Handel 002 - Wie Zentralbank- und Papiergeld-Traditionalisten auf Kryptowährungen blicken

in #deutsch7 years ago (edited)

15. August 2017

Nie würde ich bestreiten, dass in den Preisen, die Bitcoin über die Jahre ihrer Existenz ein beträchtlicher Anteil Spekulation enthalten war, sowohl positiv, als auch negativ. Da keiner dazu gezwungen wird, Bitcoins zu kaufen, ist das Produkt rein vom Vertrauen der Anwender abhängig. Da die Preise massiv gestiegen sind, muss sich aktuell auch das Vertrauen auf einem beachtlichen Niveau befinden.

2017-08 - Bitcoin Logo.jpg
Das Logo von Bitcoin [7].


Gestern ist beim Schweizer Wirtschaftsmagazin Cash eine Kolumne zum Thema Kryptowährungen erschienen [1]. Geschrieben von einem Werner Vontobel, einem schon etwas älteren Makroökonomen, der seit 40 Jahren im Wirtschaftsjournalismus tätig ist. Was in dieser Kolumne geschrieben steht, ist für mich die typische Sicht eines Dinosauriers und Verteidigers des Status Quo des staatlichen Zwangspapier(falsch)geldes, der Zentralbanken und der sehr eng an die Staaten angebundenen Geschäftsbanken. Ein System, das seit dem Beginn seiner Existenz nicht unumstritten ist und das seit langem und mindestens 10 Jahren für jeden merkbar über seine Grenzen und Regeln hinaus operiert. Das schreit geradezu nach Konkurrenz im freien Markt, die dann garantiert nicht von Anfang an perfekt ist. Nie vergessen sollte man, dass die menschliche Kulturgeschichte bisher kein einziges, lange bestehendes, ungedecktes Fiatwährungssystem hervorgebracht hat. Mit lange bestehend meine ich 3-5 Jahrhunderte. Das britische Pfund, welches seit 1694 mit einer Zentralbank operiert [2], gilt nicht als Beispiel, da es über weite Teile seiner Existenz partiell wertgedeckt war.

Der Kolumnist schreckt nicht einmal davor zurück, die private Währung Bitcoin, die keinem aufgezwungen werden kann, sei ein übles Schneeballsystem. Dazu die Beteiligten Spekulanten und Gauner. Dass auch solche dabei sind, möchte ich nicht in Abrede stellen. Gerade die Gauner waren es, die in Sachen Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit dem Staat und auch etablierten Industrien in der jüngeren Vergangenheit insbesondere im Internet oft zuvorgekommen sind.

Wenn der Autor der verlinkten Kolumne das blockchainbasierte Kryptowährungssystem Bitcoin als Schneeballsystem bezeichnen will, was sind denn im Vergleich dazu einige Systeme des Staates (oder von diesem verpflichtend eingeführte) wie etwa die berufliche Vorsorge?

Die Kommentare unterhalb sind fast alle lesenwerter als die Kolumne selbst. Aber auch die Kolumne [1] ist nicht die erste ihrer Art. Beim Focus ist im Juni eine mit ähnlichem Inhalt erschienen [3], in der versucht wurde, Bitcoins mit der niederländischen Tulpenmanie zu vergleichen [4]. Ich kann diesem Vergleich nicht besonders viel abgewinnen. Auch dem Scheinargument, dass Bitcoin-Systeme wie Tulpenzwiebeln, Bitcoins selber sind limitiert, beliebig vervielfältigt werden können. Dies macht keinen Sinn, da jeder Bitcoin-Klon wiederum am Markt etabliert werden müsste und nicht direkt über die Reputation des Originals verfügt. Vor allem ist das deswegen wichtig, weil Bitcoin einige Schwächen aufweist, die man dem Original offensichtlich durchgehen lässt, die sich ein Klon aufgrund des fortgeschrittenen Standes der Technik nicht erlauben könnte.

Wenn ein Produkt Spekulanten und Glücksritter anzieht, was Bitcoin zweifelsohne tut, ist es wichtig, dass das Menetekel der Preiskorrektur nach unten nicht nur an der Wand steht, sondern immer wieder auch in der Realität stattfindet.

Zu meinen Aktivitäten mit Bitcoin kann ich sagen, dass das System funktioniert. Steemit User @besold hat vor gut drei Wochen einen guten Artikel darüber veröffentlicht, wie man Bitcoin schon heute im Alltag nutzen kann [5]. Ich selber arbeite mit einem Konto bei Coinbase, benutze das System somit also nicht anonym. Das habe ich auch bereits in einem Artikel dargelegt [6].


Die Zukunft von Bitcoin ist für mich nicht ganz klar. Da es dank der von vornherein festgelegten maximalen Anzahl Bitcoin keine Möglichkeit gibt, den Wert von Bitcoins zu verdünnen, ist bei weiterhin bestehender Nachfrage ein weiterer Preisanstieg zu erwarten. Das Bitcoin System ist also eines, das von Anfang an auf Deflation und damit Belohnung der Pioniere setzt.

Am meisten Befürchtungen habe ich aktuell nicht vor einer Selbstzersetzung des Marktes für Kryptowährungen. Vor allem deswegen nicht, weil sich damit die ganze Welt noch einmal ein Stück näher gekommen ist. Vielmehr befürchte ich, dass es staatliche Massnahmen und Regelungen geben wird, mit denen Staaten versuchen werden, Kryptowährungen in Verruf zu bringen. Dazu kann auch gehören, deren Kauf, Besitz und Handel für illegal zu erklären.


[1] Kryptowährungen: Bitcoin - das Ende ist nah. Cash.ch, Kolumne, 14 August 2017, von Werner Vontobel https://www.cash.ch/news/politik/kryptowaehrungen-bitcoin-das-ende-ist-nah-1092681
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Bank_of_England
[3] Parallelen zur Tulpenmanie - Warum der Bitcoin-Hype schnell zu Ende sein kann. Focus.de, 12. Juni 2017, von Manfred Hübner http://www.focus.de/finanzen/experten/parallele-zur-mutter-aller-spekulationsblasen-vieles-erinnert-an-die-tulpenmanie-warum-der-bitcoin-hype-schnell-zu-ende-sein-kann_id_7232680.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Tulpenmanie
[5] Bezahlen mit BitCoin im Alltag. @besold, 22. Juli 2017 https://steemit.com/deutsch/@besold/bezahlen-mit-bitcoin-im-alltag
[6] Handel 001 - Eigene Erfahrungen im Handel mit Kryptogeld und Steem. @saamychristen, 29. Juni 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/handel-001-eigene-erfahrungen-im-handel-mit-kryptogeld-und-steem
[7] Diese Datei wird unter der Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“ zur Verfügung gestellt. Gefunden unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin

Sort:  

Hier mal ne ganz nette Aufbereitung der Tulpenmanie:

https://mises.org/library/truth-about-tulipmania

tl:dr die Tulpenmanie wird zu Unrecht als Paradebeispiel von freier-Markt-Exzessen verwendet. Eigentlich ist es die Geschichte von Interventionen ... nun ja.

Ich möchte aber auf die Fiatgeld-Systeme zu sprechen kommen. Für meinen Geschmack ist es irgendwo beeindruckend wie lange die in der Tat jeweils durchhalten. Die Analysen (der Österreichischen Schule), die deren Instabilität und letztlich Zusammenbruch vorhersagen, sind ja nicht dumm und liegen nicht daneben ... aber wir schweben jetzt seit bald 50 Jahren seit dem Ende von Bretton-Woods im luftleeren Raum.

Und selbst 2009 scheint auf gewisse Weise verwunden zu sein. Meine Erwartung wäre: das System müsste jeden Moment kollabieren. Da ich das nun aber seit rund 5 Jahren denke, die offene Wunde aber nicht sehe, muss man vielleicht mal umgekehrt fragen: Wieso funktioniert das schon so lange?

Das ganze wird noch dardurch erschwert, dass die offiziellen Begründungen und Lobpreisungen des Systems auf absurden Annahmen beruhen und es einen Glauben an die vernünftige Politik der Zentralbanken gibt, wo die Experten mit Gespür den Leitzins fine-tunen. Krugman & Co liefern gar keine hilfreichen Argumente, liegen aber in der Sache richtig.

Danke für den schönen Kommentar!

Mit der Tulpenmanie habe ich mich noch nicht näher beschäftigt, ich werde das wohl mal nachholen.

Aktuell wird das Fortbestehen des Systems gerne als "Widerlegung" der Crashpropheten propagiert. Tatsächlich wäre es unter Einhaltung aller Regeln ziemlich sicher zu einem Crash gekommen. Den hat es deswegen nicht gegeben, weil man teilweise Regeln umgangen hat (oder gebrochen, je nach Einschätzung) und man tatsächlich dauernd am System herumschraubt.

Hm ... aber ist das nicht ein Argument für das System - eben für das weitergefasste politische System, dass erst ein Geldsystem kreiert und dann sogar korrigierend im Sinne der Stabilität eingreift? Intelligente Regelverstöße durch die Politik, das fände ich sogar noch erstaunlicher.

Na gut, als wahnsinnig intelligent und originell würde ich die Vorgehensweise, mit der das System bisher gerettet wurde, auch nicht bezeichnen. Interessant ist höchstens, dass es die Verantwortlichen wohl erfolgreich geschafft haben, die Bevölkerung und die meisten Funktionsträger so zu manipulieren, dass sie alles mit sich machen lassen.

An der Zinsschraube wurde gedreht bis zum geht-nicht-mehr, ohne Bargeldabschaffung ist da nichts mehr zu holen.

Bail-Outs für Banken wurden durchgeführt.

Die Geldmenge wird pausenlos durch Herausgabe neuer Schuldscheine ausgeweitet. Durch wohlwollende Einschätzungen von Rating-Agenturen gingen die Zinsen trotzdem nicht durch die Decke und es gab keine Hyperinflation wie etwa in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg oder in neuerer Zeit in Simbabwe und Venezuela.

Nicht bleibt ohne Wirkung. Die Rettungspolitik führt u.a. zur Asset-Preis-Inflation, d.h. ständig steigende Immobilienpreise und Mieten. Da hilft dann auch die Mietpreisbremse nichts. Je länger dieses unhaltbare Geldsystem am Leben gehalten wird, desto größer wird am Ende der Crash. Man sollte daher rechtzeitig in Deckung gehen. Aber so wie es aussieht, haben wir tatsächlich noch ein paar Jahre Zeit.

Wieder ein sehr lesenswerter Artikel von Dir @saamychristen .
Schön den Finger in die offen klaffende Wunde gelegt. ;-)

Der Vontobel ist ein Oberquatschkopf. Eine lächerliche Figur. Peter Schiff hat sich aber gerade auch nicht viel intelligenter über Bitcoin geäußert:

Danke für den Kommentar!
Vontobel ist einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Ich glaube, mich einmal mehr ziemlich diplomatisch ausgedrückt, das gehört zu meinem Stil. Wenn man über viel mehr Erfahrung in Sachen Wirtschaften und Handel verfügt, kann man angesichts solcher Thesen aus - naja - Expertenhand, vielleicht gar nicht mehr anders, als sich etwas deutlicher aus.

Ich erinnere mich noch, als ich noch im Studium war, habe ich zum Zwecke der Unterhaltung immer wieder das Gratis-Käseblatt Blick am Abend angeschaut. Dort hat Vontobel in unregelmässigen Abständen kolumniert. Vielleicht habe ich von ihm damals ein paar SJW-Allüren bekommen. Zum Glück ist das schon lange her.

Peter Schiff hätte ich spontan auch nicht für einen Bitcoin-Fan gehalten. Er geht bei seinen Investments ziemlich konservativ vor und steht auf Produkte mit möglichst inhärenter Werthaltigkeit. Allerdings kenne ich ihn nicht wirklich gut, nur aus einigen Schiff Radio Episoden und aus Gesprächen mit Alex Jones.

Dass Schiff verkündet, dass die Menschen Bitcoin sicher nicht als Währung und zum Tausch nutzen werden, sondern nur als spekulatives Asset, hat mich eher überrascht. Denn, wenn die Services und die Verbreitung von Kryptowährungen grösser wird, wird automatisch der Markt weiter wachsen, inklusive der Möglichkeit, dass Bitcoin seinen Status als Platzhirsch verliert. Wenn Mr. Schiff das Kryptozeugs ablehnen will, soll er es tun. Immerhin haben er und Max Keiser es sich in dieser Episode des Keiser Report richtig gegeben.

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