Zensur 010 - Über die ersten Ärgernisse 2018

in #deutsch7 years ago (edited)

05. Januar 2018

Mit dem Beginn des Jahres 2018 ist soweit mir bekannt, in der westlichen Welt seit geraumer Zeit das erste Gesetz gegen Hassrede und Falschmeldungen in Kraft getreten. In der Bundesrepublik Deutschland wird seither das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz im vollen Umfang angewendet, nachdem es im Herbst 2017 erst eingeschränkt zur Anwendung kam. Gemäss dessen Inhalt soll das Internet dergestalt durchsetzt werden, dass hasserfüllte Reden verbindlich und viel schneller, auch unter der Androhung hoher Geldbussen, von privaten, internationalen Plattformen aus dem Internet verschwinden sollen, als es durch gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen der Fall wäre. Solche Entscheidungen, die in der Folge übler und unwahrer Verleumdungen in der Vergangenheit meist zuverlässig zustande kamen, brauchen in der Regel einige Zeit und abhängig davon, wie der juristisch Gemassregelte sich gegen die Verfügung wehrt, können daraus Monate werden.

Da die meisten der aktuell angesagten Internetplattformen, auch (a-)soziale Netzwerke genannt, sehr auf Schnelllebigkeit ausgelegt sind, ist das klassische Vorgehen über Anzeige, einstweilige Verfügung usw. möglicherweise ziemlich untauglich. Denn, einen oder mehrere Monate später interessiert sich in aller Regel kaum mehr jemand für einen alten Facebook-Post oder -Kommentar oder auch für einen Tweet. Bei Blogs, auf denen richtige Artikel veröffentlicht werden, kann es etwas anders sein, Artikel werden durchaus auch später noch gelesen, aber grundsätzlich gilt, dass eigentlich nur das aktuelle zählt und konsumiert wird. Das Internet in der Welt von Twitter und Facebook ist eigentlich eine grosse Boulevardwelt, ein modernes Forum Romanum [1], auch wenn darin durchaus auch Wertvolles und Ausführlicheres mitgeteilt wird, das aber meist etwas weniger schrill und weniger offensiv nach Aufmerksamkeit heischend.

Den Anspruch auf eine Begründung im Einzelfall mit Erläuterung welches Wort warum inakzeptabel und warum die Aussage als ganzes nicht hinzunehmen ist, sehe ich für mich als das unterste Minimum, das der Anstand gebietet, zumindest für Leute die ähnlich unterwegs sind wie ich. Bei Verfassern von meist 1-3 zeiligen, ausgesprochen niveaulosen Kommentaren kann man vielleicht auch anders denken. Auch wenn ich ab und zu mal die eine oder andere Polemik loslasse, schreibe ich in der Regel ziemlich präzise und ausführlich und verlange deshalb von jedem, der mich für irgendetwas sanktionieren möchte, eine Begründung, die zudem über eine stringente Argumentation verfügt. Alles andere akzeptiere ich nicht. Da ich selbst für meine Internetaktivitäten mit Ausnahme von Steemit nicht bezahlt werde, erhebe ich auch den Anspruch, dass Leute, die mich sanktionieren wollen, das zur Not auch ohne Entgelt zu leisten haben. Was einem sehr wichtig ist, macht man zur Not auch ohne Bezahlung. Für das, was lästig ist, muss man bezahlt werden.

Facebook, das in Deutschland gemäss einem in der NZZ erschienenen Artikel [2] bereits 1'200 Menschen beschäftigt, löschte im Spätsommer monatlich etwa 15'000 Kommentare, pro Angestellten also etwa 0,6 Kommentare pro Arbeitstag (15'000/20 = 750, 750/1'200 = 0,625), eine Kadenz, die eine Begründung in jedem gelöschten Einzelfall gegenwärtig mehr als zulässt. Trotzdem steht im selben Artikel, dass die Angestellten, die die getätigten Aussagen prüfen sollen, im Schnitt nur 8 Sekunden für ihre Entscheidung zur Verfügung haben. Dass in 8 Sekunden Fälle gelöst werden können, in denen sich teilweise auch erfahrene Experten nach längerem Diskurs nicht einig sind, ist reine Phantasie. Grunsätzlich kann man aber auch die Begründungen automatisieren, indem man ein öffentliches Register von Beispielen führt und auf diese verweist.

Es gibt auch Referenzen aus dem Jahr 2016, was sich noch im Rahmen des Erlaubten bewegt. Der Satiriker in Diensten des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF, Jan Böhmermann, präsentierte im Frühjahr 2016 ein Schmähgedicht [3] auf den gewählten Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan. Ich kann nicht behaupten, den türkischen Präsidenten besonders zu mögen, aber er ist noch immer ein Teil des westlichen Bündnisses, auch wenn er den Islam in seinem Land sehr gestärkt hat und in der jüngsten Vergangenheit sehr in Richtung Russland geschwenkt ist. Über die Türkei habe ich im Frühjahr 2017 einen Artikel mit einigen Überlegungen geschrieben [4]. Fakt ist also, dass das Gedicht, welches ich hier nicht zu zitieren gedenke, weil ich es für viel zu blöd und stillos halte, erlaubt ist. Ob sich jeder Einzelne in Deutschland wie er gerade Lust hat, zum Satiriker erklären kann oder ob man dazu einer offiziellen Einstufung bedarf, scheint aus meiner Sicht auch nicht geklärt. Wenn man eines offiziellen Zertifikats bedürfte, um als Satiriker tätig sein zu dürfen, müsste man dieses auch erwerben können. Das Verfahren, welches von türkischer Seite gegen Jan Böhmermann angestrengt wurde, wurde im Herbst 2016 eingestellt [5].

Da man heute nicht mehr in der alten Monarchenzeit lebt, in der die Hofnarren als einzige mehr sagen durften, sehe ich eigentlich nicht ein, warum die Satire mehr dürfen sollte, als der ernsthafte Diskurs. Für mich ist es eher so, dass alles, was die Satire darf, der ernsthafte Diskurs auch dürfen muss und eben umgekehrt. Problemlösungen resultieren in aller Regel nicht aus Satire, sondern aus der ernsthaften Auseinandersetzungen, also muss dort auch alles gesagt werden können.

Ob man in der Satire auch hirnrissige Behauptungen machen darf oder Leute damit unbekümmert beleidigen darf wie man gerade lustig ist, darüber habe ich mir noch keine abschliessende Meinung gebildet. Ich setze meinen Standard so, dass ich nur die Dinge schreibe, die ich auch hinreichend begründen kann und Spekulationen, die ich tätige, als solche ausweise. Deswegen bin ich der Ansicht, dass man auch in der Satire nicht nur wild behaupten sollte, sondern vielleicht Anzeichen in eine Richtung ins Absurde weiterspinnen kann. Der wahre Kern als Grundlage, das Luftschloss darüber der Spass, das ist aus meiner Sicht Satire. Das erwähnte Schmähgedicht über den Präsidenten Erdogan ist im Gegensatz dazu eine ziemlich wilde Aneinanderreihung von Behauptungen über dessen Intimsphäre. Wobei ich es für sehr unwahrscheinlich halte, dass der Verfasser des Gedichtes auch nur eine geringe Ahnung davon hat, wie Herrn Erdogans Privatleben aussieht.


Anfang 2018 gab es bereits zwei sehr bekannte Menschen, die mit den rascher greifenden Löschmechanismen Bekanntschaft machen mussten, es sind die beiden Politikerinnen und Abgeordneten des deutschen Bundestages Beatrix von Storch [6] und Alice Weidel [7], beide Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Beatrix von Storch, die von Alice Weidel auf einer gemeinsamen Wahlkampfveranstaltung als das (verbale) Schwert angekündigt wurde, hat bei Twitter als Antwort auf den in arabischer Sprache veröffentlichten Neujahrsgruss der Kölner Polizei eine pauschale Verunglimpfung gegen muslimische Männer geäussert. Es war eine Aussage, die ich selber so nicht tätigen würde. Die Kölner Polizei und hunderte Bürger fühlten sich dadurch offenbar so stark angegriffen, dass sie wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen Beatrix von Storch Anzeige erstatteten [8].

Aus meiner Sicht durchaus aufsehenerregend, wenn schon zu Beginn der Anwendung eines neuen Gesetzes Aussagen von Abgeordneten des höchsten Parlamentes im Land gelöscht werden. Dazu sei ein kurzer Videobeitrag verlinkt, der beim öffentlich-rechtlichen Sender ZDF gezeigt wurde [9]. Darin werden zwei Politiker gezeigt, der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen [10], der der Aktion äusserst kritisch gegenübersteht und offen von einem Anschlag auf die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit spricht und die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl [11], die die ersten Auswirkungen des neuen Gesetzes als gut und richtig lobt.

Noch bezeichnender ist, dass die Löschung ausgerechnet zwei starke Frauen getroffen hat. Denn, dieses Attribut trifft meines Erachtens zweifelsfrei bei beiden Damen zu. Beatrix von Storch ist Anwältin und Alice Weidel promovierte Volkswirtschafterin, beide sind erfolgreiche Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt keinerlei Probleme bekunden und sich garantiert keine Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, sollten sie bei der nächsten Bundestagswahl aus dem Parlament ausscheiden. Sie sind eine andere Art Frau, als diese, die für sich vor allem den Arbeitgeber Staat auserkoren haben oder solche, die meinen, dass nur in der Sozialdemokratie oder im Sozialismus die wahre Befreiung der Frau stattfinden könne. Darüber ist auch ein lesenswerter Artikel beim FAZ Blog Deus ex Machina erschienen [12].

Frauen wie Beatrix von Storch und Alice Weidel haben die Gleichstellung genutzt, um selbst Karriere machen zu können und auf Augenhöhe mit Männern zu konkurrieren und zu kooperieren. Es sind Frauen, die sich nicht verstecken (brauchen), die wissen, was ihre Ziele sind, diese mit Hingabe und Nachdruck erreichen wollen und daraus auch keinen Hehl machen. Mindestens sehe ich das so aus der Distanz, denn ich habe keine der beiden persönlich gesprochen. Ihr Stil scheint also vordergründig nicht besonders weiblich zu sein. Für solche Menschen arbeite ich in der Regel gerne, da sie zwar hohe Anforderungen stellen, aber dafür fair und nicht hinterhältig sind. Zum Gegner habe ich sie eher weniger gern, da sie charakterlich wohl ziemlich stark sind.

Dass es die Abgeordnete der SPD geradezu freut, dass Meldungen der beiden AfD-Alpha-Damen gelöscht werden, erstaunt mich keineswegs, denn diese beiden sind aufgrund ihrer AfD-Mitgliedschaft und Tätigkeit in führender Position so deutlich aus dem sozialdemokratischen Feminismusgehege ausgebrochen, dass es fast schon bedrohlich sein muss. Wer nicht will, dass Tiere ein Gehege verlassen oder pausenlos die ausserhalb wachsenden Gräser für interessanter halten, muss solche Tendenzen unterdrücken. Mit Herdentieren wie Schafen oder Rindern verfährt man so, dass die mit dem grössten Freiheitstrieb zuerst auf der Schlachtbank landen. Da dies mit Menschen zum guten Glück nicht einfach so möglich ist, muss man entweder das eigene Angebot verbessern oder das andere schlechtreden oder schlechtmachen. Da es gerade für die Linken derzeit ziemlich schwierig scheint, das eigene Angebot zu verbessern, muss man eben an der zweiten Option arbeiten. Im Kampf um die Meinungsfreiheit dürfte also noch längst nicht die letzte Runde angebrochen sein.

In Deutschland ist die Lage der Sozialdemokraten aber ungemütlich. Gerade bundesweit sind sie mit den beiden anderen grossen linken Parteien weit von einer Mehrheit entfernt. Sollten sie sich mit der CDU/CSU noch einmal auf eine Grosse Koalitionsregierung einigen, dürfte es eher nicht besser werden. Momentan haben sie eher noch das Glück, dass sich die bürgerlichen Kräfte alles andere als einig sind, obwohl sie mit 59,8/40,2 Prozent nach Sitzen (Verhältnis 1,49/1) über eine deutliche Mehrheit verfügen.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde auch eine Möglichkeit der Zensur geschaffen, die jedem offensteht, der in der Regierung ist und damit die Stossrichtung vorgeben kann. Sollte die SPD dereinst nicht mehr an der Regierung beteiligt sein, kann auch sie im Internet mithilfe dieses Gesetzes in ihrer Aktivität eingeschränkt werden. Da in einer Demokratie trotz teilweise recht stabilen Verhältnissen stets die Gefahr besteht, dass man als Konsequenz von Wahlen abgelöst wird, sollte man vorsichtig vorgehen und sich hüten, der Regierung zuviel Macht zu geben. Den älteren Parteien hat es gewiss auch nicht gerade gut in den Kram gepasst, dass die AfD dank ihrem Einzug in die Länderparlamente und den Bundestag nun Zugang zu viel besseren Mitteln der Parteienfinanzierung hat und auch in Rundfunkräten vertreten sein wird. Um das zu verhindern, hätte man die staatliche Finanzierung von Parteien gar nie einführen dürfen.

Abschliessend kann ich sagen, dass ich jeglicher Art von Zensur äusserst kritisch gegenüberstehe und der Ansicht bin, dass nahezu jede verquere Ansicht und verkommene Schrift, die zu Hass und Gewalttaten aufrufen will, durch eine moderne, aufgeklärte und durchdachte Weltsicht gekontert werden kann und deswegen auch nicht nur mit Verboten bekämpft werden kann. Die Annahmen in verschwörungstheoretischer Literatur gehen oft zu weit, die Argumentation ist ebenso oft nicht wirklich stringent, so dass Hetzereien durch mehr Verständnis abgeschwächt werden können. Es gibt aber ein Problem damit und zwar müssen alle Etablierten und damit die von Angriffen mit verschwörungstheoretischem Inhalt Betroffenen bereit sein, sich argumentativ stringent zu verteidigen und notfalls auch für Transparenz zu sorgen. Schon im Zuge der Demonstrationen für die Meinungsfreiheit nach dem Attentat auf die französische Zeitschrift Charlie Hebdo [13] am 07. Januar 2015 erwartete ich, dass es der individuellen Rede- und Meinungsfreiheit in Kürze an den Kragen gehen wird. Der Anschlag galt einer Zeitschrift und die Demonstrationen galten der Freiheit der institutionalisierten Presse, nicht der Freiheit des Individuums. Die institutionalisierte Presse ist von den Gesetzen gegen Falschmeldungen im Internet ausgenommen.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Forum_Romanum
[2]Netzwerkdurchsetzungsgesetz – kann man Hass verbieten? NZZ.ch, von Jonas Hermann, 02. Januar 2018 https://www.nzz.ch/international/netzwerkdurchsetzungsgesetz-kann-man-hass-verbieten-ld.1343453
[3] Schmähkritik – Ein Gedicht von Jan Boehmermann (für Erdoan) [Update]. testspiel.de, 12. März 2017 http://www.testspiel.de/schmaehkritik-ein-gedicht-von-jan-boehmermann-fuer-erdoan/313593/
[4] Politik 013 - Türkei vs. Westeuropa, unkonventionelle Überlegungen. @saamychristen, 12. März 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-012-tuerkei-vs-westeuropa-unkonventionelle-ueberlegungen
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmermann-Aff%C3%A4re
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_von_Storch
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_Weidel
[8] Vorwurf der Volksverhetzung Zahlreiche Anzeigen gegen von Storch. tagesschau.de, 02. Januar 2018 https://www.tagesschau.de/inland/vonstorch-tweet-101.html
[9] ► AfD - Prof. Dr. Jörg Meuthen: "Das ist ein Anschlag auf unsere Meinungsfreiheit". HSM2k2 YouTube Kanal, 02. Januar 2018
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Meuthen
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_H%C3%B6gl
[12] Der private Hass hinter dem Niedernetzen von Alice Weidel. Blog FAZ Deus ex Machina, von Don Alphonso, 02. Januar 2018 http://blogs.faz.net/deus/2018/01/03/der-private-hass-hinter-dem-niedernetzen-von-alice-weidel-4803/amp/?__twitter_impression=true
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_Charlie_Hebdo


Bisherige Posts in der Rubrik «Zensur».
Übersicht über alle Rubriken.

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Danke für diesen äußerst lesenswerten und wie immer sehr sachlichen Artikel. Das Beste ist der letzte Satz.
In den meisten Teilen Europas herrscht immer noch ein grundsätzlich etatistisch geprägtes Freiheitsverständnis, was vollkommen inkompatibel zu dem wesentlich "liberaleren" Freiheitsverständnis in den USA ist.
Kann man das ändern? Ich denke: Kurz- und mittelfristig sicher nicht. Ist sinnlos, daher richte ich meine Energie auf Dinge, die mich positiv erfüllen. Versuche es zumindest :-)
Auch wenn man das Gefühl hat bzw. weiß, dass man es mit einem Kollektiv von Verirrten zu tun hat, das einen sehr, sehr bedenklichen Weg eingeschlagen hat. Die Leute haben mit der Muttermilch aufgesogen, dass der Staat für Sachen, die ihrem Empfinden widersprechen, der zuständige Ansprechpartner ist. Das kriegst Du da nicht raus und hat auch nix mit einem persönlichen IQ zu tun, wie ich immer wieder erstaunt feststelle.

Danke für den Kommentar!
Ich gehe davon aus, dass ich an meiner Linientreue noch arbeiten kann, wobei, meiner eigenen Linie gegenüber schaffe ich es zunehmend... ;-)
Wäre ich aalglatt durch das Studium durchgegangen und hätte danach direkt einen Job gefunden und nicht für einige Monate eine Erschöpfungspause einlegen müssen, wäre ich heute vielleicht ein systemlinientreues Musterbeispiel. Man hätte mich wohl so hinformen können, hat man aber offenbar nicht gewollt. Das Leben spielt immer wieder anders und wie ich in einigen Teilen lernen musste, mich marktwirtschaftlich zu verhalten und mich nützlich zu machen, so wenig versuche ich vom Staat und irgendwelchen kostenpflichtigen Dienstleistern abhängig zu sein. Es ist tatsächlich oft nicht eine Frage von IQ, sondern von Prägung und persönlicher Situation. Welche Fragen hat man sich schon gestellt, welche nicht, in welchen Bereichen hat man seine Erkenntnisse vertieft usw.

Viele sehen es als grosses Übel an, wenn sie keinen möglichst interessanten Job haben, doch wenn ich in einer Firma Minion spielen soll, werde ich immerhin entschädigt. Andernorts kriegt man für die Kooperation nur 'weniger Ärger', zu wenig, wie ich meine.

Wie immer sehr nüchtern dargestellt.
Mich erinnert das Gesamtbild dessen was derzeit von statten geht, und das nicht nur bei uns, an F.A. Hayeks Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus.
Der Begriff des Konstruktivismus spielte bei Hayeks Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus eine wichtige Rolle. Allen totalitären Auffassungen vom Staat sah er die eine Vorstellung zugrundeliegen, dass die Gesellschaft nach einem utopischen Ideal zu konstruieren sei. Wenn die Menschen dem gesellschaftlichen Ideal der jeweiligen Ideologie nicht entsprechen, müssen sie durch die geeigneten staatlichen Zwangsmaßnahmen dahin gebracht werden, sich ihm anzupassen.
Oder wie ich es sehe, (das hatten wir vor mehr als 7 Jahrzehnten schon) dass die Maßnahmen des Staats sich nicht daran orientieren, die Bevölkerung an das ideal heranzuführen, sondern die Kräfte zu bekämpfen die die Bevölkerung hieran hindern, ihrem ureigenentlichen Ideal zu folgen, was auf das Gleiche herauskommt aber sich besser verkaufen lässt. Das war bei den Bolschewiken, Nationalsozialisten, Maoisten usw. schon die besser Variante.

Danke für den Kommentar und die interessanten Anmerkungen!

Der zweiletzte, ziemlich lange Satz ist aber etwas umständlich geraten und für mich nicht ganz einfach verständlich. Ich schreibe jetzt hin, wie ich es verstanden habe:

Der Staat hat ein Ideal oder Leitbild, wie sich die Bevölkerung verhalten sollte. Er versucht aber nur mangelhaft, dieses positiv umzusetzen, sondern konzentriert sich auf die Bekämpfung jener, die nicht dasselbe Ideal teilen und etwas anderes verwirklicht sehen wollen. Im Ergebnis muss so ein Mittelmass herauskommen.

Fast gelungen. Ich glaube nicht das es um ein Mittelmaß geht, sondern um Gehorsam. Man darf Denken was man will, aber nicht umsetzen was man denkt (auf jedenfall nicht das was dem ideologischen Ideal widerspricht). Löst sich ein Individuum aus dem ideologisch idealisierten Gruppengerüst, muss es bekämpft werden. Die Psychologie der Massen wirkt hier wie ein "aufdrücken eines Stigmata".
Die Kunst besteht darin, nicht zu behaupten was das richtige Ideal ist, sondern das abtrünnige Individuum zu stigmatisieren um es auf den Pfad des ideologisch gelehrten Ideals zu bekehren. Gewalt ist dabei die mächtigste Waffe, bei uns die Staatsgewalt.

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