Der Geheimkurier - "Mit-GEFAHR-legenheiten" - Teil 2

in #deutsch6 years ago

Geheimkuriere, Sektenführer und übernatürlich Zufälle: Einmal Köln und zurück bitte!

Eine gute Freundin hatte mich zum Geburtstag eingeladen. Weil sie seit einiger Zeit in Köln wohnte, machte ich mich schon einen Tag eher auf die Socken, damit sich die 3,5h Anfahrt auch lohnen würde und ich noch ein bisschen in Köln rumschlendern konnte. Zusammen mit einem vollbärtigen Kameramann vom WDR und unserem gemeinsamen Fahrer saß ich in einem quietschgrünen Fiat Punto, welcher von innen eigenartigerweise viel geräumiger wirkte als andere kleine Autos dieser Art. An den hinteren, seitlichen Scheiben saugten sich Sonnenschutz-Scheibenverdunkler mit Kamillenmuster fest. Und am Rückspiegel baumelten ein Buddha, eine rastafarifarbene kleine Pfeife gemeinsam mit einem Rosenkranz ganz fröhlich hin und her. Wir tuckerten gemütlich auf der rechten Spur in Richtung Kölle.

Jeder erzählte kurz, was er grad so machte, wie man das eben so macht, wenn man gerade auf engstem Raum für zwei, drei Stunden miteinander auskommen will. Der Kameramann war, wie gesagt, Kameramann und erzählte lustige Stories von den Sendungen, an denen er beteiligt war. Zum Beispiel "Elefant, Tiger & Co" oder "Kein schöner Land", falls das von euch einer kennt. Nee, aber cool, sagte ich. Außerdem macht er noch Musik, so Rap und HipHop und manchmal legt er auch auf. Es stellte sich heraus, dass ich schon auf ein-zwei Partys von ihm gewesen war. Ich erzählte auch kurz, Kaffee und Theater. Sowas halt.

Dann kam der Fahrer an die Reihe: "Ich arbeite als Luftkurier. Deshalb muss ich mich immer in der Nähe von internationalen Flughäfen aufhalten, falls ein dringender Auftrag reinkommt." - Das klang ja mal irre spannend. Er erzählte weiter, dass er kürzlich einen wertvollen Microchip persönlich in ein Computerwerk nach China gebracht hat, weil sonst die gesamte Produktion für Boardcomputer, die in Kreuzfahrtschiffen weltweit verbaut werden, zum Stillstand gekommen wäre. Oder geheime Dokumente nach Kuweit und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Dann folgte eine verrückte Story über eine Einladung zum Abendbrot bei einem Emir im Oman. Der Kameramann und ich hörten gebannt zu. Wie lange er das schon machen würde und ob dies sein Traumjob sei, fragten wir. Nein, er sei erst seit fünf Jahren Luftkurier. In seinem vorherigen Leben war er Großmeister bei einer christlichen Sekte gewesen, hat sich aber entschieden auszusteigen und dann kamen wir in den Genuss seiner irren Lebensgeschichte.

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Diese begann in den sechzigern im Rheinland und führte ihn durch mehrere europäische Länder immer eine Stufe höher in der Hierarchie dieser Sekte, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß. Er berichtete von Ritualen, mystischen Erscheinungen, seltsamen Beziehungen zu Frauen und schließlich von seinem Ausstieg aus der Gemeinschaft. Wir waren total baff, als er uns am vereinbarten S-Bahnhof absetzte, wo wir beide hoch interessiert seine Memoiren direkt aus seinem Kofferraum für 30€ pro Ebook-Link erwarben.

Der Fiat brauste weiter und der Kameramann und ich sahen uns an. Wir tauschten Nummern, denn wir waren uns der besonderen Einzigartigkeit dieser gerade erfahrenen Lebensgeschichte mehr als bewusst. Wir verabredeten, zuhause mal zusammen ein Bier trinken zu gehen und verabschiedeten uns.

Ich eilte die Treppe zum Bahnsteig hoch, ohne zu wissen, ob dort die richtige Bahn abfahren würde und plötzlich stand meine Freundin, die ich erst am nächsten Tag besuchen wollte, vor mir. Im Gegenlicht der gleißenden Nachmittagssonne ploppte sie wie eine Engelserscheinung aus der um sie herum eilenden Menschenmasse auf! Ich war total sprachlos. Sie muss leider schnell zur Arbeit und wir sehen uns ja morgen. Jaja viel Spaß, bis denn - weg war sie.

Da fahre ich einmal nach Köln, kenne mich kein bisschen aus und treffe adhoc diese eine Person in den ersten 5 Minuten. Die Aura oder das Karma oder das Leuchten des Fahrers wirkte noch nach … jedenfalls schwebte ich auf dem verblüffenden Gefühl über unsere zufällige Begegnung weiter durch die Stadt.

Ich hatte zwei witzige und schöne Tage in Köln, sah alte Bekannte und gute Freunde wieder und fuhr mit einer anderen über mitfahrgelegeheit.de gebuchten Fahrerin namens Leni zurück nach hause. Sie war in meinem Alter, kam gerade von einem Camping-Wochenende mit Freunden zurück. Sie erzählte mir von ihrem Job als Chemikerin an der Uni und so ich ihr dieses und jenes und irgendwie kamen wir auf die außergewöhnliche Lebensgeschichte des Fiat Fahrers, die ich vor zwei Tagen gehört hatte. Ich erzählte sie Leni in Kurzform und schloss damit, dass ich plante dem Kameramann vom WDR tatsächlich mal zu schreiben.

"Aha", sagte sie, ein Kameramann vom WDR. Das ist ja interessant. Hat der krasse blaue Augen und einen Bart, ungefähr so lang? Sie machte vor wie lang der Bart ist. Ich kenne nämlich auch einen, der da beim WDR als Kameramann arbeitet. Heißt der zufällig Max? Hä? Ja! Das wurde mir jetzt ein bisschen zu heiß hier. In wessen Auto war ich jetzt gleich noch eingestiegen? Und ist dieses Görl hier neben mir wirklich Chemikerin? Ich war mir nicht mehr so sicher, als sie mich fragte: “Weißt du eigentlich, dass wir die ganze Zeit seine Musik hören? Max ist mein Ex.”

Wie konnte es möglich sein, dass diese Fülle von Außergewöhnlichkeiten und eigenartigen Zufällen sich in die knappe Zeitspanne von gerade mal 48 Stunden quetschen konnten? Hhhmm? Während ansonsten Wochen über Wochen manchmal sogar monatelang überhaupt nichts Aufregendes passierte. Und warum kann das nicht ein bisschen dosierter stattfinden? Buddha, Bob, Jesus? Irgendeiner mit ‘ner Idee hier? Ehrlich, ich brauchte richtig Erholung von diesem Trip!

Wir haben uns tatsächlich ein paar Monate später auf ein Bier getroffen. Aber ohne Leni. Natürlich hatte ich nicht versäumt von Leni, mir und dem vollgestopften Volvo ein Foto am Rastplatz zu machen. Als Beweismittel quasi.

Ach, und das Ebook vom Luftkurier haben Max und ich bis heute nicht gelesen.


Die Einleitung sowie den ersten Teil zu diesem Dreiteiler findest du hier: https://steemit.com/deutsch/@lulafleur/mit-gefahr-legenheiten-teil-1

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Das nenne ich aber mal einen richtigen Zufall!
Wer da nicht baff ist weiß ich auch nicht.

Du hast einen genialen Schreibstil. :D

Hihi danke für dein tolles Kompliment! Ich freue mich wirklich superdoll, dass dir meine Schreibe gefällt! :-))

Wen man nicht so alles kennenlernt bei solchen Mitfahrgelegenheiten :)

Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Leute gerne in eine neue Rolle schlüpfen und 2-3 Stories dazudichten, weil man ja weiß, dass sich nach ein paar Stunden die Wege wieder trennen.

Aber interessant ist es allemal.

Hallo lieber @thomashinze, hab lieben Dank für deinen Komemmentar. Du hast total recht, manchmal komme einem die Leute auch ein bisschen unecht vor oder das was sie erzählen. In diesem Fall war ich mir aber ziemlich sicher, dass der Mann seine echte Geschichte erzählt...wobei ich vielleicht doch mal dieses Ebook von dem lesen sollte ....hhmmm!? ;-)

Durchaus interessante Dinge, die man auf solchen "Reisen" erlebt... aber da fahre ich lieber mit der Bahn - wobei man dort auch ein paar witzige Dinge erleben kann. :D

Oh Bahn fahren....das rockt auch maximal!!! Ich liebe es die Leute beim Nickerchen machen zu beobachten. Oder oder oder - ach da fallen mir gleich noch ein paar lustige Erlebnisse ein! Danke!

... oder einen Zwischenhalt machen zu müssen, weil ein Penner (oder: Obdachloser) in den Zug steigen, seine Tasche hastig abstellen und flüchten musste? ;)

Ich sag nur so viel:
Die Polizei nimmt sich bei solchen Vorfällen scheinbar gerne viel Zeit ...
... zwar nicht mit der Bearbeitung der Sachlage, sondern mit dem Erscheinen am "Tatort" ... aber hey, Zeit ist Zeit! :D

Hihi, ja beim Zugfahren erlebt man auch so einige abgefahrene Sachen,ob mit Mitreisenden, Schaffnern oder eben auch mal den Kollegen von den Bundesbehörden. Und weil volle Züge gerne aus unerfindlichen Gründen in der Wallachei herumstehen, habe ich das mit dem Pendeln auch irgendwann aufgegeben... weil Zeit ist Zeit! :-D

Herrlich, du schreibst wirklich ganz großartig, locker flockig leicht, nimmst einen total mit, einfach fantastisch!!!!

Danke Liebes! :-* Oh ich freue mich wirklich so übelst doll, dass meine Texte so großen Anklang finden :-) Unfassbar eigentlich... Danke jedenfalls :-D

Danke !! Für deinen frischen und quirligen Schreibstil. Nach dem gestrigen Teil war ich hungrig nach mehr ;) und du hast gut abgeliefert. Freu misch schon drauf Teil 3 zu lesen. ;)

gruß
Viktor

Gutenmorgen @gutenmorgen, Dankeschön für dein Kompliment & deinen Kommentar :-) Teil 3 kommt heute abend. Liebe Grüße, Lu

Hey @lulafleur
Du schreibst mit einem ganz besonderem Stil, gefällt mir wirklich sehr gut! Bin gespannt auf den nächsten Teil;) Herzliche Grüße aus dem Van Sarah

Hey Sarah, ganz lieben Dank! Ich wünsche dir ein schönes Wochenende! :-D

Dass nennt man Synchronizität.

Manche Leute behaupten, wenn sowas passiert, ist das ein Zeichen dass man alles richtig macht im Leben. Dass man sein Schicksal erfüllt bzw. auf dem richtigen Weg ist. Was ich davon halten soll weiß ich nicht. Aber beeindruckend sind solche Erlebnisse schon. :)

Hatte auch schon solche Situationen. Man sitzt irgendwo weit weg an einem Lagerfeuer und denkt seit langem mal wieder an einen alten Freund den man schon ewig nicht mehr gesehen hat. Auf einmal steht er genau neben dir und natürlich hat auch er vor kurzem an dich gedacht. :D

Du sagst es, es ist wirklich beeindruckend! Danke für den Hinweis. Das gucke ich mir mal an - sehr spannend! Okay, das mit deinem alten Freund klingt auch ein bisschen unheimelig. Und wenn sowas passiert bin ich auch immer leicht geneigt, dem Geschehen irgendeinen tieferen Sinn anzudichten. Obwohl ich wirklich keine Eso-Trulli bin. Danke für deinen Kommentar!

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