Einen Nachmittag zu Fuß in Tokyo 👟🕶Teil 2: Auf den Spuren der Tōkaidō durch Shinagawa 😎🎬Japan in Bildern Vol. 18 - ein Fotoblog über ein faszinierendes Land

in #deutsch6 years ago (edited)

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Für alle, die den Prolog verpasst haben sollten, gibt es hier noch mal Gelegenheit, sich zu informieren, wie ich an diesem herrlichen Vormittag meinen Weg zum Bahnhof Shinagawa gefunden hatte.


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Da wären wir jetzt also, am Bahnhof Shinagawa und mein Freund und Landsmann ist im Anmarsch. Aufgrund seiner Größe ist er hier auch überhaupt nicht zu übersehen, was des öfteren schon mal ziemlich hilfreich war.

Heute Mittag war dann erst einmal ein leichter Lunch angesagt, zu dem sich seine Frau und der noch sehr kurzbeinige zweiköpfige Nachwuchs gesellten. Schön war es, zwar kurz aber intensiv und herzlich.

Mein Bekannter arbeitet ja, wie bereits erwähnt, ganz in der Nähe des Bahnhofes, in der sich eine stattliche Anzahl von Bürotürmen angesammelt hat, was dazu führt, dass diese Gegend am Tag über mit Firmenmitarbeitern nur so gefüllt ist. Nachdem ich ihn bis zu seinem Türmchen begleitet und wir uns verabschiedet hatten, war ich von nun an auf mich allein gestellt.

Aber mein Ziel für diesen Tag war klar: Neuland erkunden. Und der Bezirk Shinagawa, welcher sich südlich an den gleichnamigen Bahnhof anschließt, hat diesbezüglich eine Menge für mich zu bieten. Es müssen ja nicht immer die überlaufenen Touristen-Hotspots sein, mir reicht es oft schon aus, ein wenig von der ursprünglichen ehrlichen Atmosphäre von Tokyo zu inhalieren. Natürlich hat sich auch im Bezirk Shinagawa eine Menge verändert, aber die Menschen hier versuchen doch etwas Ursprünglichkeit zu erhalten.

In der Edo-Zeit war Shinagawa die erste Poststation auf der Tōkaidō-Straße Richtung der alten Hauptstadt Kyoto, und hat sich in dieser Zeit bereits in eine wichtige Stadt vor den Toren Tokyos verwandelt, diesen Status hat der Bezirk nach Eingemeindung dann als bedeutender Verkehrsknotenpunkt auch erhalten können. In der Gegend um den Bahnhof Shinagawa dominieren noch die Bürohochhäuser, aber dieser Eindruck sollte sich bald ändern.

Ich wollte ein wenig vom alten Shinagawa erkunden und habe mich deshalb auf den, grob geplanten, Weg nach Süden begeben. Die Hauptstraße, der ich zuerst gefolgt bin, war dann doch nicht ganz so charmant und ich bin dann einfach mal kurz entschlossen, zwischen zwei Häusern noch Richtung Osten eingebogen.

Diese Entscheidung sollte sich als absolut richtig herausstellen, denn hinter diesen Gebäuden angekommen stand ich plötzlich am Wasser. Genauer genommen an einem der Kanäle, die den Ostteil des Bezirkes durchziehen, an den sich dann die Bucht von Tokyo anschließt. Ein Großteil dieses Gegend wurde im Laufe der Zeit dem Meer abgerungen, so dass ich mich hier in der Nähe des früheren Küstenstreifens befand.

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Auf dem zweiten Foto kann man in der rechten Bildhälfte auch einige der Hausboote sehen, die hier dauerhaft vor Anker liegen, und der auch so schon einladenen Szenerie einen noch freundlicheren Charakter verliehen.

Da ich schon einmal hier war, hat mich mein Spaziergang nun natürlich erst einmal am Wasser lang geführt. Definitiv eine netter Wohngegend, wenn man denn grundsätzlich mit dem Leben in einer großen Stadt etwas anfangen kann. Und da ich nun einmal so ein Typ bin, hätte ich überhaupt nicht dagegen einzuwänden, hier eine längere Zeit zu verbringen.

Leider waren meine Minuten hier bereits bei Ankunft gezählt, aber da heute der Weg das Ziel war, viel es mir nicht schwer jeden Moment voll auszukosten und mich dabei bereits auf den nächsten zu freuen.

An der Wasserkreuzung vorbei ging es noch ein bisschen den Kanal lang und von einer der Brücken konnte ich einen guten Blick auf die dort vor Anker liegenden Yakatabune 屋形船 Boote werfen, die seit Edo-Zeiten für Partys und Vergnügungen auf dem Wasser genutzt werden und zu dieser Tageszeit ruhig vor sich hin dümpelten, wahrscheinlich in Vorbereitung für die kommende Nacht.

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Ein klein bisschen später bin ich dann auch an einer der kleinen Anlegestellen vorbei gekommen, die einen ganz eigenen Charme versprühen, und hinter denen die Schönheiten der Nacht vertäut sind und vor der Kulisse der Nacht von der letzten Feier träumen.

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Vorher ging es dann aber erst noch durch einen kleinen Park zum ersten Schrein des Tages, dem Inari-dō Toyokawa Inani. Gerade im Park konnte man wieder diese schwer zu beschreibende Atmosphäre spüren, die manche Orte in Japan so intensiv versprühen. Der Schrein auf der einen Seite und die Hochhäuser im Hintergrund, und dazu die vorbei ziehenden Pinguine und Office Ladies und auch die Teenager in Schuluniform, die scheinbar jetzt zur Mittagszeit sich eine wohlverdiente Auszeit von der Schule nehmen zu nehmen scheinen. Es sei ihnen gegönnt.

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Weiter nach Süden passierte ich innerhalb weniger Minuten Kagata-Jinja, den nächsten Schrein, von denen es ja in Japan eine Anzahl schierer Größe gibt und welche mal mehr und mal weniger interessant und aufregend sind. Für mich ist es oft einfach nur das Ambiente, welches mich immer wieder anhalten und einen Blick werfen lässt.

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Schließlich erreichte ich das erste gesetzte Ziel des heutigen Tages, den Seiseki-Park, dieser Ort wurde zu früheren Zeiten Shinagawa-shuku Honjin genannt. Hier befanden sich die Quartiere der Durchreisenden, insbesondere der Daimyos, der japanischen Feudalfürsten mit ihrem Personal und ihren Samurais, welche während ihrer Reise auf der Tōkaidō hier einen Zwischenstop einlegten.

Heute erinnert nichts mehr an die frühere Bestimmung und an die einstige Lebhaftigkeit dieses Ortes, außer der Lärm der Hauptstraße und das Scheppern der Gerüstbauer. Das einzige Überbleibsel der fernen Zeiten ist diese Rekonstruktion eines Brunnens, so dass ich mein erste Ziel guten Mutes abhaken konnte, um meinen Weg fortzusetzen.

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Als nächstes war wieder ein Schrein angesagt, der Shinagawa-Jinja, und um diesen zu erreichen mussten erst einmal 53 Stufen erklommen werden, da er sich auf einen Hügel befindet, von dem man sogar eine kleine Aussicht über die Nachbarschaft bis ins Geschäftsviertel hat.

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Der erste Tokugawa-Shogun Ieyasu Tokugawa soll hier gebetet haben, bevor er in die Schlacht von Sekigawa gezogen ist und diese gewann, was dazu führte, dass sich sein Clan für die nächsten 250 Jahre die Herrschaft über Japan sicherte und Edo sich als Regierungssitz etablierte.

Der Schrein an sich ist sehr verspielt gestaltet, mit Haupt- und Nebengebäuden, welche teilweise dem Gott Inari gewidmet sind, dem Gott bzw. der Göttin der Füchse, des Reises und der Fruchtbarkeit. Angeblich gibt es in Japan über 30.000 Inari-Schreine, was wohl der großem Popularität dieser Gottheit zu verdanken ist. Hier vor Ort kann man das an den verschiedensten großen und kleinen Statuen des Fuchsgottes ersehen.

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Auch der Wassergeist Kappa hat seinen Platz hier gefunden und lädt zum rituellen Händewaschen ein. Nebenbei kann man sich hier auch gleich einmal das Gesicht erfrischen, die Lauferei und der Rucksack fordern bei unter dieser knallenden Sonne dann doch ihren Tribut. Aber so soll es ja auch sein, deshalb noch einmal umgedreht und den Hügel wieder nach unten und ab durch die Shinbanba Kitaguchi-dori Avenue, die auch heute noch etwas Flair von längst vergangenen Zeiten versprüht. Ein angenehmes Zusammenspiel von alt und neu.

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Als nächstes ging ein kleines Stück auf der Tokaido, der alten Handelsstraße stadtauswärts, bis ich schließlich den Meguro-Fluß überquert hatte. Jetzt war es angebracht umzudrehen, denn mittlerweile hatte ich für den Rest des Nachmittags mir noch ein anderes Eckchen von Tokyo in den Kopf gesetzt.

Von der Shinagawa-Brücke aus konnte man dann noch die rote Chinshu-Brücke und den dahinter gelegenden Schrein, den Ebara-Jinja erspähen, was natürlich, wenn man schon mal da ist, auch noch als kurzfristige Ziel anvisiert wurde.

Links hinter dem Tori-Tor kann man Ebisu, den Gott der Fischer und des Glückes sehen, und im Schrein selber gibt es wieder eine Ecke, die dem Fuchsgott Inari gewidmet ist. Scheint echt ein beliebter Bursche zu sein.

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Als ich dann kurz am Meguro-Fluß lang schlenderte überraschte mich dann auf einmal so ein komisches Quaken und natürlich konnte ich nicht umhin, genauer hinzuschauen. Diese kleine Ente wollte mich wohl darauf hinweisen, dass es mal wieder Zeit für ein kleines Bad in ihrem blauen Privatpool sei.

Die Halloweendekoration hat mich dann auch gleich wieder geerdet und mich daruf hingewiesen, dass die Zeiten der heißen Sommertage wohl erst einmal gezählt sind. Also muss ich den heutigen Tag voll auskosten, ausruhen gilt nicht. Das kann ich später im Zug noch machen.

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Jetzt ging es also die Tokaido-Straße wieder zurück Richtung Bahnhof Shinagawa. Natürlich hat sich auch diese Straße im Wandel der Zeiten verändert, aber ein Gefühl der alten Zeit kommt immer noch rüber. Die Weite der Tokaido soll in dieser Gegend auch noch unverändert sein, was wohl der Grund für die Einbahnstraße ist.

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Auch hier wieder alt neben neu, als Vertreter des Ersten findet man zum Beispiel dieses Geschäft, welches versucht traditionelle japanischen Sandalen an den Mann oder die Frau zu bringen, aber als zweites Standbein den Handel mit Zigaretten auch nicht ausschlägt. Man muss sich ja halt irgendwie durchs Leben schlagen, am Ende fragt doch meist keiner mehr, wie man sich denn letztendlich durchgemogelt hat.

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Das ich nun fast das Ende dieses "Spazierganges" erreicht hatte, deutete mir erstmalig und auch eindeutig dieser Bahnübergang an, welcher der Keikyu-Linie gehört, deren Bahnen auf diesen Gleisen den großen Shinagawa-Bahnhof anlaufen, um auch ihrerseits einen Teil der Menschenmassen auszuspucken oder aufzusaugen. Dieser "retro" Bahnübergang läutete das Ende des Bezirkes Shinagawa ein, bevor es nach der nächsten Kreuzung wieder in den modernen und wuseligen Minato-Bezirk ging, in dem schon die Ausläufer des Shinagawa-Bahnhofes ersichtlich sind. Ein Blick zurück Richtung Süden, "Bye-Bye Tōkaidō" und weiter geht's.

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Damit war ich nun wieder dort, wo ich vor ein paar Stunden los gemacht hatte. Das ich gerade ne echt tolle Runde gedreht hatte, war mit unterbewusst schon klar, aber mein nächstes Ziel weiter nördlich hatte schon nach mir gerufen, so das in diesem Moment wenig Zeit zum Verschnaufen und für einen Rückblick blieb.

Wie ich später feststellen konnte, hatte ich mal schnell schlappe und locker sieben Kilometer hinter mich gelegt, die wirklich sehr eindrucksvoll waren und sich mir tief ins Gedächtnis gebrannt hatten. Bereits dieser Teil des Tages hatte mir viele von den unzähligen Gründen geboten, warum ich diese Stadt so liebe.

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Und der Nachmittag war ja auch noch nicht zu Ende, als nächstes Ziel wurde der Bahnhof Nippori anvisiert, um mich vor dort zu Fuß zum Bahnhof Ueno durchzuschlagen, von dem ich so spät wie möglich dann meine Rückfahrt antreten wollte.

Aber darüber gibt es beim nächsten Mal mehr, bleibt also dran.

またね、mata ne ! 👺 👹

Sort:  

Es kommt mir vor, als wäre ich neben dir hergelaufen. Ich muss mir jetzt langsam auch all die Namen merken, um mit meinem von dir gelieferten Futter bei nächster Gelegenheit ein klein wenig zu protzen. Aber wahrscheinlich gehe ich den Jungs mal wieder nur gewaltig auf den Geist - da sie eben Ignoranten sind!
Eine Frage habe ich zu der Religiosität der Japaner. Ist es mehr Tradition oder doch ein tief verwurzelter Glauben?
Liebe Grüße
Wolfram

Och, gegen dich an meiner Seite hätte ich bei der nächsten Runde auch nichts einzuwenden.

Zur Frage Religiosität: Eher alles nur noch Tradition, zum Glück gibt es hier nur noch wenige wirklich tief verwurzelte Gläubige.

Die meisten Japaner besuchen zum Jahresanfang alle eine Schrein, was Glück für das nächste Jahr versprechen soll. Wenn ich dann frage, was sie dort machen, gibt es als Antwort: Wir "beten".
Aber an einen Gott glaubt angeblich dann doch keiner.

Wahrscheinlich auch wieder so ein Herdentrieb-Ding. ALLE haben das IMMER schon so gemacht, also muss man selber das auch weiter so machen. Und dabei immer noch ein paar Münzen ins Gefäß werfen. Man weiß ja nie.

Obwohl ich mir beim Vorbeilaufen gerne mal nen Schrein oder nen Tempel ansehe, spare ich mir letzteres. Genau wie bei den Kirchen in der Heimat.

Grüße auf den Balkan, und auf eine angenehme Post-HF20-Zeit!

Ich überlasse dir all die Zuneigung, die mir ein Überirdischer auf dieser Plattform für solche Gelegenheiten in der "Neuzeit" überlässt!!!!!
Deine Ausführungen beherbergen den Inhalt, der für eine Beobachtung dessen, was in dieser Richtung vor meiner Haustür passiert, in ein Beitrag einzubauen sein könnte. Ideal für den Wochenrückblick!
Danke dir für erhellende Zeilen in trüben Zeiten.
LG
Wolfram

Alles richtig gemacht, weiter viel Erfolg...

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Danke schön

Hallo @maxinpower, danke Dir für den neuen, eindrucksvollen Bericht über Deine Spaziergänge durch Tokyo, auch die Bilder sind stark! Liebe Grüße Alexa

Hallo @alexa57. Freut mich wenn es dir gefallen hat. Ich hoffe du bist gut durch die Stürme und Aufregungen der letzten Tage gekommen. Ich wünsch dir noch einen schönen Sonntag!

Vielen Dank für deinen kleinen Stadtrundgang und die tollen Bilder!
Schon krass, wie dicht modernste Architektur und traditionelles Brauchtum beieinander sind.
Ist das "normal", dass rund um den Bahnhof und auf der Tokaido so auffällig wenig Menschen sind?
LG, Chriddi

Also wenn du so kurz vor neun und gegen achtzehn Uhr vor dem Bahnhof bist, könnten sich die Menschenmassen schon ein bisschen schieben. Aber auf der Tokaido ist nicht ganz so viel los, und ich habe auch versucht fremde Gesichter aus meinen Bilder nach auszuhalten, also wenn keine Aufnahmen von vorne

Ist ja auch deutlich schöner so!
Vielleicht sind das auch nur meine ins Gehirn gebrannten Vorurteile: Tokyo+Bahnhof+Handelsstraße=Menschenmassen ;-)

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