Chaotisch Gut oder Rechtschaffen Böse? #fridaysforfuture

Wieder einmal sind am Freitag hunderttausende Schüler auf der ganzen Welt auf die Straße gegangen, um für eine bessere Zukunft - ohne einen völlig zerstörerischen Klimawandel - einzutreten.

Und wieder einmal gab es eine erkleckerliche Anzahl Leute, die das gar nicht toll fanden. Nein, nein, nicht das Thema an sich (sagen sie), sondern dass die Kinder zur Schulzeit demonstrieren!

Warum tun sie das denn auch? Warum nicht z.B. Samstags, wo keine Schule ist?
So wie die Lokführer, die ihren sehr erfolgreichen Streik immer Nachts zwischen 1:00 und 3:00 Uhr durchführen (wie übrigens auch die Müllmänner). Oder die Piloten, die immer nur streiken, wenn dadurch keine Flüge ausfallen.

Ihr erinnert euch nicht an diese Streiks? Hm... wahrscheinlich, weil es die nicht gegeben hat. Aus irgendeinem Grund streiken Erwachsene nie an Zeiten und Orten, an denen der normale Ablauf nicht gestört wird. Seltsam...

Ich glaube ja, es geht da weniger um den Zeitpunkt und den Ausfall des Unterrichts (den gibt’s auch so mehr als genug), sondern um Kontrolle.

Schüler, die zur Schulzeit streiken, sagen: Wir halten uns nicht an eure Regeln! Wir machen nicht mehr länger mit bei dem, was ihr entscheidet! Wir halten die deutsche Autoindustrie nicht für alternativlos!

Für die Schüler ist das Ziel wichtiger als die Regeln. In einem Rollenspiel würde man sagen: Sie sind Chaotisch Gut.
Und für jemanden wie Verkehrsminister Be-Scheuert würde ich sagen: Rechtschaffen Böse.
Sie halten sich an die Regeln, koste es, was es wolle.

Mit dem Beharren auf der Schulpflicht zeigen die Gegner der Schülerproteste aber vor allem zwei Dinge.

Erstens: Sie haben keinen Ansatzpunkt, die Position der Schüler an sich anzugreifen. Die Schüler sind vielleicht nicht im Recht, aber sie haben Recht. Und: jeder weiß es.
Je länger die Schülerproteste anhalten, und je mehr sich beteiligen, desto schwächer wird das "Schulpflicht" Argument. Die normative Macht der Realität ;)

Apropos Schulpflicht (und zweitens): Es gibt zwar eine Schulpflicht, aber keine Schulhauspflicht.
Und die Schulpflicht gilt auch, und vor allem, andersrum: Es ist in erster Linie ein Recht der Kinder auf Bildung (UN Kinderrechtskonvention Artikel 28, auch Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte).
Wenn die Schüler auf der Straße sind, muss eben dort der Unterricht stattfinden, statt im Schulgebäude.
Schließlich heißt es doch auch, für das Leben lernen wir, richtig? Und wo könnte man das besser tun als mitten im Leben, beim Eintreten für eine gute Sache?

Stoff für Sozialkunde, Ethik, Geographie und sogar Geschichte ergibt sich dort jedenfalls genug.

Liebe Schüler: Jede große Änderung braucht eine kritische Masse. Aber vor allem braucht sie einen ersten Dominostein. Ihr könnt dieser Stein sein. Eure Position ist unangreifbar. Ihr braucht eigentlich nur Ausdauer.