Umgang mit dem Tod einer geliebten Person. 13. Februar, ein besonderer Tag

in #deutsch7 years ago (edited)

Wir werden im Laufe unseres Lebens auf den Tod vorbereitet

Nachdem meine Familie und ich aus unserem Heimatland geflohen waren, hatte ich außer meiner Kernfamilie keine Verwandten in Österreich.

So etwas wie Oma und Opa und was das bedeutet, kannte ich nicht, denn ich lernte meine Großeltern nie kennen. Als wir das Land verließen, war ich noch zu klein, um mich erinnern zu können und als wir in Österreich waren, konnten wir aufgrund unseres Status' als Konventionsflüchtlinge lange nicht zurück in den Iran. Für ganze 10 Jahre, bis wir als österreichische Staatsbürger anerkannt wurden. Mit dem roten Pass war es nun möglich.

Da war ich aber schon 15 Jahre alt, meine Großeltern waren in der Zwischenzeit schon gestorben, ohne dass wir uns noch einmal gesehen hatten. Für meine Eltern war das sehr schwer. Ich hatte wenig oder keinen Bezug dazu, also tat mir nur leid, meine Eltern so traurig zu sehen. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas zu verlieren, denn ich hatte sie ja nie.. Meine Großeltern.

Im Laufe meines Lebens machte ich klarerweise Erfahrungen. Ich hatte Freunde, die hatten Großeltern. Ich merkte, wie wichtig diese auch immer für die Kinder waren. Und wenn sie starben, waren meine Freunde wirklich wirklich traurig.

Jetzt weiß ich, dass das für die Entwicklung eines Menschen, nämlich in Bezug dazu, mit Tod und Verlust umzugehen, etwas sehr wichtiges ist. Kinder haben ihre erste Erfahrung und Begegnung damit, wenn ihr Opa oder ihre Oma stirbt. Dann weiß man schon mal, ok, das Leben ist endlich und irgendwann sind Mama und Papa dran.

Man wird dann später auch sehen, wenn die Zeit vergeht, dass man dann eh damit umgehen kann, ganz anders als man vorher und in dem Moment gedacht hatte, als man einen geliebten Menschen verlor, in dem Fall die Großeltern oder andere nahestehende Menschen.

Der Umgang damit, wenn es dann passiert ist

Nun, ich sah das bei meinem Neffen und meiner Nichte, als mein Vater, also ihr Opa, vor 5 Jahren unerwartet von uns ging.

Ich machte meine erste Erfahrung mit dem Tod und den Verlust eines geliebten Menschen erst mit 29, als mein Vater plötzlich starb.

Ich war gerade in Wien, in der Arbeit, ich hatte Nachtdienst. Ich wachte um 04:05 morgens auf, ganz plötzlich, und schaute mich um, dann legte ich mich wieder nieder. In der Früh, als ich aus dem Dienst kam, rief mich mein Bruder aus Linz an. Unser Vater hätte einen Herzinfarkt gehabt und liege im Krankenhaus. Ich solle kommen, um ihn nochmal zu sehen, es stehe schlecht um ihn.

Ich weiß noch genau, wie sehr ich gebetet und gehofft habe, es noch zu schaffen, dass er es schafft, als ich im Zug saß. Ich konnte nicht aufhören zu weinen, es war mir egal, was die Leute dachten. Doch er war schon tot, als mein Bruder mich angerufen hatte. Er war in der Nacht gegen 04:30 gestorben. Als ich ankam, sah ich meine Familie, alle waren schwarz gekleidet. Da wusste ich es. Ich musste stark sein, denn sie waren es nicht, hatte ich das Gefühl.

Wir hatten unser Familienoberhaupt verloren. Der, der uns allen alles beigebracht hatte. Der, der uns sein ganzes Leben gewidmet hatte. Der, der immer eine Antwort und eine Lösung für alles wusste. Und immer ruhig und gelassen war. Auch dafür hätte er die richtige Antwort gewusst. Der, der so verbunden war mit seiner Umwelt, durch seine Gedanken und durch seine Taten, durch sein ganzes Karma. Er war ein sehr besonderer Mensch und ich hatte eine besondere Verbindung zu ihm. Deshalb hatte ich davor auch immer Angst vor diesem Tag, ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass er schon so bald eintritt. Er war doch erst 57 Jahre jung.

An diesem Tag brachte mir mein Vater noch eine letzte Sache bei, obwohl er nicht mehr da war: es ist nicht schlimm, wenn jemand von uns geht.

Er sagte schon immer, wir leben in einer Art Leihkörper, den geben wir irgendwann zurück und sind dann Energie. Der Tod gehört eben so zu unserem Kreislauf wie die Geburt. Und das stimmt. Denn als ich meinen Vater im Sarg sah, war das einerseits eine Szene aus den schlimmsten Alpträumen, die ich je gehabt hatte, und andererseits war ich erleichtert. Denn ich sah und spürte, dass er recht gehabt hatte. Er war da nicht drin in diesem Körper. Das war der erste leblose Körper, den ich in meinem Leben sah. Ich bin froh, dass es niemand anderer war.

Ich konnte ihn gehen lassen, denn ich war überzeugt, er war es nicht, der unter die Erde kommt. Das war nur der Leihkörper, in dem er war. Und ich habe so viel von ihm gelernt, dass er jeden Tag in mir weiterlebt und auch in allen anderen Menschen, die er geprägt hat.

Heute, am 13.02. hat er Geburtstag, er wäre heute 64 Jahre alt geworden. Ich denke fast jeden Tag an ihn, denn er war tatsächlich mein bester Freund und der beste Vater, den man sich vorstellen kann. Aber heute ist ein besonderer Tag, darum widme ich ihm diesen Post und dieses Lied:

Sean Hayes - Soul Shaker

(...)
You were a real street preacher
Talking about life's abundance
Living it to the fullest
Giving us all that you could

A deep soul shaker
Surely a true heart breaker
Always be a guiding light
For anyone looking for a little bit more in life

You said 'do it yourself
But then teach some one else'
When your heartbeat was taken away
You left us with so much spirit
(...)

Danke fürs Lesen.
@margemellow

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Liebe @margemellow,
das ist so ein schöner, berührender Text, danke!
Ich habe schon lange aufgehört, Angst vor dem Tod oder vor toten Körpern zu haben. Der Tod gehört zum Leben dazu, der Körper wurde uns für die jetzige Inkarnation zur Verfügung gestellt, damit die Seele auch physisch agieren kann.
Mein Vater ist bereits mit 49 Jahren am Herzinfarkt verstorben, überhaupt habe ich viele Männer, die mir etwas bedeuteten, viel zu früh verloren. Es hört sich grausam an, aber jedesmal war es für den Zusammenhalt der Familienangehörigen und deren Lernprozesse in der Auseinandersetzung Tod/Leben auch ein wertvolles Erlebnis. Bitte nicht missverstehen sondern fühlen!
In vielen deutschen Krankenhäusern ist es Ritus, nach dem körperlichen Ableben eines Patienten das Fenster zu öffnen, damit die Seele leichter ihren Weg in die Weite des Universums findet. Den Gedanken dahinter finde ich schön, beruhigend und friedvoll.
Danke, dass du dieses "Tabu-Thema" angesprochen hast!
LG, Chriddi

Das ist ein sehr wertvoller und schöner Kommentar von dir, danke!

Du hast recht, es ist jedes Mal ein Lernprozess, ich weiß genau, was du meinst... Das mit dem Fenster wusste ich nicht, ich finde die Idee dahinter aber wirklich wirklich schön.

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oh so schön und doch so traurig. Danke fürs Teilen <3 auch in meinem weiteren Bekanntenkreis ist vorgestern jemand gestorben, den ich als Kind gut kannte. Der Tod schleicht sich auch immer wieder in meine Gedanken und ich muss mich glaube ich damit beschäftigen, darüber schreiben und nachdenken. Damit ich einen friedlichen Umgang damit finde. Und du hast einen Teil dazu beigetragen. Danke

♥️ man sollte sich jedenfalls die Zeit nehmen, die man braucht, in welcher Art auch immer, zu trauern. Wobei ich das Wort nicht so mag, trauern.. Du weißt bestimmt, in anderen Kulturen geht man ganz anders mit dem Tod um. Ein Verstehen des Ganzen, also dass es ein Kreislauf ist, erleichtert es. Aber es ist immer schwer, jemanden zu verlieren, auch von Lebenden. Es ist ein Prozess..
Danke für deinen Kommentar du Liebe!

Gern <3 Das mit dem Leihkörper fand ich auch sehr gut. Vielleicht will ich mich auch vorbereiten wenn ich irgendwann in so eine Situation komme, jemanden zu verlieren. Und das werde ich. Früher oder später. Und ich würde lügen wenn ich sagen würde ich hätte davor keine Angst. Danke <3

Ich danke dir.
Die Angst ist natürlich, .. Richtig vorbereitet ist man nie, denke ich, und traurig sein wird man auch.. Ich denke, es gilt, genau das zu akzeptieren, zuzulassen und zu verstehen. Darüber reden oder schreiben und nachdenken hilft, klar, das wäre vielleicht eine Art Vorbereitung

Danke Du hast mir total weitergeholfen mit deinem Post und dem Kommentar. Ich glaube sich auf so etwas vorzubereiten wollen ist Unsinn - so wie ich es mir ausgemalt habe. Musste gerade heute an die Geburt meines Sohnes denken, da "dachte" (also mein Kopf) auch dass ich mich vorbereiten kann und muss & als es dann soweit war... pfffff das ist eine Naturgewalt. Und das gleiche wird beim Tod auch so sein. Also Geburt und Tod gehören ja auch zusammen. Wie will man sich darauf vorbereiten? Geht glaub nicht. Danke!! Hatte echt ein Aha Erlebnis. Ich glaub wir sind uns echt ähnlich (P.S. ich hoffe du bist beim nächsten Girls meet up dabei- würd dich gern mal hören :-))

:)) freut mich echt, zu lesen! Ja, werde versuchen, dabei zu sein das nächste Mal, hab aber eh brav das Protokoll gelesen :)

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