kommt, speziell beim Metformin, dass NDMA schon bei der Herstellung entstehen kann.
Die zweite Startsubstanz (neben Dimethylamin), 2-Cyanoguanidin wird auch als Ausgangsprodukt zahlreicher anderer Substanzen verwendet (Kunststoffe, Düngemittel,..) und steht daher in diversen Reinheitsgraden zur Verfügung - nicht alle sind so hochrein, dass 100% des NDMAs entfernt ist. Außerdem kann NDMA aufgrund der ähnlichen Struktur zu Metformin auch während der Lagerung im fertigen Medikament noch entstehen, z.B. durch Radikal-induzierte Oxidationen (12).
image.png
Herstellung von Metformin Quelle, Quelle

Zuguterletzt sind kürzlich Berichte aufgetaucht, wonach NDMA auch aus dem Blister der Medikamentenpackungen kommen könnte (13). Wobei es nicht so zu sein scheint, dass der Blister selbst mit NDMA verunreinigt gewesen ist, sondern die Verblisterung spezielle Bedingungen schafft, eine Mikroklima sozusagen, in dem Zersetzungsreaktion des Metformins unter NDMA-Entstehung begünstigt werden. Wenn es so ist, dann ist das eigentlich eine gute Nachricht, denn Metformin anders zu verpacken ist wesentlich leichter, als den Herstellungsprozess umzustellen! Apropos:

Höchstwahrscheinlich werden bald Nitrosamin-Tests für ALLE in Europa zugelassenen Arzneimittel verbindlich sein und alle Hersteller müssen eine Risikobewertung ihrer Produkte und Herstellungsverfahren durchführen (14). Falls erforderlich, sei der Herstellungsprozess umzustellen, um die "NDMA-Kontamination zu minimieren". Wenn das so kommt (der Entwurf in der Monographie „Substances for pharmaceutical use“ ist gerade in der öffentlichen Konsultation), dann wäre das ein teurer Spaß für die Hersteller. Schwer zu sagen, wer dann letztlich dafür zahlen wird.

Das Dilemma

So gut gemeint (und manchmal unbedingt notwendig) Medikamentenrückrufe auch sind, sie haben - was viele vergessen - auch negative Konsequenzen, gerade wenn Millionen Menschen weltweit davon betroffen sind. Und damit meine ich gar nicht die Verschlimmerung der in letzter Zeit immer häufiger werdenden Lieferengpässe bei Medikamenten in Deutschland (15). Ein aktueller Artikel im Circulation (16) zeigte jetzt, dass so eine Rückrufaktion eines flächendeckend bei chronisch kranken und oft multimorbiden Menschen eingesetzten Medikaments unmittelbare Auswirkungen hatte: infolge des Valsartan-Rückrufes in Kanada kam es zu einem ersatzlosen Absetzen des Medikaments bei 10,7% der Patienten der untersuchten Gruppe, trotz der Warnung, dass Patienten zuerst einen Arzt aufsuchen sollten, und in der Folge kam es in den jeweiligen Spitälern zu signifikanten Anstiegen bei den Notaufnahmen (von 0,11% pro Monat und Patient auf 0,17%, p=0,02). Da man keine Auswertung über die Gründe dieser Notaufnahmen hatte, sollte man nichts daraus schließen, aber wenn landesweit hunderttausende Patienten ihr Medikament (das immerhin nicht nur den Blutdruck senken, sondern auch vor Schlaganfall und Herzinfarkt schützen sollte) nicht mehr nehmen, kann man sich leicht vorstellen, dass die Anzahl an Schlaganfällen und Herzinfarkten zunehmen könnte (in der rel. kleinen Kohorte von ca. 55.000 Patienten in (16) hatte man keinen solchen Zusammenhang gesehen).

Solche Studien zur Untersuchung auf Populationsebene müssten weit häufiger gemacht werden, insbesondere jetzt, wo durch die nahezu vollständige Digitalisierung von Gesundheitsdaten diese auch weit besser zur Verfügung stehen als früher und es auch die entsprechenden Tools gibt, diese auszuwerten (data mining, Mustererkennung und predictive modelling mit AI-Systemen). Dann könnte man eventuell auch frühzeitig die Folgen von anderen Verunreinigungen bei Medikamenten besser erkennen als das heute der Fall ist, wo noch viel vom Zufall abhängig ist. Leider stehen solche Untersuchungen nicht im Fokus der unter Kostendruck stehenden Hersteller - und die Behörden sind (meist) nicht dafür ausgestattet.

(1) https://www.pharmacytimes.com/news/updates-on-nmda-contaminations-in-medications
(2) https://www.pharmacytimes.com/news/amneal-recalls-ranitidine-products-due-to-potential-ndma-impurity
(3) https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/09/13-09-2019/nitrosaminverunireinigungen-ndma-in-ranitidin-gefunden/
(4) https://www.pharmacytimes.com/news/amneal-recalls-ranitidine-products-due-to-potential-ndma-impurity
(5) https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2019/RI-ranitidin.html
(6) https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2019/RI-metformin.html
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Metformin
(8) https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/statement-janet-woodcock-md-director-fdas-center-drug-evaluation-and-research-impurities-found
(9) https://www.europeanpharmaceuticalreview.com/news/107680/ema-update-non-eu-metformin-medicines-contain-acceptable-levels-of-ndma/
(10) https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/12/17/metformin-rueckrufe-in-der-schweiz
(11) Keine Wirkung ohne Nebenwirkung (abgesehen vom Placebo-Effekt)! Wenn jemand behauptet, sein Mittel hätte GAR keine Nebenwirkung, hat es höchstwahrscheinlich auch keine Wirkung.
(12) https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-51-2019/nitrosamine-in-metformin
(13) https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/metformin-kommt-das-ndma-aus-dem-blister/
(14) https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/01/20/nitrosamin-kontrollen-fuer-alle-stoffe-kommen-ins-ph-eur/chapter:2
(15) https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/dachau-apotheke-medikament-1.4744884
(16) https://www.ahajournals.org/doi/pdf/10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044494

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Quelle, public domain

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Kann ich nachvollziehen. Danke für die Rückmeldung.

Ich danke für Dein Verständnis. Ist nichts persönliches. Ich würde nie gezielt bestimmte Personen ständig flaggen (ausser es gibt andere Gründe).
Und danke fürs Lob vom Artikel :)

(11) Keine Wirkung ohne Nebenwirkung (abgesehen vom Placebo-Effekt)! Wenn jemand behauptet, sein Mittel hätte GAR keine Nebenwirkung, hat es höchstwahrscheinlich auch keine Wirkung.

Diese zentrale Aussage kann ich nur unterstreichen - hat schon Professor Sundmacher vor mehr als zwei Jahrzehnten ebenso gesehen.

Was keine Nebenwirkungen hat, hat auch sonst keine Wirkung...

Ist halt so - denn wenn man die eine Stellschraube im System verstellt, dann muss an anderer Stelle der Organismus Federn lassen....

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