Beschütz mich vor dem was ich will

in #deutsch8 years ago (edited)

Ich hatte bereits erwähnt, dass ich "im wahren Leben" u.a. Finanzberater bin und angedeutet, in welche trüben rechtlichen Gewässer man als solcher unter dem strikten Regime der Bafin manchmal unterwegs ist. Das wäre an sich ein dröges Thema und "mein Problem", wenn es nicht so schön verdeutlichen würde, zu welchen unerwünschten Nebenwirkungen der "Beschützerinstinkt" des Staates führt.

Ich habe gerade ein Telefonat hinter mir, das für mich diese ganze Absurdität vor Augen führt und davon möchte ich berichten.

Was war geschehen?

Ich berate meine Mandanten unter dem Haftungsdach einer deutschen Privatbank, ausschließlich im Bereich regulierter und "zum öffentlichen Vertrieb" zugelassener Publikumsfonds. Ich habe mich auf sogenannte "vermögensverwaltende Lösungen" spezialisiert, also Fonds, die man möglichst kaufen und lange halten kann, da die wenigsten Privatanleger gerne häufig "traden". 

Bis vor kurzem musste ich meine Mandanten jedes Mal persönlich treffen, wenn ich ihnen eine konkrete Handlungsempfehlung gebe, also dazu rate einen bestimmten Fonds entweder zu kaufen, zu verkaufen oder zu halten. Hintergrund dieser Schutzmassnahme ist, dass sehr viele Finanzberater" völlig zu Recht als reine Produktverkäufer angesehen werden, die einem etwas andrehen wollen, was meisten viel zu teuer ist und in der Regel nicht hält was es verspricht (auch das ist kein "Marktversagen" und auch daran ist der Staat aus meiner Sicht schuld, aber das würde den Rahmen des Artikels sprengen). Diese Verkäufer im Beratermantel sollen wenigstens jede Empfehlung persönlich vor Ort, vor Geschäftsabschluss begründen und dokumentieren müssen und der Grundgedanke leuchtet mir - wie fast immer beim Staat - durchaus ein.

Das Problem ist nur, dass es - wie immer bei staatlichen Schutzmaßnahmen - auch die trifft, von denen garkeine Gefahr ausgeht. Ich erhebe z.B. praktisch nie sogenannte Ausgabeaufschläge und verdiene nur an den sogenannten Bestandsprovisionen, die ohnehin Bestandteil der Fondskostenkalkulation sind und daher in jedem öffentlichen Chart bei Onvista und Co. "enthalten" und sichtbar sind. Diese "BePros" betragen i.d.R. unter 0,5% des Anlagevermögens pro Jahr und das teile ich mir auch noch mit meinem Haftungsdach. Außerdem empfehle ich nur Dinge, die ich meiner eigenen Mutter empfehlen würde, wenn sie denn bloß die entsprechende Risikobereitschaft hätte.

Jetzt könnte man sagen: tja, Pech gehabt, was bist du auch das weisse Schaf unter so vielen schwarzen.

Das dumme ist nur, dass die Beratungsqualität für die Masse nicht wirklich gestiegen ist. Zwar haben die neuen Beratungspflichten möglicherweise (!!!) ein paar Ausreisser nach unten verhindert, aber dafür ist die (Fonds-)Beratung sehr viel einseitiger geworden, weil die Portfolien weniger breit diversifiziert werden, jetzt wo jede Empfehlung schriftlich begründet werden muss und zwar während der Beratung, live, nicht nachträglich oder postalisch. Selbst ich habe meine Mindestfondsanzahl auf 5 reduziert, weil es schlicht impraktikabel ist Finanzlaien 10 verschiedene vermögensverwaltende Fonds zu erklären, wo die schon nach 3 betteln einfach nur machen zu dürfen was ich für richtig halte und versprechen sogar die hunderten Seiten zu lesen, die sie schon nach 3 Fonds lesen müssten, wenn ich nur bloß endlich aufhöre von verschiedenen Anlagestilen und Risikomanagementstrategien der diversen Fonds zu reden und neben her wie blöd Protokolle ausfülle.

So kam es als etwas wie eine Erleichterung, dass ich seit kurzem telefonische Beratungen durchführen darf, wenn ich wie gehabt alles brav protokolliere, der Mandant mir das Protokoll unterschrieben zurückschickt (ja, stöhn, aber ihr wolltet ja den ganzen Schutz angeblich) und ich es nach nochmaliger Prüfung an mein "Haftungsdach" weiterleite.

Das habe ich dann auch gleich testen wollen und einer langjährigen Mandantin, die bisher immer extra nach Berlin kommen musste, wenn es "konkret" wurde (kaufen, verkaufen, halten), ein telefonisches Beratungsgespräch über eine empfohlene kostenlose Umschichtung in Ihrem Depot angedeihen lassen und das Protokoll hinterhergemailt (auch das wahrscheinlich ein fraglicher Vorgang unter Datenschutzgesichtspunkten, aber ich kenne die exakten Vorschriften gerade nicht und kann nur hoffen, dass weder Haftungsdach noch Bafin mitlesen).

Lustigerweise ging die Umschichtungsempfehlung in einen Fonds, von dem ich zufällig heute erfahre, dass er wegen zum großem Erfolg schließen wird. Da ihn bald keine Neuanleger mehr wird kaufen können, müsste ich nach Bafin-Logik den guten Tip jetzt sogar öffentlich benennen dürfen:

Makler-Liebling und Milliarden-FondsNordea Stable Return macht zu – aber nicht so ganz

Meine Mandatin schickte mir wie vereinbart das Protokoll unterschrieben zurück und ich leitete es an die Bank weiter. Wenig später sah ich in meinem Webfrontend, dass sie die Empfehlung selbständig online umgesetzt hatte.

Nun erreichte mich per Fax ein sogenannter "Nachbearbeitungsauftrag". Ich hätte nicht angegeben, ob der Auftrag ausgeführt wurde oder nicht. Das war sehr ungewöhnlich, denn bislang war ich immer nur gefragt worden, ob eine bestimmte Transaktion eines mir zugeordneten Anlegers - pardon - auf meinem Mist gewachsen war (=Protokollpflicht) oder ein "reines Ausführungsgeschäft" vorliege (=kein Haftungsrisiko. Kleiner Exkurs für Trolle: wenn ihr eine Bank nerven wollt, holt Euch Depots, tragt ein, dass Ihr nur Risikoklasse 1 vertragt und kauft dann mit Kleckerbeträgen thailändische Aktienfonds. Die müssen euch jedes Mal warnen.). 

Der Auftrag war aber ausgeführt, das konnte selbst ich sehen und die Bank damit auch und das Protokoll lag auch vor. 

So kam es zum denkwürdigen Telefonat mit meinem Haftungsdach. Es stellte sich heraus, dass ich offenbar seit 2012 in einer Art Rechtslücke operiert hatte und nun zu prüfen sei, ob ich so überhaupt in das ganze Gesetz passe. Ich habe meine Mandanten nämlich von Beginn an dazu erzogen, dass sie ihre Online-Zugänge nutzen und Order selbständig ausführen können. Zum einen ist das für die Mandanten i.d.R. billiger als der Weg via Post oder Fax, zum anderen erhöht es ihre finanzielle Handlungsfähigkeit und ich hatte last but not least nicht auch noch das Problem mich darum kümmern zu müssen, ob die unterschriebenen Papierausdrucke irgendwelcher Order ihr Ziel erreichen. Das wiederum ist aber so offenbar nicht vom Gesetz vorgesehen. Ich muss die Umsetzung meiner Empfehlung veranlassen, was meine Kollegen offenbar alle via Fax oder Brief machen (ja, natürlich oft mit Blankounterschrift, ist zwar alles verboten, aber hey...) und daneben sitzen und erklären was eine PIN und eine TAN ist, wenn meine Mandanten bei sich eingeloggt sind, zählt rechtlich nicht dazu. Technisch gesehen hat der Anleger dann nämlich "selbst entschieden" und fällt damit per Definition aus meinem Beratungsprotokollpflichten. 

Theoretisch kann es jetzt sein, dass ich meine Finanzberatung schlicht einstelle, weil wenn ich jetzt auch noch für verschlampte Order haften soll, dann ohne mich.

Theoretisch könnten jetzt aber auch paradiesische Zeiten anbrechen, weil ich einfach fröhlich berate, die Anleger offiziell und rechtlich gesehen alles selbst entscheiden und alle glücklich und zufrieden sind, solange ich nicht so einen Mist empfehle, dass mich doch mal einer verklagen will.

Szenario 2 hält mein Haftungsdach für unwahrscheinlicher als Szenario 1, aber wir klären das jetzt.

Verkäufer, die einfach nur mit dem "Fonds des Monats" durch die Lande ziehen, haben diese Probleme jedenfalls nicht.

Ach und der Titel spielt hierauf an:




Sort:  

Das ist generell soein Problem, daß wir glauben alles auf irgendwelche normierte, regulierbare Standardscheiße runterbrechen zu müssen. Diese one-fits-all Mentalität, der Einheitsmensch den man schön in irgendwelche Modelle und Statistiken packen kann. Da paßt dann jeder in der Theorie rein, nur hilft das in der Realität dann keiner Sau mehr weiter sondern wir schießen uns selber ein ums andere Mal ins Knie und glauben noch mehr Regulierung und noch mehr Einheitskacke ändert was daran. Auch wenn man meinte sollte, daß wirs nach der 100. Schußwunde langsam merken sollten.

Ich hab da mal ein langes Gespräch mit einem Unternehmensberater geführt. Bei dem wars noch viel krasser. Der mußte rettbare()! Firmen in den Ruin schicken weil er die simplen und hilfreichen Strategien nicht umsetzen durfte, sondern nach überreguliertem Scheiß sinnlose aber zertifizierte Standard-Maßnahmen empfehlen mußte bei denen jeder Depp sehen konnte daß sie scheitern werden und noch mehr Geld vernichten.
Er hat das mal heimlich gemacht ne zeitlang bis es ihm zu heiß wurde. Denn er kämpft dann natürlich auch um seine Existenz potentiell, wenn die "verbotene" Strategie dann in einem von 10 Fällen dann doch nicht aufgeht. Dann springt die Versicherung ab, er bekommt Probleme mit der Berufsvereinigung und verliert mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Zulassung, es finden sich 100 Gutachter die bestätigen werden daß er zumindest fahrlässig gegen "etablierte Standardverfahren" verstoßen hat und wird persönlich haftbar,...
Alles weil er im Rahmen seines Berufes einem Unternehmen tatsächlich helfen wollte.

Am Ende verstecken sich alle in der Herde und drücken sich davor Verantwortung zu übernehmen und zu tun wofür sie da sind. Verständlicherweise, weil sie nur von allen anderen zerfleischt werden. Wir leben in einer Gesellschaft wo die "Schuld" inzw. echt wegen jedem Furz immer beim Anderen gesucht wird. Ein Teufelskreis. Einfach zum Kotzen...

Du sprichst mir aus der Seele...ich glaube inzwischen kann jede Branche über so etwas berichten. Die "Anständigen" passen sich an die "gut gemeinten" Vorschriften an, die Schlingel finden eh immer Auswege.

Schade, dass man nicht einfach die schwarzen Schafe aus dem Verkehr zieht, sondern einfach die Anforderungen immer mehr erhöht. Aber das gibt es wahrscheinlich in jeder Branche... Drück dir auf jeden Fall die Daumen, dass du als anständiger Berater so weitermachen kannst ;)

Nn capisco ma un upvote nn te lo tolgo mai anche se nn ve nulla

Hahahaha :D Grazie! Stavo spiegando perche non posso forse piu lavorare nel mio mestiere da consulente finanziario per cause di regole destinate a proteggere gente da truffatori, ma che invece beccano gente come me.

Mi dispiace!!!

Tja...es gibt in unserer Gesellschaft kaum noch Typen mit Ecken und Kanten, die auch mal aufstehen und Paroli bieten und gewisse Dinge anprangern. Alle im Laufe ihrer Karriere aalglatt geschliefen worden....

Es ist echt erschreckend, vor allem das Ausmaß an vorauseilendem Gehorsam und diese duckmäuserische Haltung gegenüber jeder noch so dümmlichen Vorschrift...selbst bei den ach so allmächtigen Banken...aber wir feiern uns als Weisse Rose wenn wir die AfD "Nazis" nennen, wir Maulhelden, wir elendigen...

Dein ernst, dass du mich flaggst, ob wohl ich immer jeden Artikel von dir upvote und ich das Rezept sogar übersetzt habe? Bitte entferne deine Flagge für eine weiterhin gute Zusammenarbeit. LG Jonas

Ok alles klar, du möchtest also deine Flagge nicht entfernen, dann weiß ich bescheid...

Is jetzt dein Ernst? Racheflags? Schon bissi kindisch, oder?

Was für Racheflags? Ich flagge niemanden. LG Jonas

Yep, weisst Du. Keine Ahnung ob Du mich upvotest oder nicht, aber da Du eh immer alles aucashst, was Du Dir so zusammenspammst, ist Dein Vote auch absolut irrelevant für mich, sogar finanziell.

Alles klar, dann gehen wir uns einfach aus dem Weg und alles gut.
Schönen Abend allen noch. Gruß Jonas

Schau' n mer mal, dann segma schon.
PS:
Deine Dreistigkeit schiebe ich auf Deinen jugendlichen Leichtsinn. Ich bin 40 mein Freund und ich bin nicht mit Sprüchlein von "guter Zusammenarbeit" von irgendwelchen crashgeschulten Marketing Fuzzies einzulullen. Mir ist in meinem Leben schon mehr Scheisse in toller Verpackung angeboten worden als Du jemals posten kannst. Komm mal klar, junger Freund, hier ist nicht das Eldorado für Glücksritter und Scharlatane auch wenn Du dachtest Du hast den Dreh voll raus.

Haha, was für ein "crashgeschult", was redest du? ^^ Ich habe übrigens heute bei Hellofresh angerufen und es ist alles ok, ich darf sogar die Texte kopieren wenn ich möchte, da ich dort Partner bin und uns die Texte zur Verfügung gestellt werden. Die ganze Diskussion war also nur Zeit- und Nerv-raubend. Desweiteren beschwert euch doch mal bei den ganzen wirklich dreisten Kopierern hier auf Steemit, da wird komischerweise nicht geflaggt, aber bei mir wo alles entweder mein Content ist, oder ich die Rechte habe es zu teilen, bzw. auf die Quelle verlinke. LG Jonas

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