Zitate 050 - Ludwig Erhard über drei Kategorien von Menschen

in #deutsch7 years ago (edited)

31. Oktober 2017

Schon seit langem wollte ich einmal ein Zitat von dem durchaus herausragenden Politiker der Bundesrepublik Deutschland, Ludwig Erhard (1897-1977) [1] veröffentlichen. Heute ist mir eines in die Hände gefallen, welches für eine Veröffentlichung hier geeignet ist.

Es geht darin um Menschen mit verschiedenen Charakterzügen. Erhard hat 1977, also kurz vor seinem Tod, in einer Rede bei einem Empfang des damaligen CDU-Vorsetzenden Helmuth Kohl drei Kategorien von Charakterzügen erwähnt, die er für negativ hält. Gefunden habe ich das Zitat auf dem alten Blog "Eine neue Freiheit" [2] von Dietmar Dominik Hennig, der zu den freiheitlichen Mitgliedern der AfD gehört [3].

"Es gibt drei Kategorien von Menschen, die ich, im Grunde genommen und zurückhaltend ausgedrückt, einfach nicht leiden kann. Das sind die Nur-Pragmatiker: Zwar weiß ich auch, dass man nicht immer durch die Wand gehen kann; aber Pragmatiker aus geistiger und charakterlicher Haltung zu sein, ist der Verachtung wert. Den Pragmatikern, die sich sogar weise dünken, folgen die Opportunisten, denen nur mit Abscheu zu begegnen ist. Und schließlich sind da noch die Konformisten als das wahrscheinlich ärgste Übel zu nennen. So viel an Widerwärtigkeit kann kein anständiger Mensch vertragen."

Für mich ist das eine Aussage, die ich voll und ganz unterstütze.

Zum Pragmatismus kann ich sagen, dass eine Orientierung zur Praxis und eine gewisse Flexibilität nötig sind. Aber für die eigene Glaubwürdigkeit ist wichtig, dass man selber Prinzipien und Werte hat, die man hochhält und verbindlich einzuhalten imstande ist. Pure Prinzipienreiterei kann es aber auch nicht sein, speziell dann, wenn man deswegen weitaus weniger anständigen Menschen das grosse Spielfeld überlässt. Reiner Pragmatismus ohne werthaltiges Fundament ist kein Wert, sondern wirkt sehr willkürlich, unberechenbar und orientierungslos.

Für den Opportunismus habe ich wenig übrig, das ist für Menschen, die sich in der Rolle der Sprechpuppe oder des Worthülsenverbreiters wohlfühlen. Man merkt das sehr gut, wenn etwa Politiker über den Klimawandel sprechen. Meist repetieren sie nur gerade das, was ihnen von den Beratern aus den speziell für Politiker aufbereiteten Zusammenfassungen in den Mund gelegt wurde. Eigentlich müsste man, wenn man die Sache ernsthaft betreiben möchte, tief einsteigen und zumindest sich von Sachverständigen die Unterschiede aus den vollständigen und den zugeschnittenen Berichten erläutern lassen. Auf mich wirkt es höchst unglaubwürdig, wenn sich Politiker wie fundamentalistische Prediger hinstellen, währenddessen es noch immer Meteorologen, Physiker, Mathematiker und Ingenieure gibt, die sich nie zutrauen würden, den anthropogenen Anteil an Wetterphänomenen und in dessen langjähriger Summe, dem Klima, bestimmen zu können, geschweige denn die Zukunft vorherzusagen. Weil sie sich von der Komplexität der auf der Erde ablaufenden Mechanismen schlicht überfordert fühlen. So geht es mir persönlich auch. Politiker dürften erst recht nicht mehr die intellektuellen Kapazitäten aufbringen, das Thema zu fassen und zu begreifen.

Dem Konformismus ist in Gänze abzuschwören, viel zu sehr hat die Geschichte gezeigt, zu welchen Taten Menschen fähig sind, wenn Befehlstreue und unhinterfragtes Exekutieren von Anordnungen als viel grösserer Wert glorifiziert werden, als die Wahrnehmung der Eigenverantwortung unter Einhaltung der Menschenrechte oder des Nichtaggressionsprinzips.

2017-10 Ludwig Erhard Büste Fürth.jpg
Eine Büste von Ludwig Erhard, die in dessen Heimatstadt Fürth zu sehen ist [4]. Erstellt wurde sie von Eva Hermann im Jahr 2002.

Ludwig Erhard war ein deutscher Politiker und Wirtschaftswissenschaftler. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat in Rumänien und an der Westfront, wobei er im September 1918 schwer verwundet wurde. Nach dem Krieg absolvierte er eine Ausbildung zum Diplom-Kaufmann, danach studierte er Betriebswirtschaft. In der Ökonomie wurde er 1925 promoviert, sein Doktorvater war Franz Oppenheimer (1864-1943). In den 1930er Jahren war Erhard unter anderem wissenschaftlicher Assistent an der Nürnberger Handelshochschule und organisierte die ersten Marketing-Kurse in Deutschland.

Von 1942 bis 1945 leitete der parteilose Erhard das Institut für Industrieforschung, das von der Reichsgruppe Industrie [5] finanziert wurde. Nach dem Krieg kam Erhard rasch zu politischen Ämtern, zunächst in Bayern, dann in der BRD. Im Frühjahr 1948 wurde Erhard zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gewählt. Die Aufhebung der Preisbindungen und damit der Abbau eines der wesentlichen planwirtschaftlichen Hemmnisse, wurde unter Erhard durchgeführt. Konzipiert wurde das Vorgehen von Leonhard Miksch, der aus dem Umfeld des ordoliberalen Professors Walter Eucken stammte. Ludwig Erhard war Bundesminister für Wirtschaft, von 1949 bis 1963. Dazu von 1963 bis 1966 der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Das empfehlenswerte, von Ludwig Erhard verfasste Buch Wohlstand für alle kann bei der Ludwig Erhard Stiftung als PDF-Datei kostenlos bezogen werden [6]. Der Vorsitzende dieser Stiftung ist der sehr bekannte Journalist und Diplom Volkswirt Roland Tichy.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Erhard
[2] http://dominikhennig.blogspot.ch/2006/11/eilmeldung-ludwig-erhard-postum-aus.html
Das Zitat stammt aus einer von Ludwig Erhard gehaltenen Rede beim Empfang des CDU-Vorsitzenden Dr. Helmut Kohl im Hotel Königshof Bonn, 4. Februar 1977, abgedruckt in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten. Reden und Schriften, Econ-Verlag, 1988
[3] https://www.facebook.com/dido.he1?ref=br_rs
[4] Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Gefunden wurde sie unter [1]. Die Photographie stammt von User hostelli.
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsgruppe_Industrie
[6] Ludwig Erhard, Wohlstand für alle, 8. Auflage 1964 http://www.ludwig-erhard.de/wp-content/uploads/wohlstand_fuer_alle1.pdf Alternativ bei mir mit durchgehend Lesezeichen und Angaben der Seitenzahlen: https://yadi.sk/i/Hkkq26yf3PHReM


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Herzlichen Dank für die Verlinkung des kostenlosen Buchtextes von Ludwig Erhard! Schon bei kurzem Durchsehen zeigt sich die frappierende Diskrepanz zur heutigen planwirtschaftlichen und mit Sicherheit in den Ruin führenden Wirtschaftspolitik der konstant (ungeachtet aller Wahlen) durchregierenden deutschen Einheitspartei.

Dankeschön für den Kommentar!

Ich sollte das eigentlich noch mehr tun, kostenlose Top-Texte verlinken und empfehlen. Denn es kann heute keiner, der zu einer banalen Recherche im Internet fähig ist, sagen, er habe von gar nichts wissen können. Dafür ist viel zu viel wichtige Information alleine mit wenigen Eingaben und ein Paar Mausklicks ohne finanziellen Einsatz zu bekommen. Dass die Einheitspartei demontiert gehört, ist für mich für einmal wirklich alternativlos. Demontieren darf man soweit mir bekannt noch sagen, andere Ausdrücke für das Loswerden sind seit einigen Wochen ja nicht mehr politisch korrekt.

Eigentlich ist es für mich nicht zu fassen, wie sich die Trägheit festgesetzt hat. Vor einigen Tagen ist mir noch ein Artikel verlinkt worden [1], zu einem klassischen Problem der sogenannt Ersten Welt, die sexistische Werbung. Es wurde von einer Bezirksbürgermeisterin aus dem Raum Berlin, Parteimitglied bei den Grünen, berichtet, die sich sehr in diesem Kampf engagiert. Das witzige war das Bild oben im Artikel, da freute ich mich für einmal schon, dass mir in Zukunft der links zu sehende Anblick wegen Anstössigkeit via Zensur erspart bleiben würde, bis ich merkte, dass vollkommen unerklärlicherweise doch der andere gemeint war. Insgesamt heisst es für mich natürlich. Zensur des Aussehens von Menschen geht gar nicht, das ist irgendwie auch lebensfeindlich, nicht?

Es ist normalerweise nicht meine Art, sich über das Aussehen von Menschen lustig zu machen, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass im Umgang mit Kollektivisten von fast jeder Art nur Abstand hilft. Deren Nähe bringt einem gar nichts, im Gegenteil.


[1] Sexismus - Friedrichshain-Kreuzberg sagt anstößiger Werbung den Kampf an. BZ Berlin, 25. September 2017 http://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/friedrichshain-kreuzberg-sagt-anstoessiger-werbung-den-kampf-an

Ich war neulich in Berlin (gezwungenermaßen sogar 2x). Da geht einem ein Licht auf, was mit Deutschland los ist. Das Video, das ich dazu erstellt habe, wurde prompt bei YouTube demonetarisiert.

Zufällig ist mir heute dieses Zitat über den Weg gelaufen:
»Emanzipation des Weibes« - das ist der Instinkthaß des mißratenen, das heißt gebäruntüchtigen Weibes gegen das wohlgeratene." - Friedrich Nietzsche

Lesetip: Der häßliche Linke

Danke für die Empfehlung und ja, Nietzsche ist mit seinen messerscharfen Aussagen immer wieder ganz gut, was für Schopenhauer und Kant genauso gilt. In der Schule habe ich sowas noch überhaupt nicht verstanden, aber es ist völlig klar, dass das Verständnis der Philosophie erst mit einer leicht etwas besser gediehenen Lebenserfahrung zur Reife kommen kann.

Sind mit Konformisten Menschen gemeint, die sich immer nur am Mainstream orientieren und nie ihr eigenes Gewissen befragen?

Danke für den Kommentar!
Wie Ludwig Erhard es gemeint hat, weiss ich nicht. Er ist mehr als 10 Jahre vor meiner Geburt gestorben. Ich meine mit Konformisten Menschen, die sehr darauf achten, was die Masse tut, um sich so zu verhalten, dass sie selber nicht aus dieser Masse hervortreten. Das ist im Wesentlichen dasselbe, was du auch gesagt hast.

Konformistisches Verhalten kann man eigentlich nur mit dem Fehlen eigener Werte, Prinzipien und eigener Charakterstärke begründen. Wenn ich für mich spreche, sage ich auch, dass ich nicht dauernd das Bedürfnis verspüre, nach aussen meine Überzeugungen mit aller Vehemenz zu verteidigen, sondern auch mal schweige. Beim Handeln versuche ich aber schon, meine individuelle Linie beizubehalten.

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