Politik 050 - Nationalratswahl in Österreich, Analyse

in #deutsch7 years ago (edited)

17. Oktober 2017

Wie bei der Landtagswahl in Niedersachsen dauerte es auch mit meiner Analyse oder Nachlese der Nationalratswahl in Österreich [1] etwas länger. Wobei ich mir ohnehin vorgenommen hatte, das definitive Ergebnis inklusive Briefwahl abzuwarten. In der Vergangenheit, etwa bei der Präsidentschaftswahl 2016 zeigten sich grössere Unterschiede zwischen den Bürgern, die den Gang in die Wahllokale antraten und solchen, die via Briefwahl ihre Stimmen abgaben.

Einen Artikel vor allem über das Verhalten der Bürger zu schreiben, die zur Wahlurne gegangen sind, wollte ich eigentlich nicht. Wenn schon, dann über möglichst alle, da jede Stimme einfach zählt. Ganz vollständig wird das Ergebnis erst am Donnerstag vorliegen. Die Veränderungen bis dahin dürften aber nicht mehr tiefgreifend sein. Die Wahlbeteiligung liegt gegenwärtig bei 79,4 %, was bis zum Ende noch bis auf fast 80 % steigen dürfte. Gegenüber den letzten beiden Nationalratswahlen ergab sich ein Anstieg, im Jahr 2013 beteiligten sich 74,9 % der Wähler, 2008 78,8 % [2]. Zuvor lag die Wahlbeteiligung meist höher.

2017-10 - Wien Parlament.jpg
Das Parlamentsgebäude in Wien [16].

Die übliche Übersichtstabelle, wie immer gebe ich bei der Änderung [%] nicht die Änderung in Prozentpunkten an, was eine einfache Subtraktion ist, sondern die relative, prozentuale Änderung gegenüber dem letzten Ergebnis [1, 3]. Die Parteien FRANK (Team Stronach für Österreich) und BZÖ traten bei der Nationalratswahl 2017 nicht an. Ihr Ergebnis wird deswegen mit einem - und nicht mit 0 bezeichnet. Unter Sonstige sind alle Parteien versammelt, die weniger als 10'000 Wählerstimmen erreicht haben.

Partei2017 [%]2013 [%]Änderung [%]Sitze 2017Sitze 2013Differenz
ÖVP31,524,0+31,46247+15
SPÖ26,926,8+0,252520
FPÖ26,020,5+27,05140+11
NEOS5,35,0+5,8109+1
Pilz4,4--80+8
Grüne3,812,4-69,7024-24
Gilt1,0--000
KPÖ0,81,0-24,4000
FRANK-5,7-100011-11
BZÖ-3,5-100000
Sonstige0,51,0-54,4000
Total100100--1831830

Die Gewinner

Wer der Hauptgewinner der Wahl ist, ist unbestritten. Es ist die Österreichische Volkspartei (ÖVP) [5] mit dem Schnellaufsteiger der vergangenen Jahrzehnte - Sebastian Kurz [6] - an der Spitze. Die Partei konnte ihren Wähleranteil um nahezu einen Drittel auf 31,5 % vergrössern und gewinnt 15 Sitze hinzu. Sie erreicht 62 Mandate. Da Sebastian Kurz seit spätestens Mitte seiner Zwanziger Berufspolitiker ist, dürfte seine Vernetzung nach aussen nicht allzuweit gediehen sein, schon gar nicht ohne die Zustimmung der Partei. Die einzige internationale Organisation, in der Kurz Mitglied ist, ist soweit mir bekannt der European Council on Foreign Relations [17].

Zweiter Sieger ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) [6]. Ihr gelingt eine Steigerung um mehr als ein Viertel, was ihr einen Wähleranteil von gut 26 % und 11 neue Mandate beschert. Sie steht bei 51 Sitzen.

Die zum ersten Mal angetretene Liste Peter Pilz [7] ist eine Abspaltung der Grünen, die im Gegensatz zur Mutterpartei den Einzug in den Nationalrat mit 4,4 % Wähleranteil und 8 Sitzen schafft.

Das Neue Österreich und Liberales Forum (NEOS) [8] ziehen zum zweiten Mal hintereinander in den Nationalrat ein und konnten sich leicht im Wähleranteil und um einen Sitz auf 10 steigern.

Die Verlierer

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs SPÖ [9] bleibt nahezu unverändert bei gut 26,8 % Wähleranteil und verfügt weiterhin über 52 Abgeordnete. Wegen der Verluste der Grünen und der grossen Gewinne der ÖVP verlieren sie aber ihren Status als stärkste Partei im Nationalrat und erste Regierungspartei.

Die Grünen [10] verkraften die Abspaltung der Liste Peter Pilz schlecht und scheitern mit 3,76 % Wähleranteil sogar einigermassen knapp an der Einzugshürde von 4 %. Sie verlieren nahezu 70 % ihres Wähleranteils und alle bisher gehaltenen 24 Sitze.

Die bisher mit 11 Abgeordneten im Nationalrat vertretene Partei Team Stronach [11] trat nicht zur Wahl an und wird zum Jahresende 2017 aufgelöst.

Mögliche Regierungskoalitionen

Die bürgerlichen Parteien ÖVP und FPÖ verfügen im neuen Nationalrat mit 113 von 183 Sitzen (61,7 %) über eine solide Mehrheit. Diese sollte zu konstruktiver Regierungsarbeit im bürgerlichen Sinne genutzt werden können. Die FPÖ ist auch in der Pflicht, ihr sehr gutes Resultat zu rechtfertigen.

Sollten sich die ÖVP und die FPÖ nicht einige werden, sind zwei weitere Koalitionen denkbar. Nämlich die zwischen der SPÖ und der FPÖ, die es so noch nie gab, aber auch diese Koalition verfügte über eine solide Mehrheit mit 103 von 183 Sitzen (56,2 %). Eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ dürfte es eher nicht geben, möglich wäre allerdings auch diese Variante, die 114 von 183 Sitzen (62,3 %) beinhaltet.

In der Zwischenzeit wird sich die SPÖ in der Opposition ein wenig reorganisieren und die Grünen werden alles daran setzen, ihre Rückkehr vorzubereiten, wenn sie das wirtschaftlich und personell einschneidende Ausscheiden aus dem Parlament überleben.


In den internationalen Presseerzeugnissen wurde einiges darüber geschrieben, dass die Einheit zwischen Deutschland und Österreich, wie sie zwischen den Kanzlern Feymann und Merkel bestand, keine Fortsetzung erhalten wird. Die geographische Lage Österreichs bedingt aus meiner Sicht nicht nur die Treue zu Deutschland, sondern auch Dialog, Kooperation und Einverständnis mit seinen anderen Nachbarländern. Österreich sollte also bestrebt sein, als konstruktives Bindeglied zu wirken. Von der Schweiz und Liechtenstein abgesehen, sind alle Nachbarländer Österreichs EU-Mitglieder.

Von den Einschätzungen, die ich gelesen habe, möchte ich vier Artikel empfehlen, einen auf Steemit erschienenen, von @timmklewer [12], einen aus der Schweiz, von der Basler Zeitung [13] und zwei aus Deutschland, die bei Cicero [14] und Tichy's Einblick [15] erschienen sind.


Ziemlich aufsehenerregend an der österreichischen Politik finde ich die geringe Anzahl Konstanten oder anders gesagt, die hohe Volatilität der Wähleranteile vieler Parteien. Einigermassen konstant über die vergangenen 3 Jahrzehnte waren lediglich die ÖVP und SPÖ, die aber gemessen an früheren Ergebnissen auch etwas verloren. Zuvor dominierten diese beiden grossen Parteien. Die ÖVP [4] - mit etwa 600'000 Mitgliedern noch immer die grösste Partei, und die SPÖ [9], welche etwa 180'000 Mitglieder aufweist. Für die hohe Mitgliederzahl der ÖVP (ähnlich wie CDU/CSU in Deutschland) ist deren Gliederung verantwortlich. In ihr existieren nämlich 6 weitgehend autonome Teilorganisationen. Die Beweglichkeit lässt sich gut in folgender Graphik erkennen. Allerdings habe ich nur zwischenzeitlich aktive Parteien wie die FPÖ-Abspaltung BZÖ oder die vergangenen Sonntag erstmals angetretene Grünen-Abspaltung Pilz darin nicht berücksichtigt.

2017-10 - Nationalratswahl Österreich.jpg

Die der Tabelle zugrunde liegenden Daten, jeweils der Wikipedia-Seite der entsprechenden Nationalratswahl entnommen.

JahrÖVPSPÖFPÖGrüneNEOS/LIF
198641,2943,119,734,820
199032,0742,7816,644,780
199427,6734,9222,507,315,96
199528,2938,0621,894,815,51
199926,9133,1526,917,403,65
200242,3036,5110,019,470,98
200634,3335,3411,0311,040
200825,9829,2617,5410,432,09
201323,9926,8220,5112,424,96
201731,5226,8626,043,765,25

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalratswahl_in_%C3%96sterreich_2017
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalratswahl_in_%C3%96sterreich_2013
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalratswahl_in_%C3%96sterreich_2008
[3] http://orf.at/wahl/nr17/#ergebnisse/0
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichische_Volkspartei
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Kurz
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitliche_Partei_%C3%96sterreichs
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_Peter_Pilz
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/NEOS_%E2%80%93_Das_Neue_%C3%96sterreich_und_Liberales_Forum
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdemokratische_Partei_%C3%96sterreichs
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Die Grünen - Die Grüne Alternative
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Team_Stronach
[12] Die Wahl in Österreich im Überblick. @timmklewer, 16. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@timmklewer/die-wahl-in-oesterreich-im-ueberblick
[13] Das Erfolgsrezept des Sebastian Kurz. Bazonline.ch, 17. Oktober 2017, von Dominik Feusi https://bazonline.ch/ausland/europa/das-erfolgsrezept-des-sebastian-kurz/story/23331250
[14] Wahl in Österreich - Die türkis-blaue Herbstkollektion. Cicero.de, 16. Oktober, von Bastian Brauns http://cicero.de/aussenpolitik/wahl-in-oesterreich-die-tuerkis-blaue-herbstkollektion
[15] Die Bewährungsprobe beginnt jetzt - Sebastian Kurz vor schweren Wochen oder Monaten. Tichy's Einblick, 16. Oktober 2017 https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/goergens-feder/sebastian-kurz-vor-schweren-wochen-oder-monaten/
[16] © Thomas Wolf, www.foto-tw.de, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE, gefunden wurde die Datei unter https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentsgeb%C3%A4ude_(Wien)
[17] http://www.ecfr.eu/council/members


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Ich bin sehr detailliert Ihren Beitrag lesen. in der Tat die politischen Wendungen in jedem Land, sind sehr einflussreich für die Macht, die es regiert. aber in Europa sind fast 99% des Landes, die immer noch alle Regeln und Richtlinien einhalten, fair. weil das Niveau der Zivilisation in Bezug auf die Anerkennung der Identität einer Nation, sehr diszipliniert. was von einer starken Gewerkschaft unterstützt wird. aber Sie schauen auf den Kontinent Südostasien, Afrika und andere. wirklich sehr verwüstet. Sie sind nicht frei. sie sind immer noch in jajah. sozusagen die Resolution der Vereinten Nationen von 1945. Was auch immer, die Kolonisierung auf dem Erdboden musste abgeschafft werden. der Beweis für Indonesien. alle Inseln, die von verschiedenen Nationen bewohnt werden, leben alle im Elend. Ich mag dich mein Freund, ich folge dir immer. danke. durch, @boyasyie.

Thank you for the comment!
Despite I am writing in German here, I am able to answer in English.
The problem of Colonialism was 1st its nature of conquest and exploitation, 2nd it could not be removed in a controlled and positive way, because the European Empires went to war two times in the 20th century.

I am very much in favor of more liberty and validity of natural rights for all people and all individual human beings in this world. As far as I know the countries in Southeast Asia are in a very different situation compared to Europe. In Europe there are still lots of wealth from past generations, we partly live on this substance and we do lots of administration. But it is dangerous to spend savings, eventually nothing will be left except a lot of debt. An additional fact is that Europe does not have many young people, the situation is similar in South Korea or Japan.

In many other countries there is no savings from older generations. The infrastructure could be improved a lot, many more businesses which satisfy local needs could be established. This process will take time and I am not able to estimate how long it will take. But there is a lot of knowledge an technology available which was not there back when Europe's countries became empires, so my hope is, that all countries who educate their people in freedom and respect for each other, will improve much faster. And I hope as well, that they will be wise enough not to go to war.

Best regards to Aceh!

thanks my friend, you have responded to my comment. in the political situation in Indonesia (Java) is the result of Dutch colonial connection. because in history aceh fought with the Dutch was very long. and we are in the movement of the deceased Hasan in tiro who has been in his struggle, as if it has been exhausted, which is caused by his current betrayal by his followers. when he made such a dramatic movement, by taking the example that has been done by the swiss hero wilhem teel. maybe in the future, we can discuss the history of the world at length. I write and read, using a translite machine. so please understand. thank you my friend.

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