Zensur 011 - Weiteres zu den ersten Ärgernissen 2018

in #deutsch7 years ago (edited)

07. Januar 2018

In Deutschland treibt die Einführungsparty des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes bereits in ihrer Anfangsphase die eine oder andere leicht chaotische Blüte. Nachdem schon die Pilotphase im Herbst 2017 zu teilweise schlecht begründeten Sperren geführt hatte, ging es mit der definitiven Einführung zu Beginn des Jahres 2018 ernsthafter los. Wer sich Beispiele der leider selektiven Löschpolitik ansehen will, dem sei etwa die Webseite des Rechtsanwalts Joachim Steinhöfel empfohlen, welche den Titel facebook-sperre.steinhoefel.de trägt [1]. Auch bei Twitter scheint die Party im Moment ziemlich gut zu laufen, den Fall der beiden AfD-Politikerinnen und Mitglieder des Bundestages habe ich in meinem letzten Artikel in der Rubrik Zensur erwähnt [2].

Dazu möchte ich mich aber gar nicht weiter äussern, denn es ist ganz klar, was das neue Gesetz zu tun hat. Das ist das Löschen rechtswidriger Inhalte. Dazu kommt noch der Tatbestand der Hassrede, das heisst, es ist nicht erlaubt, Dinge in einem Stil zu äussern, der hasserfüllte Beleidigungen enthält. Für mich ist das soweit nachvollziehbar und bedeutet, dass alles, was wahr ist, angesprochen werden darf, unter der Bedingung, dass gewisse Anstandsregeln eingehalten werden. Das kann eine Institution, die sich selbst Rechtsstaat nennt, offiziell nicht in Frage stellen, das ist selbsterklärend. Denn, wer die Wahrheit teilweise in die Rechtswidrigkeit verbannt, der muss im Gegenzug auch teilweise die Lüge zu seinem Programm erklären und das will ganz sicher niemand freiwillig zugeben.

Um das Gesetz etwas besser verstehen zu können, habe ich mich an einigen Stellen umgesehen. Zunächst auf der Webseite des zuständigen Bundesministeriums [3], wo man die offiziellen Stellungnahmen und eine Reihe an Fragen und Antworten abrufen kann. Dort findet man auch den genauen Wortlaut des Gesetzes [4]. Auch wenn in der Beschreibung steht, dass das Gesetz Falschmeldungen oder FakeNews bekämpfen soll, finden sich die Silben 'falsch' und 'fake' nicht im Wortlaut. Auch das Wort 'Wahrheit' oder die Silbe 'wahr' finden sich nur einmal darin wieder, nämlich unter Paragraph 3:

§3 Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte
(2) Das Verfahren muss gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks, 3. die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt; das soziale Netzwerk kann in diesen Fällen dem Nutzer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde geben,

Der tatsächliche Wahrheitsgehalt von Meldungen ist also nicht Teil des Gesetzes. Auch ist nicht geregelt, wie man im Falle eines Zitats mit der Sache umgeht. Denn, eigentlich ist der einzige, glaubwürdige Weg, wie mit Zitaten umgegangen werden kann, der, dass es zuerst und hauptsächlich den Urheber trifft und erst danach solche, die es im guten Glauben weiterverbreitet haben. Stammt das Zitat von einer zuverlässigen Quelle, dazu kann man auch gerne eine Liste veröffentlichen, muss es stehenbleiben. Insgesamt muss ich aber zugeben, dass ich im Rechtsfragen sowohl Laie, als auch Anfänger bin. Für die Kompetenz in der deutschen Sprache gilt das aber nicht, die auch in anspruchsvoller Form zu verstehen, gehört zu meinen Fähigkeiten.

In der ersten Woche sind auch noch zwei interessante Artikel erschienen. Zum einen ist bei der Welt ein Meinungsbeitrag erschienen unter dem Titel Meinung Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Sorry, Herr Maas: Ihr Gesetz ist schon gescheitert [5]. Sollte am umstrittenen Gesetz festgehalten werden, ist bereits der Titel eine astreine Falschmeldung. Der Autor hätte vielleicht schreiben können, das Gesetz sei unpraktisch oder praxisfern, aber gescheitert kann es nicht sein, wenn es seine Gültigkeit behält.

Zum anderen ist beim bereits erwähnten Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel diese Woche ein interessanter Artikel erschienen, in dem eine Twitter-Botschaft erwähnt wurde, die der für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verantwortliche Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) [6] im Herbst 2010 wohl selbst verfasst haben muss, die aber inzwischen nicht mehr auffindbar ist. Als Screenshot hat das kurze Dokument aber überlebt, in dem der damalige Landtagsabgeordnete seinen umstrittenen Parteifreund Thilo Sarrazin einen Idioten nannte und auch dessen Familiennamen ein 'r' vorenthielt.

2018-01 - Heiko Maas.jpg
Bild des Tweets vom Herbst 2010 [7].

Der angesprochene Tweet wurde auch bei der Boulevardzeitung Bild thematisiert. So erschien am Sonntag 07. Januar ein Artikel unter dem Titel „ ... was für ein Idiot Sarazin ist“ - Justizminister Maas wird Opfer seines eigenen Lösch-Gesetzes! [7]. Die in diesem Titel stehende Behauptung, nach der der Justizminister Opfer seines eigenen Gesetzes geworden sei, dürfte eine Falschmeldung sein. Es sieht nach freiwilligem Löschen aus. Warum die Bild am Ende des Artikels bei der Auflistung der Parteien, die sich gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz positionieren, ausgerechnet dessen erbittertste Gegnerin AfD vergessen hat, bedarf wohl keiner ausführlichen Interpretation.

Es bleibt auf jeden Fall spannend zu sehen, wie es mit dem Gesetz weitergehen wird. Rechtsanwalt Steinhöfel hat Facebook für die nahe Zukunft wegen des Löschens zulässiger Inhalte und willkürlichen Trennens (vielleicht auch Hinzufügens, Anm.) von Abonnements angedroht [8]. Eine gute Sache hat er am Gesetz gefunden, nämlich dass die Betreiber internationaler (a)sozialer Netzwerke in Deutschland einen Zustellungbevollmächtigten haben müssen. Das hat er in einem Video näher erklärt und auch für nicht profitorientierte, aber einflussreiche Portale wie Wikipedia als eine sinnvolle Sache ins Feld geführt [9].

Abschliessend kann ich noch einen am Dreikönigstag bei der Achse des Guten erschienenen Artikel empfehlen [10], in dem gezeigt wird, dass das neue Gesetz auch schon einige Leute getroffen hat, die sich selbst wohl für ausserhalb des Bereiches der Antastbarkeit gehalten haben. Auch in der Schweiz wurde das Gesetz andiskutiert, von der Mehrheit der Leser wird es kritisch gesehen [11].


[1] https://facebook-sperre.steinhoefel.de/
[2] Zensur 010 - Über die ersten Ärgernisse 2018. @saamychristen, 05. Januar 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/zensur-010-ueber-die-ersten-aergernisse-2018
[3] Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMJV http://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html
[4] Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz–NetzDG), BMJV, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 61, ausgegeben zu Bonn am 7. September 2017, Seiten 3352-3355 http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/BGBl_NetzDG.pdf;jsessionid=72BC967BF3717DF0D2DCE62D46072055.1_cid324?__blob=publicationFile&v=2
[5] Meinung Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Sorry, Herr Maas: Ihr Gesetz ist schon gescheitert Welt.de, 06. Januar 2018, von Peter Huth https://www.welt.de/debatte/kommentare/article172226747/Netzwerkdurchsetzungsgeset-Sorry-Herr-Maas-Ihr-Gesetz-ist-schon-gescheitert.html#Comments
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Heiko_Maas
[7] https://twitter.com/LGrimsqueaker/status/949666916808962048
„ ... was für ein Idiot Sarazin ist“ - Justizminister Maas wird Opfer seines eigenen Lösch-Gesetzes! Bild.de, 07. Januar 2018 http://www.bild.de/politik/inland/heiko-maas/netzwerkdurchsetzungsgesetz-tweet-justizminister-geloescht-54402846.bild.html
[8] https://twitter.com/Steinhoefel/status/949200005931335680
[9] Der Kampf gegen das Netz-DG geht weiter. Und was Wikipedia damit zu tun hat. Joachim Steinhoefel YouTube Kanal, 12. Dezember 2017
[10] Das Zensurgesetz frisst seine Kinder. Die Achse des Guten, 06. Januar 2018, von Karim Dabbouz http://www.achgut.com/artikel/das_zensurgesetz_frisst_seine_kinder
[11] Netzregeln in Deutschland - «Natürlich kann man das neue Gesetz ausnutzen». 20min.ch, 05. Januar 2018 http://www.20min.ch/ausland/news/story/-Instrumentalisierung-ist-nicht-ausgeschlossen--16908874


Bisherige Posts in der Rubrik «Zensur».
Übersicht über alle Rubriken.

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wow ! hab dich jetzt gerad erst entdeckt, leider. was für umfangreiche und interessante posts du raushaust... respekt !

hab noch einiges nachzuholen :)

Danke für den Kommentar!

Ja, meine Artikel sind meist etwas länger, aber da bin ich seit einigen Monaten dran und habe sozusagen meinen Blog so aufgestellt, wie ich ihn haben möchte. Wie das dem Publikum so passt, ist eine andere Geschichte, ich hoffe gut.

hab noch einiges nachzuholen :)

nicht nur du :P

Te sigo ;) :)<3

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