Natur und Klima 005 - Wärmeleitung Atmosphäre - Erdoberfläche - Kathleen Hartnett White

in #deutsch6 years ago (edited)

15. November 2017

Vergangene Woche ist beim deutschen Magazin Stern [1] ein Artikel in teilweise spöttischer Ausdrucksweise erschienen. Es ging darin um Kathleen Hartnett White [2], die von US-Präsident Donald Trump für das Amt des Senior Advisor des Weissen Hauses in Umweltfragen nominiert wurde. Darüber hinaus auch für die Leitung des Council on Environmental Quality (CEQ). Gemäss ihrer Biographie hat Frau Hartnett White ein Studium der Ostasiatischen Studien und Religionswissenschaft absolviert. Sie ist seit Jahrzehnten in Texas in einem konservativen Think Tank und der Umweltpolitik tätig.

Dazu fand eine Anhörung vor dem Kongress statt, bei der die Nominierte keine gute Figur abgab. Es fehlte ihr, vom fachlichen Wissen abgesehen, offensichtlich an der nötigen Ruhe, sich auf die Fragen einzulassen, um sicher wirkende Antworten geben zu können. Ihre Körpersprache oder ihr Gesichtsausdruck vermittelt wenig Sicherheit. Diese Anhörungen vor Abgeordneten des Kongress sind allgemein berüchtigt. Die Kandidaten werden darin absolut nicht geschont. Die Fragesteller werden von Sachverständigen vorbereitet. Die Möglichkeiten, Fragen zu stellen sind bekanntlich endlos, als Kandidat geht es also darum, einerseits durch Kompetenz aufzufallen oder, wenn man eine Sache nicht weiss, eine rasche, geistige Auffassungsgabe zu zeigen und die Fähigkeit vernetzt zu denken, um sich geeignet zu zeigen. Als ich noch im Studium war, bin ich selber wiederholt an mündlichen Prüfungen gescheitert, weil es mir ganz entscheiden an natürlichem Talent zur positiven Selbstvermarktung mangelte. Dafür habe ich mir erst später wirklich Zeit genommen habe. Im Alter dieser Dame sollte man das hinter sich haben, gerade wenn man sich für Führungspositionen empfehlen will.

Die Szene aus der Anhörung, die medial verbreitet wurde, war ein Ausschnitt, in dem Kathleen Hartnett White von Senator Sheldon Whitehouse [3] befragt wird. Dieser ist Rechtsanwalt und gehört der Demokratischen Partei an, im Senat vertritt er den Bundesstaat Rhode Island. Er engagiert sich unter anderem in der Umweltpolitik und in Fragen des Klimawandels. Senator Whitehouse fragte die Kathleen Hartnett White, ob und wie sie in Kontakt mit forschenden Universitäten stehe, ob sie Konferenzen besuche und dann stellter er die folgende Frage, bei den ... versucht die Nominierte zu antworten.

Das Video, die Szene befindet sich bei 20:30-22:26 [13]:

«How much of the excess heat that has been captured by greenhouse gases emissions has been absorbed by the oceans? Roughly, say to the nearest 10 %... Do you know if it is more or less than 50 %? ... Really? Do you think, that there is actual serious difference of opinion whether it is below 50 %?»

«Welcher Anteil der zusätzlichen Wärme, die durch die (durch menschliche Aktivitäten, Anm.) emittierten Treibhausgase aufgenommen wird, wird von den Ozeanen absorbiert? Ungefähr, sagen wir auf 10 % genau... Wissen Sie, ob es mehr oder weniger als 50 % sind? ... Wirklich? Glauben Sie, dass es aktuell ernsthafte Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, ob dieser Anteil unter 50 % liegt?»

Frau Hartnett White macht den Fehler, dass sie die Frage gar nicht beantworten will, die Frage noch einmal hören möchte, wieder nicht wirklich antwortet und dann noch den folgenden Satz sagt:

«I believe there are different opinions on that, that there is no right answer.»

«Ich glaube, dass es verschiedene Ansichten darüber gibt. Dass es daher keine richtige Antwort gibt.»

Insgesamt glaube ich allzusehr zu merken, dass diese Frau keine Naturwisschenschafterin oder Ingenieurin ist. Wäre sie das, hätte sie bestimmt einige Überlegungen durchgeführt oder eine Schätzung versucht. Sie lässt sich darüber hinaus noch weiter vorführen und tappt in die aufgestellte Falle von Senator Whitehouse, indem sie bejaht, dass es weniger als 50 % sein sollen, obwohl sie zuvor klar gesagt hat, keine Daten zu haben. Für die Position hat sie sich nicht wirklich empfehlen können.


Es geht hier um einen physikalischen Vorgang in zwei Teilen.

  1. emittierte Gase, die als sogenannte Treibhausgase [4] gelten, absorbieren Wärmestrahlung (elektromagnetische Strahlung im Infrarot-Bereich). Dadurch wird in der Atmosphäre im Vergleich zu den hauptsächlichen Bestandteilen Stickstoff (78 %), Sauerstoff (21 %) und Argon (1 %) zusätzliche Wärme gebunden, das wichtigste Gas für diesen Effekt ist Wasserdampf.

  2. die zusätzlich in der Atmosphäre aufgenommene Wärme kann via Emission oder via Wärmeleitung an die Umgebung abgeleitet werden. Wenn ich Senator Whitehouse richtig verstanden habe, geht es ihm um die Wärmeleitung via die die zusätzlich in der Atmosphäre aufgenommene Wärmeenergie an die Erdoberfläche abgeführt wird. Je nach Beschaffenheit der Erdoberfläche funktioniert das nicht in gleich grossem Masse, denn jeder Stoff verfügt über eine spezifische Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit. Beide Grössen sind temperaturabhängig.

Die genannte Wärmeleitung kann man sicherlich abschätzen, wenn man einen Wert für die zusätzlich aufgenommene Wärmeenergie ermittelt hat und über entsprechende Kenntnisse des Wärmetransports und des Wärmeübergangs besitzt. Ganz sicher ist, dass es ein richtiges Resultat gibt, die Frage ist, wie sehr sich der Mensch mit seinen Berechnungen diesem Resultat angenähert hat.

Ich halte die Frage für bei weitem nicht so einfach zu beantworten, wie im Artikel beim Stern [1] suggeriert. Dort steht einfach eine Zahl, die unter Fachleuten unstrittig sei, nämlich

95 %.

Wie man darauf kommt, steht nicht. Allerdings verweist man auf einen Artikel, der Anfang 2016 beim Deutschlandfunk erschienen ist [5]. Abgesehen, dass ich den Artikel mühsam zu lesen fand, wird dort immerhin auf eine Studie verwiesen, die unmittelbar zuvor bei der wissenschaftlichen Publikation Nature Climate Change erschienen ist [6]. Mühsam an dem Artikel war vor allem die teilsweise seltsame Verwendung von Begriffen. So wurde anfangs behauptet, die Wärmeaufnahmekapazität der Ozeane habe über die letzten Dekaden stark zugenommen. Dabei handelt es sich damals wie heute um Ozeanwasser, dessen Wärmekapazität bei fast gleichgebliebener Temperatur garantiert kaum verändert hat. Oder es wird behauptet, Ozeane seien riesige Kühlsysteme. Tatsächlich sind es Ausgleichssysteme, denn der Wärmetransport läuft in beide Richtungen ab, stets von warm nach kalt.

Bei der New York Times ist ein halbes Jahr später ein Artikel erschienen [7], der das Thema auch behandelt und in dem einige schöne Darstellungen enthalten sind. Als Grundlage für die Berechnungen dienten die Daten von Treibbojen des Programms ARGO [8], die Temperaturdaten aus den Ozeanen bis 2'000 Metern sammeln. Alles weitere wurde offenbar mit Modellrechnungen durchgeführt. Über die Zuverlässigkeit der verwendeten Modelle kann ich nichts sagen. Bedenkenswert ist mit Sicherheit, dass nahezu alle gemessenen Daten aus den letzten Jahrzehnten stammen, älteres Material gibt es nicht.


Vielleicht offenbare ich mir hier auch als ein wissensloser Ignorant, aber ich möchte meinen Lesern meine Überlegungen nicht vorenthalten, die ich zum Thema angestellt habe. Bevor ich den Artikel bei der New York Times und das Abstract der Studie gelesen habe, habe ich mich dem Thema in einer naiven Vorgehensweise zu nähern versucht.

Dass die Erde ca. 70/30 % mit Wasser und Land bedeckt ist, ist noch einfach in Erfahrung zu bringen oder mit gut ausgebildeter Induition zu schätzen [9]. Dass der Wärmeaustausch mit einer Flüssigkeit besser geht als mit einer festen Substanz und deswegen tiefer wirkt, ist auch nicht schwierig. In der Flüssigkeit können sich die Teilchen einfacher bewegen und es gibt auch Umwälzung im Makromassstab. Dass Wasser gut Wärme speichern kann, ist auch klar, nicht zuletzt wegen seiner hohen Wärmekapazität (4,2 kJ/(kg K)) [10] und eher geringen Wärmeleitfähigkeit [11] (0,556 W/(m K), ähnlich wie Sand, geringer als Steingut, viel geringer als Metalle).

Bis sich ein ganzer Ozean um 1 °C erwärmt, ist eine gigantische Menge an Energie nötig. Das Volumen der Ozeane wird grob auf etwa 1,33 ∙ 109 km3 geschätzt [11]. Das entspricht 1,33 ∙ 1018 m3 und bei Dichte 1'000 kg/m3 der Masse von etwa 1,33 ∙ 1021kg. Um das ganze Volumen um 1 °C zu erwärmen, werden also etwa 5,6 ∙ 1024 J benötigt. Dies geschieht aber auf diese Weise, gerade die Gebiete der Tiefsee werden noch träger reagieren, als es die oberflächennahen Teile tun. Die Bezeichnungen der Grössenordnungen 1021 und 1024 lauten zetta beziehungsweise yotta. Die 5,6 ∙ 1024 J entsprechen der Verbrennungswärme von etwa 1,23 ∙ 1017 kg Benzin (ca. 42 MJ/(kg)). Aus einem Diagramm unter [7] kann man entnehmen, dass gegenwärtig jährlich etwa 270 Zettajoules (2,7 ∙ 1023 J) von den Ozeanen absorbiert werden. Bei einer Gewässeroberfläche von 360,6 Mio. km2 entspricht die jährliche Wärmeaufnahme von 270 Zettajoules (2,7 ∙ 1023 J) durch Gewässer etwa 750 TJ/km2 und Jahr. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Leistungsaufnahme von 23,0 MW//km2 oder 23,0 W/m2, da ein Jahr aus 31,56 Mio. Sekunden besteht. Wie dieses Resultat zu bewerten ist, kann ich leider nicht sagen. Ich übernehme auch keine Gewähr dafür, dass die von mir angestellte Überschlagsrechnung richtig ist. Korrekturen nehme ich gerne an.

Was nicht vergessen werden sollte, sind die Tatsachen, dass sich bei Temperaturerhöhung Wasser ausdehnt und seine Fähigkeit, Gase aufzunehmen abnimmt. Je höher die Temperatur, umso weniger Gase wie Sauerstoff und Kohlendioxid sind in den Gewässern gelöst. Dazu ist auch ein Teil der Gewässer vereist, Eis verhält sich eher wie ein festes Material, unterscheidet sich also beträchtlich von flüssigem Wasser.

Ansonsten sind Landoberflächen bis auf Ödland und Siedlungen wesentlich komplizierter als Gewässer und auch flächenmässig gross. Wälder, Wiesen, Felder usw. ragen allesamt aus dem Boden heraus und können auch absorbieren. Allerdings dürfte eine dauerhafte Wärmespeicherung da eher nicht stattfinden, auch im Erdboden nicht, im Gegensatz zu den Ozeanen.

Spontan hätte ich vielleicht 80-85 % geschätzt. Sicher nicht auf weniger als 50 %, Aber auch keine 95 %.


[1] Kathleen Hartnett-White - Donald Trumps Klimabeauftragte blamiert sich durch völliges Unwissen. Stern.de, 09. November 2017 https://www.stern.de/politik/ausland/donald-trump--seine-klima-beraterin-blamiert-sich-bei-anhoerung-bis-auf-die-knochen-7692740.html
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Kathleen_Hartnett_White
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Sheldon_Whitehouse
https://de.wikipedia.org/wiki/Sheldon_Whitehouse
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Treibhausgas
[5] Wärmespeicher Ozean - Weltmeere bunkern mehr Wärme als angenommen. Deutschlandfunk, 19. Januar 2016 http://www.deutschlandfunk.de/waermespeicher-ozean-weltmeere-bunkern-mehr-waerme-als.676.de.html?dram:article_id=343067
[6] Industrial-era global ocean heat uptake doubles in recent decades. Nature Climate Change, 6, 394-398 (2016), Peter J. Gleckler, Paul J. Durack, Ronald J. Stouffer, Gregory C. Johnson & Chris E. Forest https://www.nature.com/articles/nclimate2915
[7] Oceans Are Absorbing Almost All of the Globe’s Excess Heat. NY Times, 12. September 2016, von Tim Wallace https://www.nytimes.com/interactive/2016/09/12/science/earth/ocean-warming-climate-change.html
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Treibboje
[9] Geographie 005 - Einige Daten zur Oberfläche des Planeten Erde. @saamychristen, 16. August 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/geographie-005-einige-daten-zur-oberflaeche-des-planeten-erde
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Spezifische_W%C3%A4rmekapazit%C3%A4t
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmeleitf%C3%A4higkeit
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Ozean
[13] "YOU'RE NOT A SCIENTIST, ARE YOU??!!" Senators DESTROY Trump Nominees on Their Climate Change Denial. Dose of Dissonance, 14. November 2017


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Ich werde mal bei Donald Trump anrufen und dich für die vakante Stelle vorschlagen, denn du stellst mit diesem Artikel die Fachkompentenz unter Beweis, die für derartige Jobs erforderlich wäre. Leider werden politische Ämter aufgrund von Parteikarrieren besetzt.

Danke für den Kommentar und das Lob!
Bezüglich der Umweltpolitik bin ich eigentlich nicht gerade ein Schwergewicht. Aber es hat sich angeboten, einen Artikel dazu schreiben, darin (hoffentlich richtig) etwas herumzurechnen und nebenbei noch ein Paar Journalisten zu kritisieren.

Zu behaupten, der Sachverhalt sei ganz einfach, trifft die Sache wohl nicht ganz. Auch nicht die Behauptung, es gäbe keinerlei Diskussion darüber. Denn, die Publikation vor bald 2 Jahren war wohl die erste, in der grosse Mengen an Messwerten verarbeitet wurden, um diese Frage zu beantworten.

Um für die Trump-Administration arbeiten zu können, sollte man wohl Amerikaner sein oder sonst über einen halbwegs guten Record verfügen. Ich hätte mich eigentlich in Berlin bewerben können, da werden gegenwärtig auch einige Leute gesucht.

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